Walter Krämer (Ökonom)

deutscher Ökonom und Hochschullehrer

Walter Krämer (* 21. November 1948 in Ormont) ist ein deutscher Ökonom.

Walter Krämer (2005)

Er war von 1988 bis zu seiner Emeritierung 2018 Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der Technischen Universität Dortmund. Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde er durch populärwissenschaftliche Literatur zur Statistik sowie durch sein Engagement als Gründer und 1. Vorsitzender des Vereins Deutsche Sprache e. V. in Dortmund und als Sprecher der Stiftung Deutsche Sprache.[1]

Leben Bearbeiten

Krämer studierte Mathematik und Wirtschaftswissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, wo er 1979 promoviert wurde. Er habilitierte sich in Ökonometrie an der Technischen Universität Wien. Im Jahr 1988 wurde er Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der Technischen Universität Dortmund. Außerdem war er als Gastprofessor am Management-Institut der Fudan-Universität in Shanghai tätig.

1997 gründete er den Verein Deutsche Sprache. Daneben ist Krämer Sprecher des Stiftungsvorstands der Stiftung Deutsche Sprache.

Zu seinen Veröffentlichungen außerhalb des Fachgebiets gehört das 1996 erschienene Buch Lexikon der populären Irrtümer.

Krämer ist Mitglied der Gesellschaft der Freunde der Hebräischen Universität Jerusalem, der Ruhr Graduate School in Economics, der Schweizer Orthographischen Konferenz und seit 1. Januar 2008 Herausgeber des German Economic Review (GEER).[2]

Ab 2008 war Krämer ordentliches Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.[3]

Er war außerdem Mitglied der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) und war im Wissenschaftsrat dieses Vereins tätig.[4]

Krämer publiziert zusammen mit dem Psychologen Gerd Gigerenzer und dem Ökonomen Thomas K. Bauer seit 2012 auf der Website des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI Essen) die Unstatistik des Monats,[5] die auch von klassischen Medien zitiert wurde.[6][7]

Krämer veröffentlicht unter anderem auf dem Blog Achse des Guten,[8] dem rechten Onlinemagazin Tichys Einblick,[9] dem Magazin Novo und dem Autorenblog Die Freie Welt.

Krämer ist seit 1969 Mitglied der FDP. Zusätzlich war er von 1974 bis 1982 Mitglied der SPD.[10]

Im Herbst 2020 gehörte er zu den Erstunterzeichnern des Appells für freie Debattenräume.

Walter Krämer ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Kontroversen Bearbeiten

Rechtspopulismus Bearbeiten

Walter Krämer schrieb in den Sprachnachrichten des VDS 2016 von dem „aktuellen Meinungsterror unserer weitgehend linksgestrickten Lügenmedien“ und der „Unterwerfung der Medien unter eine obrigkeitsstaatliche Einheits-Sichtweise der Dinge“. Übermedien berichtete 2020 über diese Haltung Krämers unter der Überschrift „Die Pegidahaftigkeit des Vereins Deutsche Sprache“.[11] In einem Interview mit der neurechten Jungen Freiheit erklärte Krämer 2018, Umweltfragen seien in Deutschland einer „rot-grünen Weltverbesserungsideologie“ unterworfen.[12]

Die Autorin Kirsten Boie lehnte 2020 einen Preis des VDS Hamburg ab, da Äußerungen Krämers sie an Rechtspopulisten erinnern würden. Der vom Hamburger Landesverband des VDS jährlich vergebene „Elbschwanenorden“ sollte an die Kinder- und Jugendbuchautorin gehen. In ihrem Absagebrief an den Verein schreibt Boie, Walter Krämer spreche von „Genderwahn“, „Lügenmedien“ und „Überfremdung der deutschen Sprache“. „Aber mehr noch als die verkürzte und realitätsfremde Vorstellung von Sprache, die sich in vielen Äußerungen zeigt, erschreckt mich, wie genau sie sich ausgerechnet in einer Zeit, in der wir mit Sorge einen Rechtsruck in Teilen der Bevölkerung beobachten müssen, in deren Argumentationsgänge einfügt“, so Boie.[13] Walter Krämer antwortete, wir lebten in einem freien Land, Boie müsse den Preis nicht annehmen. Auf die inhaltliche Kritik ging er nicht ein.[13]

Kontroverse um Schaukasten an der TU Dortmund Bearbeiten

Im Dezember 2019 veröffentlichte der AStA der TU Dortmund eine Stellungnahme, in der Krämers Aushänge in seinem Schaukasten an der TU Dortmund (unter anderem mit Zitaten von Adolf Hitler und Hans-Olaf Henkel und einer Karikatur von Greta Thunberg) scharf kritisiert wurden.[14][12] In seiner Stellungnahme verwies der AStA darüber hinaus auf Krämers Engagement im Verein Deutsche Sprache sowie auf eine Reihe von ihr als rechtspopulistisch bezeichnete Aussagen Krämers.[15][16] TU-Rektorin Ursula Gather distanzierte sich von dem Hitlerzitat, das sie als „geschmacklos“ bezeichnete, verwies aber gleichzeitig auf die Meinungsfreiheit, von der diese Aushänge gedeckt seien.[17][18] In Reaktion auf die Kritik bezeichnete Krämer Greta Thunberg als „spätpubertäre Autistengöre“, die „verehrt“ werde „wie eine Heilige“.[12] Krämers Schaukasten wurde schließlich um wenige Meter hinter eine Glastür versetzt. Die TU begründete dies damit, der Schaukasten habe den Flucht- und Rettungsweg „unzulässig verengt“.[19]

Kritik an der Euro-Rettungspolitik Bearbeiten

2012 initiierte Krämer einen Aufruf zur Eurokrise, der von mehr als 270 Hochschullehrern unterzeichnet wurde. Die Professoren, unter ihnen der Chef des Ifo-Instituts Hans-Werner Sinn, erklärten die Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung für verfehlt. Sie forderten, statt steuerfinanzierter Bankenrettung die Gläubiger von Banken für deren Schulden haften zu lassen.[20][21] Krämer, Mitglied der FDP, bekannte 2019, dass er „früher einmal die AfD gewählt“ habe, da sie zu ihrer Gründungszeit „die einzige Alternative zur Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung“ dargestellt habe. Mittlerweile sei dieser „Haufen aber total abgedriftet“.[12]

Plagiatsvorwurf Bearbeiten

Krämer wurde 2003 von der taz vorgeworfen, in seinem 2002 beim Eichborn Verlag erschienenen Buch Lexikon der Städtebeschimpfungen plagiiert zu haben.[22] Die Zeitung hatte behauptet, er habe in seinem „Lexikon“ von einem anderen Werk abgeschrieben, ohne dies deutlich zu machen. Zwar hatte Krämer die Zitate im Text samt Autor gekennzeichnet, aber ohne das dazu gehörige Buch Öde Orte ins Literaturverzeichnis aufzunehmen. Der Eichborn Verlag entschädigte nachträglich 30 Autoren der Vorlage Öde Orte für die ohne Kennzeichnung übernommenen Passagen mit einem Honorar und einigte sich mit den geschädigten Verlagen Reclam, Hoffmann und Campe sowie Suhrkamp. Auch die taz erhielt nach eigenen Angaben ein Honorar plus Verletzerzuschlag. Der Verlag soll auch gegenüber Reclam in einem Brief versichert haben, dass keine weiteren Auflagen des beanstandeten Buches gedruckt werden würden.[23] Dennoch beantragte Krämer im Jahr 2003 gegen die taz eine einstweilige Verfügung wegen des Plagiatsvorwurfs. Das Berliner Landgericht wies den Antrag zurück. Auch lehnte der Presserat einen zusätzlichen Antrag Krämers ab, eine Rüge gegen die taz auszusprechen.[24][25] Schließlich scheiterten in dieser Sache Krämers Unterlassungsklagen und Strafanzeigen wegen übler Nachrede gegen zwei weitere Journalisten, darunter auch einen Studenten, der lediglich über die Vorwürfe berichtet hatte.[26]

Dennoch zog Krämer vor das Landgericht Berlin und verlor. Der taz-Autor habe den Begriff „astreines Plagiat“ nicht im juristischen Sinn gebraucht, es handele sich um eine journalistisch zulässige Bewertung, hieß es im Urteil. Der Spiegel schrieb, die Empörung sei nicht klug gewesen, wenn man in Betracht zöge, dass Krämers „‚Lexikon‘ – abgesehen vom Vorwort – im Wesentlichen ohnehin nur eine Zitatensammlung ist“.[27]

Kirchenaustritt wegen Gendersprache Bearbeiten

Im November 2021 erklärte Krämer wegen des „zunehmenden Gebrauchs der Gendersprache in der katholischen Kirche“ seinen Kirchenaustritt. Durch die verstärkte Nutzung der Gendersprache entferne sich die katholische Kirche von den Gläubigen. Die Verwendung des Gendersterns sei weder mit der deutschen Grammatik noch dem Kirchenrecht vereinbar. Stattdessen solle sich die Kirche auf Thematiken wie die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen konzentrieren.[28]

Publikationen Bearbeiten

Fachpublikationen Bearbeiten

  • Eine Rehabilitation der gewöhnlichen Kleinst-Quadrate-Methode als Schätzverfahren in der Ökonometrie. Haag und Herchen, Frankfurt 1980, ISBN 3-88129-316-7.
  • Wer leben will, muss zahlen. Die Kostenexplosion im Gesundheitswesen und ihre möglichen Auswirkungen. Econ, Düsseldorf/Wien 1982, ISBN 3-430-15642-4.
  • Trend in ökonometrischen Modellen. Eine Untersuchung der statistischen Konsequenzen für ausgewählte Schätzverfahren. Hain, Königstein 1985, ISBN 3-445-02386-7.
  • mit Harald Sonnberger: The linear regression model under test. Physica-Verlag, Heidelberg/Wien 1986, ISBN 3-7908-0356-1.
  • (Hrsg.): Econometrics of structural change. Physica-Verlag, Heidelberg 1989, ISBN 3-7908-0432-0.
  • Wie schreibe ich eine Seminar-, Examens- und Diplomarbeit. Eine Anleitung zum wissenschaftlichen Arbeiten für Studierende aller Fächer an Universitäten, Fachhochschulen und Berufsakademien. G. Fischer, Stuttgart/Jena 1992, ISBN 3-437-40267-6; 4. erweiterte und aktualisierte Auflage 1995, ISBN 3-437-40342-7.
  • Statistische Probleme bei der Armutsmessung. Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit. Nomos-Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1997, ISBN 3-7890-5120-9.
  • Wie schreibe ich eine Seminar- und Examensarbeit? Campus-Verlag, Frankfurt/New York 1999, ISBN 3-593-36268-6; 3. überarbeitete und aktualisierte Auflage 2009, ISBN 978-3-593-39030-7.
  • mit Olaf Schoffer und Lars Tschiersch: Datenanalyse mit SAS. Statistische Verfahren und ihre grafischen Aspekte. Springer, Berlin/Heidelberg/New York 2005, ISBN 3-540-20787-2; 2. überarbeitete und erweiterte Auflage 2008, ISBN 978-3-540-73600-4.

Populärwissenschaftliche Publikationen Bearbeiten

Auszeichnungen Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Stiftung Deutsche Sprache | Wir erhalten, fördern und pflegen die deutsche Sprache. Abgerufen am 10. März 2021.
  2. Ökonomenstimme: Autoren – Walter Krämer. Abgerufen am 24. Juli 2013.
  3. Klasse für Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften – Professor Dr. Walter Krämer (Memento vom 20. September 2017 im Internet Archive), Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste
  4. GWUP-Wissenschaftsrat, Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) e. V.
  5. Unstatistik des Monats (Memento vom 21. März 2018 im Internet Archive), Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung
  6. Bedürftige Villenbewohner. In: Der Spiegel. Nr. 43, 2012, S. 15 (online).
  7. Florian Diekmann, Alexander Demling: Zweifel an EU-Statistik: So wird Deutschland arm gerechnet. In: Spiegel Online. 23. Oktober 2012
  8. Profil und Beitragsliste von Walter Krämer bei der Achse des Guten
  9. Mitglieder kritisieren Verein Deutsche Sprache. Sind Rechtsextreme dem Verein sein Tod? In: Spiegel Online, 14. Januar 2024. Abgerufen am 14. Januar 2024.
  10. Urs Willmann: Sprache: Prof. Besserwisser. In: Die Zeit. Nr. 30, 17. Juli 2003
  11. Die Pegidahaftigkeit des Vereins Deutsche Sprache. In: Übermedien. 1. August 2016, abgerufen am 10. Dezember 2020.
  12. a b c d Marco Fieber: Hitler, AfD und Greta: Dortmunder Professor provoziert mit Aushang. In: Web.de. 14. Dezember 2019, abgerufen am 23. Dezember 2019.
  13. a b Kritik am Verein Deutscher Sprache – Warum Kirsten Boie den Elbschwanenorden nicht will. In: deutschlandfunkkultur.de. 25. November 2020, abgerufen am 10. Dezember 2020 (Rainer Moritz im Gespräch mit Andrea Gerk).
  14. Daniel Veutgen: Dortmund: Professor sorgt an Uni für Eklat – wegen eines Hitler-Zitats. DerWesten, 14. Dezember 2019, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 11. November 2020; abgerufen am 9. April 2022.
  15. AStA TU Dortmund: Stellungnahme: *Keinen Platz für rechten Populismus – AStA der TU Dortmund fordert sofortige Beendigung der menschenverachtenden Aushänge von Professor Krämer*. Abgerufen am 23. Dezember 2019.
  16. Kurt, Nathan Niedermeier, Karsten Wickern: Diskussion um Hitler-Zitate an der TU Dortmund geht in neue Runde. In: Kurt. 13. Dezember 2019, abgerufen am 2. April 2024.
  17. Carolin West: TU-Dortmund-Rektorin Ursula Gather verurteilt das Hitler-Zitat im Schaukasten. Ruhr-Nachrichten, 12. Dezember 2019, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 17. November 2029; abgerufen am 9. April 2022.
  18. Referat Hochschulkommunikation der TU Dortmund: Geschmacklos, aber nicht verboten. TU Dortmund, 20. Dezember 2019, abgerufen am 9. April 2022.
  19. Nathan Niedermeier: TU Dortmund verlegt Schaukausten mit umstrittenen Aushängen. In: Kurt. 17. Dezember 2019, abgerufen am 23. Dezember 2019.
  20. Philip Plickert: Protestaufruf der Wirtschaftsprofessoren: „Wir sehen die Bankenunion mit großer Sorge“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 5. Juli 2012, abgerufen am 24. Juli 2013.
  21. Protestaufruf: Der offene Brief der Ökonomen im Wortlaut. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 5. Juli 2012, abgerufen am 23. Mai 2018.
  22. Michael Ringel: Im Eintopf faule Fische. In: die tageszeitung. 26. Oktober 2002
  23. Butter bei die faulen Fische. In: die tageszeitung 15. Februar 2003
  24. Rügen und Verfügungen. In: die tageszeitung, 21. Februar 2003
  25. Los Prozesswochos in der Wahrheit: Faule Fische werfen Handtuch. In: die tageszeitung 21. Mai 2003
  26. Jochen Markett: Wie Walter Wissen schafft. In: Indopendent Nr. 136, 12. November 2002, S. 6, ZDB-ID 1097500-7; Jochen Markett: Krämer gegen taz. In: Indopendent Nr. 137, 26. November 2002, S. 6 (Archivierte Kopie (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive) PDF; 566 kB); Katrin Pinetzki, Ingo Schenk: „Ich vermisse die Fairness“. In: Indopendent Nr. 138, 10. Dezember 2002, S. 3 (Archivierte Kopie (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive) PDF; 851 kB)
  27. Johannes Eberhorn: Ein Sprachwächter und seine Mission. Spiegel online vom 13. August 2003
  28. Rudolf Gehrig: Wegen „Gender“-Sprache: Präsident des Vereins deutscher Sprache erklärt Kirchenaustritt. In: catholicnewsagency.com. 18. November 2021, abgerufen am 19. November 2021.
  29. TU Dortmund: DAGStat-Medaille für Prof. Walter Krämer (Memento vom 30. Juni 2013 im Webarchiv archive.today)
  30. Martin Rothenberg: Gerhart-Bruckmann-Preis geht an Professor Walter Krämer von der TU Dortmund. Technische Universität Dortmund, Pressemitteilung vom 14. April 2015 beim Informationsdienst Wissenschaft (idw-online.de), abgerufen am 14. April 2015.