Die Potenzmethode, Vektoriteration oder Von-Mises-Iteration (nach Richard von Mises)[1] ist ein numerisches Verfahren zur Berechnung des betragsgrößten Eigenwertes und des dazugehörigen Eigenvektors einer Matrix. Der Name kommt daher, dass Matrixpotenzen gebildet werden, wesentlicher Aufwand sind also Matrix-Vektor-Produkte. Deswegen ist das Verfahren insbesondere für dünnbesetzte Matrizen geeignet. Eine direkte Verallgemeinerung zur Berechnung mehrerer betragsgrößter Eigenwerte dünnbesetzter Matrizen ist die Unterraumiteration.

Die Potenzmethode lässt sich als nicht-optimales Krylow-Unterraum-Verfahren interpretieren, welches nur den jeweils letzten berechneten Vektor zur Eigenwertnäherung verwendet. Die Potenzmethode ist hinsichtlich der Konvergenzgeschwindigkeit den anderen Krylow-Raum-Verfahren, wie etwa dem Verfahren von Lanczos oder dem Verfahren von Arnoldi unterlegen. Dafür schneidet die Potenzmethode hinsichtlich der Stabilitätsanalyse besser ab.[2]

Algorithmus Bearbeiten

Motivation Bearbeiten

Aus der Stochastik abgeleitet gibt es folgenden naiven Ansatz zur Eigenwertberechnung: Betrachtet man einen stochastischen Startvektor   und eine spaltenstochastische Matrix  , dann ist die Wahrscheinlichkeitsverteilung einer Markow-Kette zum Zeitpunkt   genau  . Falls nun die   gegen einen Vektor   konvergieren, so ist   und wir haben eine vom Anfangszustand unabhängige stationäre Verteilung und damit auch einen Eigenvektor zum Eigenwert 1 gefunden. Formal ist also  , es wurden Matrixpotenzen gebildet. Dieses Verfahren lässt sich nun für beliebige Matrizen verallgemeinern.

Allgemeiner Algorithmus Bearbeiten

Gegeben sei eine quadratische Matrix   und ein Startvektor   mit  . In jedem Iterationsschritt wird die Matrix   auf die aktuelle Näherung   angewandt und dann normiert.

 

oder in geschlossener Form

 

Die Vektoren   konvergieren gegen einen Eigenvektor zum betragsgrößten Eigenwert, sofern dieser Eigenwert halbeinfach ist und alle anderen Eigenwerte einen echt kleineren Betrag haben. Es existiert also ein Index  , so dass für die Eigenwerte gilt   und  . Hierbei ist   die geometrische (und algebraische) Vielfachheit des Eigenwerts  .

Der zum Vektor   gehörende approximierte Eigenwert kann auf zwei Arten berechnet werden:

  1. Bildet man die Skalare   (den sogenannten Rayleigh-Quotienten), so konvergiert   gegen  . Dies folgt direkt aus der Konvergenz von   gegen einen Eigenvektor.
  2. Ist man nicht am Vorzeichen des Eigenwertes interessiert, so bietet sich ein einfacher Ansatz an: Da   gegen einen Eigenvektor konvergiert und in jedem Schritt auf 1 normiert wird, konvergiert   gegen   (unabhängig von der verwendeten Norm).

Ist   die Darstellung der quadratischen Matrix in der jordanschen Normalform, dann ergibt sich daraus  , also  . Ist nun   ein zufälliger Vektor, dann gilt

 

Ausklammern eines konstanten Faktors ergibt

 

Wenn  , dann gilt   für jedes  , und für große   ist   fast parallel zu  , wenn  . Das ist die Idee der Potenzmethode:[3]

 

Beweis der Konvergenz Bearbeiten

Wir geben hier einen Beweis unter der Annahme, dass die Matrix   diagonalisierbar ist. Der Beweis für den nichtdiagonalisierbaren Fall läuft analog.

O.B.d.A. seien die Eigenwerte wie oben angeordnet. Sei   die Basiswechselmatrix zur Matrix  . Dann ist   wobei   nach Voraussetzung eine Diagonalmatrix ist, welche die Eigenwerte enthält. Sei nun   eine Basis aus Eigenvektoren (die Spaltenvektoren von  ) und   ein Startvektor mit

 

Dann ist

 

Da nach der Voraussetzung gilt, dass  . Wegen

 

wird in jedem Schritt die Normierung des Vektors auf 1 durchgeführt. Die oben angegebene Bedingung an den Startvektor besagt, dass er einen Nichtnullanteil in Richtung des Eigenvektors haben muss. Dies ist aber meist nicht einschränkend, da sich diese Bedingung durch Rundungsfehler in der Praxis oftmals von alleine ergibt.

Konvergenzgeschwindigkeit Bearbeiten

 
Konvergenzgeschwindigkeit der Potenzmethode für die Matrizen A (blau) und B (grün). Es ist jeweils   gegen die Anzahl der Iterationsschritte aufgetragen.

Unter der häufigen starken Voraussetzung, dass der Eigenwert einfach, betragsmäßig einfach und gut separiert ist, konvergieren sowohl die Eigenwertnäherungen als auch die Eigenvektornäherungen linear mit der Konvergenzgeschwindigkeit  , wobei die Eigenwerte dem Betrage nach abfallend sortiert angenommen werden,  . Diese Voraussetzung ist zum Beispiel nach dem Satz von Perron-Frobenius bei Matrizen mit positiven Einträgen erfüllt. Des Weiteren haben noch Jordanblöcke einen Einfluss auf die Konvergenzgeschwindigkeit. Betrachte dazu als Beispiel die Matrizen

 

und

 

Beide haben den Eigenvektor   zum betragsgrößten Eigenwert   und die Separation der Eigenwerte ist  . Unter Verwendung der Maximumsnorm   und des Startvektors   konvergiert die Matrix   mit linearer Konvergenzgeschwindigkeit, während die Matrix   erst nach ca. 60 Iterationsschritten ein brauchbares Ergebnis liefert (vergleiche Bild).

Verwendung Bearbeiten

Da zur Berechnung des Gleichgewichtszustandes großer Markow-Ketten nur der Eigenvektor zum betragsgrößten Eigenwert bestimmt werden muss, kann hierfür die Potenzmethode verwendet werden, wie bereits im Abschnitt „Motivation“ beschrieben wurde. Insbesondere kann hier auf die Normierung in jedem Rechenschritt verzichtet werden, da die betrachtete Matrix stochastisch ist und damit die Betragsnorm des stochastischen Vektors erhält. Ein Beispiel dafür ist die Berechnung der PageRanks eines großen gerichteten Graphen als betragsgrößten Eigenvektor der Google-Matrix. Insbesondere sind bei der Google-Matrix die Eigenwerte gut separiert, sodass eine schlechte Konvergenzgeschwindigkeit ausgeschlossen werden kann.[4]

Varianten Bearbeiten

Hat man einen Eigenwert   ausgerechnet, kann man das Verfahren auf die Matrix   anwenden, um ein weiteres Eigenwert-Eigenvektor-Paar zu bestimmen. Hierbei sei   das Kronecker-Produkt des Eigenvektors zum jeweiligen Eigenwert   mit sich selbst. Dabei wird vorausgesetzt, dass   unitär diagonalisierbar ist.   erhält dabei alle Eigenwerte von   mit Ausnahme von   ( ).

Darüber hinaus gibt es die inverse Iteration, bei der das Verfahren auf   angewandt wird, indem in jedem Schritt lineare Gleichungssysteme gelöst werden.

Vergleiche mit anderen Krylowraum-Verfahren Bearbeiten

Die Potenzmethode ist den anderen Krylowraum-Verfahren sehr ähnlich. Es finden sich die typischen Bestandteile der komplexeren Verfahren wieder, so etwa die Normierung der konstruierten Basisvektoren, die Erweiterung des Krylowraumes und die Berechnung von (Elementen von) Projektionen im letzten Schritt.

Literatur Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. R. von Mises und H. Pollaczek-Geiringer, Praktische Verfahren der Gleichungsauflösung, ZAMM - Zeitschrift für Angewandte Mathematik und Mechanik 9, 152–164 (1929).
  2. J. H. Wilkinson, The Algebraic Eigenvalue Problem, Oxford University Press (1965).
  3. Cornell University: Power iteration.
  4. The Second Eigenvalue of the Google Matrix . Website der Stanford University . Abgerufen am 30. August 2013.