Ulrich Schellenberg

deutscher Rechtsanwalt und Notar

Ulrich Schellenberg (* 27. März 1960 in Stuttgart) ist ein deutscher Rechtsanwalt und Notar. Er war von 2015 bis Februar 2019 Präsident des Deutschen Anwaltvereins.

Rechtsanwalt und Notar Ulrich Schellenberg

Werdegang Bearbeiten

Schellenberg legte 1979 am Leibniz-Gymnasium in Rottweil das Abitur ab und studierte im Anschluss von 1979 bis 1983 Rechtswissenschaft an der Universität Freiburg. Nach dem 1. Staatsexamen war er zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg. 1987 übersiedelte er nach Berlin und leistete das Referendariat u. a. bei dem Kammergericht ab. Nach dem 2. juristischen Staatsexamen 1989 erhielt er die Zulassung als Rechtsanwalt. 1995 wurde er durch die Notarkammer Berlin zum Notar bestellt. 2007 wurde er Fachanwalt für Erbrecht, ein Jahr später Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht.[1] Schellenberg ist seit 2009 Mitglied des Beirats Ost der Deutschen Bank AG.

1992 wurde Schellenberg in den Vorstand des Berliner Anwaltsvereins gewählt, ab 1994 war er stellvertretender Vorsitzender und von 2003 bis 2015 Vorsitzender. Seit 1999 gehört er dem Vorstand des Deutschen Anwaltvereins (DAV) an und war von 2009 bis 2011 und 2013 bis 2015 dessen Vizepräsident. Er war Vizepräsident des Bundesverbandes der Freien Berufe. Von Juni 2015 bis Februar 2019 war er Präsident des Deutschen Anwaltvereins[2].

Bereits in seiner Zeit als Vorsitzender des Berliner Anwaltsvereins setzte er sich unter anderem dafür ein, den Menschen das Recht nahe zu bringen und ihnen Wege zum Recht zu eröffnen.

2004 initiierte Schellenberg mit dem Berliner Anwaltsverein das Projekt „Anwälte gehen in die Schulen[3]. Um das Rechtsgefühl und das Normenbewusstsein zu fördern, informieren derzeit etwa 30 Anwälte in Unterrichtsstunden Jugendliche über aktuelle Rechtsthemen.

2006 gründete er im Berliner Ortsteil Gesundbrunnen eine Jugendberatungsstelle, um sozialschwachen Jugendlichen kostenlose Beratungshilfe zu gewähren. Zum Beraterteam gehören etwa 30 Anwälte, jährlich gehen etwa 250 Beratungsersuchen ein.

2005 startete er im Berliner Anwaltverein eine kostenlose Rechtsberatungsstelle für Bezieher von Arbeitslosengeld II.

Bereits während seiner Zeit als Vorsitzender des Berliner Anwaltsvereins setzte sich Schellenberg zudem für höhere Geldentschädigungen von zu Unrecht inhaftierten Menschen ein. Die Haftentschädigung zu erhöhen, war auch in seiner Zeit als Präsident des Deutschen Anwaltvereins sein Anliegen.[4][5]

Schellenberg war von 2003 bis 2019 Mitglied der Satzungsversammlung bei der Bundesrechtsanwaltskammer. Auf seine Initiative hin wurde die Einführung des Fachanwaltes für Migrationsrecht beschlossen.[6]

Seit 2020 ist Ulrich Schellenberg Mitglied des Beirates der Stiftung Forum Recht.[7]

2021 startet er die Initiative „Nicht zweimal“, die sich zum Ziel gesetzt hat den verfassungsrechtlichen Grundsatz ne bis in idem („nicht zweimal in der derselben Sache“) zu bewahren.[8]

Positionen Bearbeiten

Schellenberg sieht die Aufgabe der Anwaltschaft unter anderem darin, professionell zu erläutern, wofür der Rechtsstaat steht. Er versteht die Anwaltschaft als „Feinmessgerät“ für Gefahren, die dem Rechtsstaat sowie den Grund- und Menschenrechten drohen.[9]

In seiner Funktion als Rechtsanwalt erhob Schellenberg im Januar 2009 unter anderem mit Gerhart R. Baum, Innenminister a. D, vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich Verfassungsbeschwerde gegen das BKA-Gesetz. Schellenberg sah das Berufsgeheimnis der Anwälte verletzt.[10]

Schellenberg kritisierte die Pläne der Bundesregierung, nach den Terroranschlägen in Bayern im Sommer 2016, den Einsatz der Bundeswehr im Innern unter bestimmten Voraussetzungen zu ermöglichen.[11]

2017 solidarisierte sich der Deutsche Anwaltverein unter der Präsidentschaft von Ulrich Schellenberg mit der türkischen Anwaltschaft. Er unterzeichnete ein Freundschaftsabkommen mit der Union der türkischen Rechtsanwaltskammer.[12][13]

Als in Baden-Württemberg ein Rechtsanwalt bedroht wird, macht sich Schellenberg für Engin Sanli stark. Sein Statement damals: „Wenn Anwälte egal wen vertreten, arbeiten sie für den gesellschaftlichen Frieden und nicht dagegen.“[14]

Im Frühling 2018 sprach der damalige CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt im Deutschen Bundestag von einer „aggressiven Anti-Abschiebe-Industrie“. Gemeint waren Klagen von Rechtsanwälten gegen die Abschiebung von Geflüchteten. Ulrich Schellenberg stellte klar, dass das Erheben von Klagen im Rahmen der geltenden Gesetze jedem zustehe.[15]

Den Entzug der Aufenthaltserlaubnis des im US-Lager Guantanamo einsitzenden Murat Kurnaz nannte Schellenberg im Jahr 2004 einen Skandal. Das Bundeskanzleramt in Anwesenheit des damaligen Außenministers, Frank-Walter Steinmeier, hätte sich viel mehr für Kurnaz einsetzen müssen.[16]

Im Zuge der Reform des BND-Gesetzes warnte Schellenberg vor einer anlasslosen Massenüberwachung. In diesem Zusammenhang wandte er sich auch gegen einen Testlauf zur Gesichtserkennung am Berliner Bahnhof Südkreuz.[17]

Unter seiner Präsidentschaft unternahm der DAV auf der Grundlage eines Gesetzesvorschlages von Martin Henssler einen Vorstoß zur grundlegenden Neuordnung des anwaltlichen Berufsrechts.[18]

Schellenberg setzte sich wiederholt kritisch mit der AfD insbesondere dem damaligen Vorsitzenden des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages Stephan Brandner auseinander. Zum 69. Deutschen Anwaltstag in Mannheim schrieb die F.A.Z. in ihrer Ausgabe am 8. Juni 2018, der Präsident des Deutschen Anwaltvereins, Ulrich Schellenberg, habe in seiner Eröffnungsrede den AfD-Rechtspolitiker Stephan Brandner scharf kritisiert und ihm vorgeworfen, den Rechtsstaat delegitimieren zu wollen.[19]

Beim Neujahrsempfang des Anwaltsvereins im Januar 2019 kritisierte er einen Gesetzentwurf der AfD zur Strafverschärfung bei Rückfalltätern.[20] Bei Twitter und Legal Tribune Online (LTO) wurde im Anschluss von einem „Eklat“ gesprochen.[21][22]

Im Februar 2019 erklärte Schellenberg überraschend seinen Rücktritt als DAV-Präsident.[23][24][25]

Ehrungen Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Tagesspiegel, abgerufen am 17. November 2019
  2. DAV verabschiedet Schellenberg, Anwaltsblatt abgerufen am 13. Februar 2020
  3. Anwälte gehen in die Schule. Abgerufen am 16. Januar 2022.
  4. Dietmar Hipp: Justizopfer in Deutschland: Unschuldig, aber doppelt gestraft. In: Spiegel Online. 14. Oktober 2017, abgerufen am 25. Februar 2024.
  5. Barbara Dribbusch: Jurist über Haftentschädigung für Unschuldige: „Es gibt keine Fehlerkultur“. In: Die Tageszeitung: taz. 12. September 2020, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 16. Januar 2022]).
  6. DAV: Satzungsversammlung beschließt neuen Fachanwalt für Migrationsrecht. 9. November 2015, abgerufen am 16. Januar 2022 (deutsch).
  7. Stiftungsbeirat. In: Stiftung Forum Recht. Abgerufen am 16. Januar 2022 (deutsch).
  8. nichtzweimal – Podiumsgespräch – Kritik/Info Reform § 362 Nr. 5 StPO. Abgerufen am 16. Januar 2022.
  9. Ulrich Schellenberg: DAV-Präsident: „Ohne Anwaltschaft kein Rechtsstaat“ - Anwaltsblatt. In: anwaltsblatt.anwaltverein.de. 25. September 2018, abgerufen am 25. Februar 2024.
  10. Astrid Jatzkowski: Gerhart Baum kämpft gegen das BKA-Gesetz. In: juve.de. 7. Juli 2015, abgerufen am 25. Februar 2024.
  11. Robert Birnbaum: Amoklauf in München: "Wir sollten mit kühlem Kopf agieren". In: tagesspiegel.de. 26. Juli 2016, abgerufen am 25. Februar 2024.
  12. mgö/LTO-Redaktion: DAV solidarisiert sich mit türkischer Anwaltschaft. In: lto.de. 19. Juni 2017, abgerufen am 25. Februar 2024.
  13. max/dpa: Türkei: Chef der Anwaltskammer nennt Präsidialsystem "Sultanat". In: Spiegel Online. 19. Januar 2017, abgerufen am 27. Januar 2024. Spiegel abgerufen am 14. Februar 2020
  14. Anna Schmatz: Hasswelle gegen Anwalt von Yussif O. - »Ich bekam Mord-Drohungen. In: bild.de. 16. Mai 2018, abgerufen am 25. Februar 2024.
  15. Lisa-Maria Röhling: „Dobrindts Äußerungen sind unsäglich“ - WESER-KURIER. 7. Mai 2018, abgerufen am 16. Januar 2022.
  16. „Entzug der Aufenthaltserlaubnis war ein Skandal“. In: Der Tagesspiegel Online. 29. Januar 2007, ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 16. Januar 2022]).
  17. Deutscher Anwaltverein: Deutscher Anwaltverein: Gesichtserkennung in Bahnhöfen greift massiv in Grundrechte ein auf YouTube, 1. August 2017, abgerufen am 25. Februar 2024 (Laufzeit: 2:21 min).
  18. Nicolas Lührig: DAV legt Gesetzentwurf zur großen BRAO-Reform vor - Anwaltsblatt. In: anwaltsblatt.anwaltverein.de. 14. März 2019, abgerufen am 25. Februar 2024.
  19. Deutscher Anwaltverein: Anwaltstag 2018: Die Rede vom DAV-Präsidenten Ulrich Schellenberg Teil 1/2 auf YouTube, 27. Juni 2018, abgerufen am 25. Februar 2024 (ab Minute 10:26; Laufzeit: 18:36 min).
  20. Lisa Tramm: Gemeinsam Rechtspolitik gestalten - Anwaltsblatt. In: anwaltsblatt.anwaltverein.de. 16. Januar 2019, abgerufen am 25. Februar 2024.
  21. Twitter abgerufen am 13. Februar 2020
  22. Hasso Suliak: Eklat auf DAV-Jahresempfang. In: lto.de. 15. Januar 2019, abgerufen am 25. Februar 2024.
  23. Anwaltverein: DAV-Präsident Schellenberg tritt zurück. In: lto.de. 25. Februar 2019, abgerufen am 25. Februar 2024.
  24. Hasso Suliak: Zurückgetretener DAV-Präsident vom Vorstand enttäuscht. In: lto.de. 1. März 2019, abgerufen am 25. Februar 2024.
  25. Thomas Fischer: Strafrecht: Rückfälle und Gewohnheitstäter - Kolumne. In: Spiegel Online. 15. März 2019, abgerufen am 27. Januar 2024.
  26. Bekanntgabe von Verleihungen des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. In: Bundesanzeiger. Jg. 64, Nr. 9, 17. Januar 2012.