Ulf Poschardt

deutscher Journalist und Autor

Ulf Oliver Poschardt[1] (* 25. März 1967 in Nürnberg) ist ein deutscher Journalist, Medienmanager, Publizist und Autor. Seit 2016 ist er Chefredakteur von WeltN24.[2]

Ulf Poschardt bei der Rede zur Freiheit 2013, Friedrich-Naumann-Stiftung, Düsseldorf

Leben und Wirken Bearbeiten

Poschardt stammt aus einem evangelisch-methodistischen Elternhaus.[3] Über seine religiöse Erziehung sagte er in einem Interview: „Protestantischer als ich erzogen zu sein, kann man sich kaum vorstellen.“[4] Poschardts Vater Dieter, ein verbeamteter Lehrer und Dozent,[5][6] predigte bei den Methodisten. Seine Mutter stammt aus Dänemark.

Er wuchs in Schwabach auf und legte sein Abitur in Hof ab.[7] Seinen Zivildienst leistete Poschardt in einer methodistischen Einrichtung in Hamburg-Wilhelmsburg ab.[8] Von 1987 bis 1991 studierte Poschardt Journalistik an der Universität München sowie der Deutschen Journalistenschule und Philosophie an der Hochschule für Philosophie München. In dieser Zeit arbeitete er nebenberuflich als DJ. Im Jahre 1995 wurde er bei Friedrich Kittler an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Dissertation über die Kulturgeschichte des DJs von 1904 bis in die 1990er Jahre promoviert. Die Arbeit erschien als Buch unter dem Titel DJ Culture und wurde von Diedrich Diederichsen in der Spex kritisiert und im Kunstforum International diskutiert.[9][10] Rainald Goetz kritisierte in seinem Buch Rave (1998) das Fehlen der „realen Praxis“ in Poschardts Analyse.[11][12] Das Buch wurde mehrfach übersetzt und erschien 2015 in einer überarbeiteten Fassung.

In weiteren Büchern befasste sich Poschardt mit der Gegenwartskultur. Seinem Buch Cool (2000) über Coolness warf Diederichsen vor, „tiefe Einsicht“ mit „barem Blödsinn“ zu vermischen.[13] 2013 erschien sein Buch über den Porsche 911, das 2017 in einer weiteren Fassung erschien und in verschiedene Sprachen übersetzt wurde.[14]

Von 1996 bis 2000 arbeitete er als Chefredakteur des Magazins der Süddeutschen Zeitung. Im Skandal um Tom Kummer stellte sich heraus, dass Poschardt dessen gefälschte Interviews und Storys ungeprüft publiziert hatte.[15][16] Bei der Aufarbeitung des Skandals durch die SZ wurde bekannt, dass Poschardt vor Kummers Arbeitsweise mehrfach gewarnt worden sei.[17] Poschardt wurde von der SZ gekündigt und wurde im Januar 2001 als Berater der Chefredaktion der Welt am Sonntag angestellt.[16] Im Juli 2001 wurde er dort „Creative Director“.[18]

Von 2005 bis 2008 war Poschardt Gründungs-Chefredakteur der im Februar 2007 erstmals erscheinenden deutschen Ausgabe von Vanity Fair.[19] Poschardt verpflichtete den Schriftsteller Rainald Goetz für einen täglich erscheinenden Blog unter dem Titel Klage, den Goetz 2009 als Buch veröffentlichte.[20] Das Magazin erreichte jedoch nur schlechte Absatzzahlen. Poschardt verließ das Magazin[21] und kehrte als stellvertretender Chefredakteur der Welt am Sonntag zur Axel Springer AG zurück.[22] 2009 wurde Poschardt neben seiner Funktion als stellvertretender Chefredakteur Herausgeber der Musikmagazine Rolling Stone (deutsche Lizenzausgabe), Musikexpress und Metal Hammer, die nach ihrem Umzug von München nach Berlin im Januar 2010 der Welt-Gruppe zugeordnet wurden.[23] 2014 wurde Poschardt stellvertretender Chefredakteur von WeltN24, später Chefredakteur.[24][2] Im Januar 2019 bekamen die Welt und die Welt am Sonntag eigene Chefredakteure.

Im Jahr 2020 wurde Poschardt zusätzlich zu seiner Aufgabe als Chefredakteur auch Geschäftsführer und Sprecher der Geschäftsführung der Welt[25]. Diese Aufgabe hatte er bis 2023.[26]

Von 2019 bis 2020 hatte er abwechselnd mit Anja Reschke eine zweiwöchentliche Kolumne über Twitter im „Streit“-Ressort der Zeit.[27]

Poschardt ist verheiratet mit der Verhaltenstherapeutin Dada Held-Poschardt[28] und hat zwei Kinder.[29][30] Er ist Anhänger des 1. FC Nürnberg.[31]

Rezeption Bearbeiten

Gemäß Julia Encke (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung) „wettert“ Poschardt seit Beginn der COVID-19-Pandemie in nahezu jedem Leitartikel in der Welt gegen Corona-Schutzmaßnahmen und vertritt damit genau die „polemische Behauptungskette von Freiheitsberaubung und Selbstzensur, die man seit der Corona-Pandemie vor allem im rechten Spektrum findet“.[32]

In der österreichischen Tageszeitung Der Standard wurde Poschardt im Februar 2021 als »neoliberales Twitter-Rumpelstilzchen« charakterisiert, der mit »ideologischen Pappkameraden« verbal auf der Trump-Klaviatur spiele.[33]

Im November 2022 verlieh ihm der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den ukrainischen Verdienstorden dritter Klasse für die Berichterstattung zum russischen Überfall auf die Ukraine.[34] Alexander Grau kritisierte dies im Cicero als Auszeichnung für „Hofberichterstattung“.[35]

Bücher Bearbeiten

Auszeichnungen Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. 56. Bundespresseball Die Gäste 2007. In: Der Tagesspiegel. 23. November 2007, abgerufen am 30. September 2019.
  2. a b Ulf Poschardt, Autorenseite bei welt.de
  3. ab Minute 2.30: Wozu braucht es den Kirchentag? Thomas de Maizière contra Ulf Poschardt im Gespräch mit Andreas Main, Deutschlandfunk 6. Juni 2023
  4. Lukas Steinwandter: Interview mit „Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt: „Nichts macht mich glücklicher, als Vater zu sein“ | Corrigenda. 18. September 2023, abgerufen am 25. September 2023.
  5. "Im Herzen und im Kern Lehrer", in der ganzen Welt engagiert. Abgerufen am 5. März 2023.
  6. "Welt"-Chef schreibt Brief an Erdogan. Abgerufen am 19. Juni 2022 (österreichisches Deutsch).
  7. Mit.Menschen: Ulf Poschardt - "Die Gesellschaft verblödet im Konsens". Abgerufen am 18. Juni 2022.
  8. Kirche hat "Welt"-Chef Poschardt als regelmäßigen Besucher verloren. Abgerufen am 8. November 2019.
  9. TOBIAS RAPP: Lass uns nicht über Spex reden. In: Die Tageszeitung: taz. 15. November 2005, ISSN 0931-9085, S. 15 (taz.de [abgerufen am 10. Januar 2021]).
  10. Cool Club Cultures – Band 135-1996. Abgerufen am 10. Januar 2021 (deutsch).
  11. Rainald Goetz: Rave. Suhrkamp, Frankfurt 1998, S. 82.
  12. Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Rainald Goetz. text + kritik (Heft 190), München 2011, ISBN 978-3-86916-108-2, S. 46.
  13. Diedrich Diederichsen: „Scheitern mit Schiller. Tiefe Einsicht und barer Blödsinn: Diedrich Diederichsen über Ulf Poschardts ehrgeizigen Versuch, in einem Groß-Essay die Phänomene der Pop-Kultur zu ergründen“, Die Woche, 3. November 2000, S. 39.
  14. Ulf Poschardt über den Porsche 911 - "Ein Meisterwerk, das sofort verstanden wird". Abgerufen am 10. Januar 2021 (deutsch).
  15. "Frei erfunden, nie geführt", focus.de vom 15. Mai 2000
  16. a b Rudolf Maresch: Kummer über Kummer. In: Telepolis, 31. Mai 2000.
  17. Chefredakteure müssen gehen. In: Spiegel.de, 29. Mai 2000.
  18. Personalie: Ulf Poschardt wird zum 1. Juli 2001 zum Creative Director der WELT am SONNTAG berufen, Pressemeldung der Axel Springer AG vom 18. Juni 2001
  19. „Laß es nicht hart, sondern edel erscheinen“. FAZ, 6. Oktober 2006, abgerufen am 9. Dezember 2020
  20. Reinhard Jellen: "Dümmste Fehler, Fehler, Fehler über Fehler". Abgerufen am 10. Januar 2021.
  21. „Medien: Ulf Poschardt verlässt den Vanity Fair“ Die Welt vom 11. Januar 2008.
  22. Chefredaktion der WELT-Gruppe neu geordnet welt.de vom 13. März 2008
  23. Axel Springer AG: Neuordnung bei Frauen- und Musiktiteln von Axel Springer, 14. Juli 2009.
  24. Axel Springer SE: Redaktionsspitze aufgestellt: Chefredakteur Jan-Eric Peters übernimmt Gesamtverantwortung für WeltN24, 18. September 2014
  25. Chefredakteur Ulf Poschardt wird auch Sprecher der WELT-Geschäftsführung - WELT. 9. Juli 2020, abgerufen am 9. Februar 2024.
  26. Kevin Dusch: Ulf Poschardt scheidet aus Welt-Geschäftsführung aus • Medieninsider. In: Medieninsider. 25. Januar 2023, abgerufen am 9. Februar 2024 (deutsch).
  27. Warum die Wochenzeitung Zeit nun Streit sucht. Abgerufen am 5. Januar 2020 (deutsch).
  28. Dada Held-Poschardt – Praxis für Psychotherapie. Abgerufen am 6. März 2023.
  29. Micky Beisenherz & Studio Bummens: Die Kapitolation (mit Ulf Poschardt). Abgerufen am 10. Januar 2021.
  30. WELT: Ulf Poschardt. In: DIE WELT. 11. Dezember 2012 (welt.de [abgerufen am 26. November 2021]).
  31. Eine Religion namens "Glubb" auf welt.de, vom 15. Juli 2001, abgerufen am 16. Juli 2020
  32. Julia Encke: Sie nennen es Freiheit, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 28. November 2021.
  33. Maik Novotny: Dürfen wir bald nicht mehr in Einfamilienhäusern wohnen? Der Standard, 12. Februar 2021
  34. : Ukraine ehrt deutsche Journalisten mit Verdienstorden. Abgerufen am 16. November 2022.
  35. Ukraine zeichnet Springer-Journalisten aus - „Lieber Ulf“: Orden für Hofberichterstattung. Abgerufen am 16. November 2022.