Toturit

Mineral, Silikat aus der Obergruppe der Granate

Das Mineral Toturit ist ein sehr seltenes Inselsilikat aus der Obergruppe der Granate mit der idealisierten chemischen Zusammensetzung Ca3Sn2Fe2SiO12. Es kristallisiert im kubischen Kristallsystem mit der Struktur von Granat und findet sich in schmalen Zonen oder kleinen Flecken in Umwandlungsprodukten von Zirkon oder Kimzeyit-Kerimasit-reichen Granaten.[3]

Toturit
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

2009-033[1]

IMA-Symbol

Tot[2]

Chemische Formel Ca3Sn2Fe2SiO12[3]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Silikate und Germanate – Inselsilikate (Nesosilikate)
System-Nummer nach
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)

VIII/A.08-180
Kristallographische Daten
Kristallsystem kubisch
Kristallklasse; Symbol hexakisoktaedrisch; 4/m32/m
Raumgruppe Ia3d (Nr. 230)Vorlage:Raumgruppe/230
Gitterparameter a = 12,55 Å[3]
Formeleinheiten Z = 8[3]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte nicht bestimmt
Dichte (g/cm3) berechnet: ~4,49[3]
Spaltbarkeit nicht bestimmt
Bruch; Tenazität nicht bestimmt
Farbe gelb oder hellbraun[3]
Strichfarbe weiß[3]
Transparenz Bitte ergänzen!
Glanz nicht bestimmt
Radioaktivität durch Uraneinbau mitunter schwach radioaktiv
Kristalloptik
Brechungsindex n = nicht bestimmt
Doppelbrechung isotrop[3]

Toturit ist bislang (2022) nur in seiner Typlokalität nachgewiesen worden, einem Kalksilikat-Xenolithen aus einem Ignimbrit von Berg Lakargi, Chegem Caldera in der nordkaukasischen Republik Kabardino-Balkarien in Russland.[4]

Etymologie und Geschichte Bearbeiten

Künstlich erzeugte zinnreiche Granate mit bis zu 26 Gew-% SnO2 treten zusammen mit Kassiterit in Schlacken aus der Zinnverhüttung auf.[5]

Natürliche zinnhaltige Granate sind sehr selten. In wenigen zinnführenden Skarnen wurden Andradite mit bis zu 5,8 Gew-% SnO2 gefunden und in den sanidinitfaziellen Kalk-Silikat-Fremdgesteinseinschlüssen des Ignimbrites der Chegem Caldera konnten die Sn-Granate Bitikleit, Dzhuluit und Irinarassit nachgewiesen werden. In diesem Xenolith entdeckte die Arbeitsgruppe um Galuskina einen Sn-Fe-Silikatgranat. Sie benannten das neue Mineral einerseits nach dem Fluss Totur im Dorf Eltyubyu nahe der Fundstelle, andererseits nach dem balkarischen Gott und Krieger der Antike Totur.[3]

Klassifikation Bearbeiten

Die aktuelle Klassifikation der International Mineralogical Association (IMA) zählt den Toturit zur Granat-Obergruppe, wo er zusammen mit Kimzeyit, Hutcheonit, Schorlomit, Kerimasit und Irinarassit die Schorlomit-Gruppe mit 10 positiven Ladungen auf der tetraedrisch koordinierten Gitterposition bildet.[6]

Da der Toturit erst 2009 als eigenständiges Mineral anerkannt wurde, ist er in der seit 1977 veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz noch nicht verzeichnet. Einzig im 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. VIII/A.08-180. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort der Abteilung „Insilikate mit [SiO4]-Gruppen“, wobei in den Gruppen VIII/A.08 bis 12 die Verbindungen mit Kationen in kubischer und oktaedrischer Koordination [8+6] eingeordnet sind. Toturit bildet hier zusammen mit Almandin, Andradit, Calderit, Eltyubyuit, Eringait, Goldmanit, Grossular, Henritermierit, Holtstamit, Hutcheonit, Hydrougrandit (auch Hydro-Ugrandit), Irinarassit, Jeffbenit, Katoit, Kerimasit, Kimzeyit, Knorringit, Majorit, Menzerit-(Y), Momoiit, Morimotoit, Pyrop, Schorlomit, Spessartin, Uwarowit und Wadalit die „Granat-Gruppe“.[7]

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[8] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik kennt den Toturit ebenfalls noch nicht. Hier würde er vermutlich ebenfalls in die Abteilung der „Inselsilikate“ eingeordnet werden. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der möglichen Anwesenheit zusätzlicher Anionen und der Koordination der beteiligten Kationen. Das Mineral wäre daher entsprechend seiner Zusammensetzung und seinem Aufbau in der Unterabteilung „Inselsilikate ohne zusätzliche Anionen; Kationen in oktaedrischer [6]er- und gewöhnlich größerer Koordination“ zu finden, wo die dort ebenfalls existierende „Granatgruppe“ mit der System-Nr. 9.AD.25 und den Mitgliedern Almandin, Andradit, Calderit, Goldmanit, Grossular, Henritermierit, Hibschit, Holtstamit, Katoit, Kimzeyit, Knorringit, Majorit, Momoiit, Morimotoit, Pyrop, Schorlomit, Spessartin, Uwarowit und Wadalit sowie den bisher nicht anerkannten Mitgliedern Blythit (H), Hydroandradit (N) und Skiagit (H) eingeordnet ist.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana führt den Toturit bisher nicht. Hier würde er wahrscheinlich ebenfalls in die Abteilung der „Inselsilikatminerale“ eingeordnet werden und wäre dort zusammen mit Kimzeyit, Schorlomit und Morimotoit in der „Granatgruppe (Schorlomit-Kimzeyit-Reihe)“ mit der System-Nr. 51.04.03c innerhalb der Unterabteilung „Inselsilikate: SiO4-Gruppen nur mit Kationen in [6] und >[6]-Koordination“ zu finden.

Chemismus Bearbeiten

Toturit ist das Sn-Analog von Schorlomit und bildet komplexe Mischkristalle vor allem mit Kerimasit, Schorlomit sowie Dzhuluit. In der Typlokalität tritt Toturit in zwei Variationen mit folgenden Zusammensetzungen auf:

  • [X](Ca3,016Mn2+0,004)[Y](Sn4+1,731Zr4+0,083Ti4+0,066U6+0,043Sc3+0,045Nb5+0,009)[Z](Fe3+1,353Al0,644Si0,558Ti4+0,438Fe2+0,007)O12,
  • [X](Ca2,989Fe2+0,011)[Y](Sn4+1,463Sb5+0,325Ti4+0,193Zr4+0,013Mg2+0,003Nb5+0,002Cr3+0,001)[Z](Fe3+1,633Al0,609Si0,552Ti4+0,166Fe2+0,039V5+0,001)O12[3]

wobei mit [X], [Y] und [Z] die Positionen in der Granatstruktur angegeben sind.

Die Zusammensetzungen der Mischkristalle können mit verschiedenen Kombinationen von Endgliedern ausgedrückt werden. So besteht eine weitgehende Mischbarkeit von Toturit mit Schorlomit und Kerimasit entsprechend den Austauschreaktionen

  • [Y]Sn4+ = [Y](Ti,Zr)4+ (Schorlomit, Kerimasit)

sowie den Al3+ Mineralen der Schorlomit-Gruppe Irinarassit, Hutcheonit und Kimzeyit entsprechend der Austauschreaktion

  • [Z]Al3+ = [Z]Fe3+.

Darüber hinaus enthält Toturit auf bis zu 16 % der oktaedrisch koordinierten Y-Position Antimon (Sb5+), entsprechend einer Mischkristallbildung mit Ferrit-Granaten der Bitikleit-Gruppe mit der Austauschreaktion

  • [Y]Sn4+ + [Z]Si4+ = [Y]Sb5+ + [Z](Fe,Al)3+ (Dzhuluit/Bitikleit).

Die Ti-Gehalte auf der Z-Position können als Beimischung eines bislang nur synthetisch bekannten Ti-Analogs von Irinarassit, [X]Ca3[Y]Sn4+2[Z](Al2Ti4+)O12[9] bzw. dessen Fe-Analog entsprechend der Austauschreaktion

  • [Z]Si4+ = [Z]Ti4+

beschrieben werden.

Kristallstruktur Bearbeiten

Toturit kristallisiert mit kubischer Symmetrie in der Raumgruppe Ia3d (Raumgruppen-Nr. 230)Vorlage:Raumgruppe/230 mit 8 Formeleinheiten pro Elementarzelle. Der natürliche Mischkristall aus der Typlokalität hat dem Gitterparameter a = 12,55 Å.

Die Struktur ist die von Granat. Calcium (Ca2+) besetzt die dodekaedrisch von 8 Sauerstoffionen umgebenen X-Positionen, Zinn (Sn4+) die oktaedrisch von 6 Sauerstoffionen umgebene Y-Position und die tetraedrisch von 4 Sauerstoffionen umgebenen Z-Position ist mit Eisen (Fe3+) und Silicium (Si4+) besetzt.[3]

Bildung und Fundorte Bearbeiten

 
Das Dorf Eltyubyu im Chegem Distrikt, Ausgangspunkt der Touren zum Berg Lakargi.

Toturit bildet sich bei niedrigem Druck und hohen Temperaturen um 800–1000 °C in kontaktmetamorphen, Sn-führenden Skarnen, aufgewachsen auf Umwandlungsprodukten von Zirkon oder als schmale Zonen in Kerimasit.

Die Typlokalität von Toturit ist ein carbonatreicher Xenolith im Ignimbrit von Berg Lakargi, Chegem Caldera in der nordkaukasischen Republik Kabardino-Balkarien in Russland. Hier tritt Toturit in der Larnit-Cuspidin-Zone des Xenolith Nummer 3 am Kontakt zum Ignimbrit auf. Begleitminerale sind Kerimasit-Kimzeyit-Mischkristalle, Lakargiit, Tazheranit, Andradit, Wadalit und Cuspidin.[3]

Siehe auch Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: January 2023. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Januar 2023, abgerufen am 26. Januar 2023 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  3. a b c d e f g h i j k Irina O. Galuskina, Evgeny V. Galuskin, Piotr Dzierżanowski, Viktor M. Gazeev, Krystian Prusik, Nikolai N. Pertsev, Antoni Winiarski, Aleksandr E. Zadov, Wrzalik Roman: Toturite Ca3Sn2Fe2SiO12—A new mineral species of the garnet group. In: American Mineralogist. Band 95, Nr. 8–9, 2010, S. 1305–1311 (rruff.info [PDF; 1,7 MB; abgerufen am 13. März 2022]).
  4. Fundortliste für Toturit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 13. März 2022.
  5. B. C. M. Butler: Tin-rich garnet, pyroxene, and spinel from a slag. In: Mineralogical Magazine. Band 42, Dezember 1978, S. 487–492 (rruff.info [PDF; 464 kB; abgerufen am 25. September 2017]).
  6. Edward S. Grew, Andrew J. Locock, Stuart J. Mills, Irina O. Galuskina, Evgeny V. Galuskin and Ulf Hålenius: IMA Report – Nomenclature of the garnet supergroup. In: American Mineralogist. Band 98, 2013, S. 785–811 (cnmnc.main.jp [PDF; 2,3 MB; abgerufen am 13. März 2022]).
  7. Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  8. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,82 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 13. März 2022 (englisch).
  9. Hisanori Yamane, Tetsuya Kawano: Preparation, crystal structure and photoluminescence of garnet-type calcium tin titanium aluminates. In: Journal of Solid State Chemistry. Band 184, Nr. 5, 2011, S. 965–970, doi:10.1016/j.jssc.2011.02.016.