Tempel des Serapis (Quirinal)

ehemaliges Heiligtum des Serapis in Rom

Der Tempel des Serapis (lateinisch aedes Serapis) ist ein im Regionenkatalog des 4. Jahrhunderts erwähntes Heiligtum des Serapis, das sich in der Regio VI. unweit des altehrwürdigen Tempels der Salus auf dem Quirinal in Rom befunden haben muss.

Casa Colonna in den Treppenruinen, dahinter der Frontispizio di Nerone, die SW-Ecke des Heiligtums auf dem Quirinal – anonymer Kopist nach Maarten van Heemskerck, vor 1540 (Düsseldorf, Museum Kunstpalast F.P.5004)
Ruinenreste eines Tempels auf dem Gelände der Päpstlichen Universität Gregoriana

Quellenlage Bearbeiten

Der Tempel wird in Notitia und Curiosum des Regionenkatalogs der Stadt Rom gelistet.[1] Eine im Fußboden der Kirche Sant’Agata dei Goti verbaute Inschrift aus der Zeit Caracallas nennt ebenfalls einen Tempel des Serapis.[2] Weitere Inschriften und Funde mit einem Bezug zu Serapis wurden im Bereich des Quirinals an unterschiedlichen Stellen gefunden.[3] Aufgrund der Gestaltung und der Buchstabenhöhe mit rund 29 Zentimetern kann ausgeschlossen werden, dass die Inschrift aus Sant’Agata dei Goti die Dedikationsinschrift eines Tempels war. Jedoch belegt sie Aktivitäten Caracallas, der eine enge Beziehung zum Serapiskult hatte,[4] im Zusammenhang mit dem Serapisheiligtum.

Archäologischer Befund Bearbeiten

Bereits Christian Hülsen verband Inschriften und Regionenkatalog mit den Überresten eines riesigen Tempels in den Gärten des Palazzo Colonna und der Päpstlichen Universität Gregoriana.[5] Es entspann sich eine Kontroverse zwischen Christian Hülsen und Rodolfo Lanciani, der an der traditionellen, auf das 16. Jahrhundert zurückgehenden Deutung als Sol Invictus-Tempels Kaiser Aurelians festhielt.[6] Die diskutierte Tempelruine wurde auf einer teils künstlich angelegten Terrasse am westlichen Hügelhang errichtet. Dem nach Osten ausgerichteten Tempel vorgelagert war ein offener Platz, der an drei Seiten von Portiken umrahmt war, ähnlich der Anlage des Caesarforums oder des Augustusforums im Herzen der Stadt. Eine breite Treppenanlage führte von Westen zum Heiligtum hinauf, dem man sich folglich von der Rückseite näherte. Die Grundfläche des Heiligtums betrug 135 × 98 m[7] und übertraf damit die Dimensionen des Tempels der Venus und der Roma nahe dem Forum Romanum. Der Tempel selbst, dessen dekorative Bauglieder aus prokonnesischem Marmor, dessen Quadermauerwerk aber aus – vermutlich verkleidetemPeperino gefertigt worden war, blieb mit einer Breite von 56 Metern und einer Länge von 84 Metern nur wenig hinter den Ausmaßen des Venus-Roma-Tempels zurück.[8] Seine Bauglieder gehören nicht nur zu den größten in Rom, sondern überhaupt in römischer Zeit angefertigten.[9] Ein erhaltenes Gebälkfragment erreicht ein Gewicht von 90 bis 100 Tonnen und wird in dieser Hinsicht einzig von den Gebälkblöcken des Iuppiter-Heliopolitanus-Tempels in Baalbek übertroffen.[10]

Ab dem Ende der Antike, möglicherweise bereits ab der Zeit Konstantins, verfiel der riesige Tempel und wurde immer wieder als Steinbruch genutzt.[11] Die stehengebliebene rechte Giebelecke der Tempelrückwand war während des Mittelalters und der frühen Neuzeit als frontispicium Neronis, „Giebel Neros“, bekannt und wurde erst 1630 völlig zerstört.[12]

Interpretation Bearbeiten

Diese etwa immer noch von Filippo Coarelli vertretene Zuweisung[13] wurde in den letzten Jahrzehnten zunehmend infrage gestellt. Riccardo Santangeli Valenzani verortete den Tempel für Serapis nahe der Kirche San Silvestro al Quirinale und schlug vor, in den gewaltigen Resten den von Septimius Severus errichteten Tempel des Liber Pater und des Hercules zu sehen.[14] Von diesem überliefert Cassius Dio, dass es sich um einen „Riesentempel“ handelte, für den der Kaiser das Geld verschleudert habe.[15] Der Deutung als Liber-Hercules-Tempel schloss sich unter anderem Achim Lichtenberger an.[16] Rabun Taylor hielt hingegen an der Deutung als Serapistempel fest, datierte den Bau jedoch in die Zeit Hadrians.[17] Richard Westall und Frederick Blenck versuchen die Deutung als Serapistempel mit der klaren Aussage Dios zu verbinden und fragen sich, ob der von Cassius Dio genannte Dionysos als Kultempfänger des Severus-Baues als interpretatio Graeca des Serapis zu verstehen ist. Den mächtigen Baukörper auf dem Quirinal selbst datieren sie in die Zeit des Septimius, möglicherweise mit einer Erweiterung unter Caracalla oder auch nur der Vollendung.[18] Demgegenüber hält Lawrence Richardson Jr. fest, dass die Lage des Tempels auf dem Quirinal, dem er wegen fehlender literarischer Nachrichten keinen Stellenwert unter den Bauten Roms zumisst, nicht bestimmt ist.[19] Er selbst deutet den Quirinalstempel als den der Salus und stellte eine antoninische Datierung zur Diskussion.[20]

Zwei 6,5 Meter hohe Skulpturen der Dioskuren mit ihren Rössern, die heute einen Teil des 1818 vervollständigten Dioskurenbrunnens bilden, werden seit Otfried Deubners Vorschlag von 1947[21] immer wieder mit dem Serapisheiligtum auf dem Quirinal in Zusammenhang gebracht,[22] doch hat Stefan Geppert aufgezeigt, dass über die Herkunft der Statuen, die in den Thermen des Konstantin gefunden wurden, keine Klarheit zu gewinnen ist.[23]

Literatur Bearbeiten

  • Filippo Coarelli: Rom. Ein archäologischer Führer. Philipp von Zabern, Mainz 2000, ISBN 3-8053-2685-8, S. 243
  • Serena Ensoli: I santuari di Iside e Serapi a Roma e la resistenza pagana in età tardoantica. In: Serena Ensoli, Eugenio La Rocca (Hrsg.): Aurea Roma: dalla città pagana alla città cristiana. L’Erma di Bretschneider, Rom 2000, S. 267–287, hier: S. 269–271.
  • Achim Lichtenberger: Severus Pius Augustus: Studien zur sakralen Repräsentation und Rezeption der Herrschaft des Septimius Severus und seiner Familie (193–211 n. Chr.). Brill, Leiden 2011, S. 38–40.
  • Michel Malaise: Inventaire Préliminaire des Documents égyptiens découverts en Italie (= Etudes préliminaires aux religions orientales dans l'Empire romain. Band 21). Brill, Leiden 1972, S. 180–182.
  • Riccardo Santangeli Valenzani: ΝΕΩΣ ΥΠΕΡΜΕΓΕΘΗΣ. Osservazioni sul tempio di Piazza Quirinale. In: Bullettino della Commissione Archeologica Comunale di Roma. Band 94, 1991–1992, S. 7–16.
  • Riccardo Santangeli Valenzani: Hercules et Dionysus, Templum. In: Eva Margareta Steinby (Hrsg.): Lexicon Topographicum Urbis Romae. Band 3. Quasar, Rom 1996, S. 25–26.
  • Rabun Taylor: Hadrian’s Serapeum in Rome. In: American Journal of Archaeology. Band 108, 2004, S. 223–266 (Online).

Weblinks Bearbeiten

Commons: Tempel des Serapis – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen Bearbeiten

  1. Descriptio XIIII regionum urbis Romae; zum Regionenkatalog: Arvast Nordh: Libellus de Regionibus Urbis Romae. Gleerup, Lund 1949.
  2. CIL 06, 00570; Christian Hülsen: Zur Topographie des Quirinals. In: Rheinisches Museum für Philologie. Band 49, 1894, S. 381–412, hier: S. 394 f.
  3. Michel Malaise: Inventaire Préliminaire des Documents égyptiens découverts en Italie (= Etudes préliminaires aux religions orientales dans l'Empire romain. Band 21). Brill, Leiden 1972, S. 119 f. Nr. 23 (CIL VI 570). 120 Nr. 26 (CIL VI 573); 135 Nr. 79 (Inscriptiones Graecae XIV 1024). 180–182.
  4. Achim Lichtenberger: Severus Pius Augustus: Studien zur sakralen Repräsentation und Rezeption der Herrschaft des Septimius Severus und seiner Familie (193–211 n. Chr.). Brill, Leiden 2011, S. 120 f.
  5. Christian Hülsen: Zur Topographie des Quirinals. In: Rheinisches Museum für Philologie. Band 49, 1894, S. 381–412, hier: S. 395 f.
  6. Rodolfo Lanciani: Il panorama di Roma delineati da Antonio van den Wyngarde circa l’anno 1560. In: Bullettino della Commissione Archeologica Comunale di Roma. Band 23, 1895 S. 81–109, hier: S. 94–101.
  7. Filippo Coarelli: Rom. Ein archäologischer Führer. Philipp von Zabern, Mainz 2000, S. 243.
  8. Achim Lichtenberger: Severus Pius Augustus: Studien zur sakralen Repräsentation und Rezeption der Herrschaft des Septimius Severus und seiner Familie (193–211 n. Chr.). Brill, Leiden 2011, S. 38.
  9. Photographien, Beschreibung und Bauaufnahme der Gebälkreste: Fritz Toebelmann: Römische Gebälke. Band 1. Winter, Heidelberg 1923, S. 73–84 (Digitalisat).
  10. Mark Wilson Jones: Principles of Roman Architecture. Yale University Press, New Haven 2000, S. 172.
  11. Rabun Taylor: Hadrian’s Serapeum in Rome. In: American Journal of Archaeology. Band 108, 2004, S. 260–263.
  12. Cammy Brothers: Reconstruction as Design: Giuliano da Sangallo and the „palazo di mecenate“ on the Quirinal Hill. In: Annali di architettura. Band 14, 2002, S. 55–72, hier: S. 56.
  13. Filippo Coarelli: Rom. Ein archäologischer Führer. Philipp von Zabern, Mainz 2000, S. 243.
  14. Riccardo Santangeli Valenzani: ΝΕΩΣ ΥΠΕΡΜΕΓΕΘΗΣ. Osservazioni sul tempio di Piazza Quirinale. In: Bullettino della Commissione Archeologica Comunale di Roma. Band 94, 1991–1992, S. 7–16.
  15. Cassius Dio 77,16,3.
  16. Achim Lichtenberger: Severus Pius Augustus: Studien zur sakralen Repräsentation und Rezeption der Herrschaft des Septimius Severus und seiner Familie (193–211 n. Chr.). Brill, Leiden 2011, S. 40; zustimmend auch Charmaine Gorrie: The Severan Building Programme and Saecular Games. In: Athenaeum. Band 90, 2002, S. 461–481, hier: S. 479.
  17. Rabun Taylor: Hadrian’s Serapeum in Rome. In: American Journal of Archaeology. Band 108, 2004, S. 223–266, hier S. 239–259.
  18. Richard Westall, Frederick Blenck: The Second an Third Century. In: Gabriele Marasco (Hrsg.): Political Autobiographies and Memoirs in Antiquity. A Brill Companion. Brill, Leiden 2011, S. 363–416, hier: S. 407.
  19. Lawrence Richardson Jr.: A New Topographical Dictionary of Ancient Rome. Johns Hopkins University Press, Baltimore 1992, S. 361 s. v. Serapis, Aedes; offen lässt die Frage auch Serena Ensoli: I santuari di Iside e Serapi a Roma e la resistenza pagana in età tardoantica. In: Serena Ensoli, Eugenio La Rocca (Hrsg.): Aurea Roma: dalla città pagana alla città cristiana. L’Erma di Bretschneider, Rom 2000, S. 270.
  20. Lawrence Richardson Jr.: A New Topographical Dictionary of Ancient Rome. Johns Hopkins University Press, Baltimore 1992, S. 341–342 s. v. Salus, Aedes.
  21. Otfried Deubner: Sarapis und die Dioskuren. In: Marburger Winckelmann-Programm 1947. Elwert-Gräfe, Marburg 1947, S. 14–16.
  22. So Michel Malaise: Inventaire Préliminaire des Documents égyptiens découverts en Italie (= Etudes préliminaires aux religions orientales dans l'Empire romain. Band 21). Brill, Leiden 1972, S. 182; Rabun Taylor: Hadrian’s Serapeum in Rome. In: American Journal of Archaeology. Band 108, 2004, S. 256.
  23. Stefan Geppert: Castor und Pollux: Untersuchung zu den Darstellungen der Dioskuren in der römischen Kaiserzeit (= Charybdis. Bd. 8). Lit, Münster 1996, S. 65 f.; Stefan Geppert: Die monumentalen Dioskurengruppen in Rom. In: Antike Plastik. Lieferung 25, 1996 S. 121–150; hier: S. 133–147.