Tel Quel (französisch ‚wie es ist‘) ist eine literaturkritische Bewegung der 1960er und 1970er Jahre um die gleichnamige Zeitschrift.

1960 von Philippe Sollers und Jean-Edern Hallier gegründet[1], gewann die Zeitschrift mit literaturkritisch-avantgardistischem Profil schnell an Bedeutung. Wesentliche Begriffe des Poststrukturalismus nahmen hier in Veröffentlichungen von Michel Foucault, Jacques Derrida, Roland Barthes, Gérard Genette, Julia Kristeva u. a. Gestalt an.

Die Autoren von Tel Quel näherten sich der Sprache und den Zeichensystemen im Allgemeinen auf eine Art, die ihre „Ausdrucks- und Sinnpluralität nicht einschränkt, sondern diesen gerecht wird, da eine Befreiung des Denkens und Lebens ohne eine Befreiung der Sprache“ (Kuhn) nicht machbar sei. Die „gesellschaftliche Umwandlung“, so formuliert es Julia Kristeva in Die Revolution der poetischen Sprache, sei von der „sprachlichen nicht zu trennen“. Bei den Fragen der literarischen Praxis betont Kristeva, dass sie sich „auf einen politischen Horizont richten“ müssen, wobei „die Poesie … auf das Fundament dessen trifft, was die Ordnung bereithält: die Logik des Sprachsystems und das Staatsprinzip“. Somit ist die „poetische Sprache in der gesellschaftlichen Ordnung und gegen sie ...: letztes Mittel, sie zu verändern oder zu unterlaufen.“

Der „Kristeva-Gruppe“ und Tel Quel geht es um die Analyse herrschender Denkformen. Die Despotie der herrschenden Sprache und ihre Rigorosität, den Sinn festzulegen, werden offengelegt. Dabei bewegt sich die Programmatik der Zeitschrift im Laufe der Zeit zwischen apolitischem Ästhetizismus und kommunistischer Parteinahme. In den sprachkritischen Texten der Tel Quel zeichnen sich Methoden und Ziele der Dekonstruktion ab.

1982 erschien die Zeitschrift zum letzten Mal. Seitdem erscheint der Nachfolger L’Infini.

Bibliografie

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  • Tel Quel: littérature, philosophie, science, politique. Paris : Ed. du Seuil, 1960–1982.
  • L’Infini: littérature, philosophie, art, science, politique / publ. avec le concours du Centre National des Lettres. Paris : Gallimard, 1983.

Literatur

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  • Eva Angerer: Die Literaturtheorie Julia Kristevas. Von Tel Quel zur Psychoanalyse. Wien 2006. (Passagen Verlag) ISBN 3-85165-692-X
  • Johannes Angermüller: Nach dem Strukturalismus. Theoriediskurs und intellektuelles Feld in Frankreich. Bielefeld 2007. ISBN 978-3-89942-810-0
  • Irmela Arnsperger: Die Texttheorie der Tel-Quel-Gruppe. Kritische Auseinandersetzung mit einer formalistischen Literaturkonzeption (Dissertation). Berlin 1974.
  • Manuel Asensi Pérez: Los años salvajes de la teoría. Philippe Sollers, Tel Quel y la Génesis del pensamiento post-estructural francés. ISBN 9788484566670
  • Philippe Forest: Histoire de Tel Quel. 1960–1982. Paris 1995.
  • Patrick Ffrench: The Time of Theory. A History of Tel Quel (1960–1983). Oxford 1995.
  • The Tel Quel Reader. Hg. v. Patrick Ffrench und Roland-Francois Lack. New York 1998.
  • Klaus W. Hempfer: Poststrukturale Texttheorie und narrative Praxis. Tel Quel und die Konstitution eines nouveau nouveau roman. München 1976.
  • Niilo Kauppi: The Making of an Avant-garde: Tel Quel. Berlin u. a. 1994 (= Approaches to semiotics, 113).
  • Danielle Marx-Scouras: The Cultural Politics of Tel Quel. Literature and the Left in the Wake of Engagement. Penn State 1996.
  • Gabriel Kuhn (2005): Tier-Werden, Schwarz-Werden, Frau-Werden. Eine Einführung in die politische Philosophie des Poststrukturalismus. Münster. ISBN 3-89771-441-8
  • Vincent Descombes: Das Selbe und das Andere. Fünfundvierzig Jahre Philosophie. 1933–1978. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1981. (S. 151f)
  • Julia Kristeva: Die Revolution der poetischen Sprache. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1978.
  • Julia Kristeva. Dokumentation, Frankreich 2005, Regie: François Caillat. Erstausstrahlung: 2. Dezember 2005. arte

Einzelnachweise und Anmerkungen

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  1. Jean-Pierre Faye war nicht Gründungsmitglied, sondern Mitglied des Redaktionskomitees von 1963 bis 1967. cf. Tel Quel Nr. 43 (Herbst 1970), S. 89 f.