Tarsus (Türkei)

Bezirk und Kreisstadt in Mersin, Türkei
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Tarsus (griechisch Ταρσός Tarsós) ist eine Stadtgemeinde (Belediye) im gleichnamigen Ilçe (Landkreis) der Provinz Mersin in der türkischen Mittelmeerregion und gleichzeitig ein Stadtbezirk der 1993 gebildeten Büyükşehir belediyesi Mersin (Großstadtgemeinde/Metropolprovinz). Seit der Gebietsreform ab 2013 ist die Gemeinde flächen- und einwohnermäßig identisch mit dem Landkreis. Die auf einem Teil der Stadtlogos vorhandene Jahreszahl (1868) dürfte auf das Jahr der Ernennung zur Stadtgemeinde (Belediye) hinweisen.

Tarsus
Wappen von Tarsus
Tarsus (Türkei) (Türkei)
Tarsus (Türkei) (Türkei)
Basisdaten
Provinz (il): Mersin
Koordinaten: 36° 55′ N, 34° 54′ OKoordinaten: 36° 55′ 0″ N, 34° 53′ 44″ O
Höhe: 25 m
Fläche: 2.029 km²
Einwohner: 346.715[1] (2020)
Bevölkerungsdichte: 171 Einwohner je km²
Telefonvorwahl: (+90) 324
Postleitzahl: 22 4XX
Kfz-Kennzeichen: 33
Struktur und Verwaltung (Stand: 2021)
Gliederung: 179
Bürgermeister: Haluk Bozdağan (CHP)
Postanschrift: Tozkoparan Zahit Mh.
Kasım Gülek Bulvarı
33470 Tarsus
Website:
Landkreis Tarsus
Einwohner: 346.715[1] (2020)
Fläche: 2.029 km²
Bevölkerungsdichte: 171 Einwohner je km²
Kaymakam: Kadir Sertel Otcu
Website (Kaymakam):

Geografie Bearbeiten

Tarsus liegt etwa 30 km nordöstlich des Zentrums der Provinzhauptstadt Mersin, am Treffpunkt der Autobahn Mersin-Adana mit der aus Norden durch die Kilikische Pforte kommenden Europastraße 90. Der Landkreis ist der östlichste der Provinz und grenzt im Westen an Akdeniz und Toroslar, im Nordwesten an Çamlıyayla. Von Nordosten bis Südosten ist die Provinz Adana der Nachbar, im Süden bildet das Mittelmeer eine natürlich Grenze.

Verwaltung Bearbeiten

Als Sandschak gehörte Tarsus seit 1877 zum Vilayet Adana und wurde 1918 von den Franzosen besetzt. Nach dem Ende des Türkischen Unabhängigkeitskrieges kam Tarsus im Oktober 1921 in das Vilayet Içel. 1935 wies die Volkszählung 77.824 Einwohner für den Kreis aus, davon für die Stadt (Şehir) 24.382.

(Bis) Ende 2012 bestand der Landkreis neben der Kreisstadt aus fünf Stadtgemeinden (Atalar, Bahşiş, Gülek, Yenice und Yeşiltepe) sowie 129 Dörfern (Köy) in drei Bucaks, die während der Verwaltungsreform 2013/2014 in Mahalle (Stadtviertel/Ortsteile) überführt wurden. Die 45 bestehenden Mahalle der Kreisstadt blieben erhalten, während die 14 Mahalle der o. g. anderen Belediye vereint und zu je einem Mahalle reduziert wurden. Durch Herabstufung dieser Belediye und der Dörfer zu Mahalle wuchsg deren Anzahl auf 179. Ihnen steht ein Muhtar als oberster Beamter vor.

Ende 2020 lebten durchschnittlich 1.937 Menschen in jedem Mahalle. Die bevölkerungsreichsten Mahalle sind (Stand 31. Dezember 2020):

  • Kırklarsırtı Mah. (17.240)
  • Altaylılar Mah. (15.386)
  • Ergenekon Mah. (15.145)
  • Gazipaşa Mah. (12.429)
  • Anıt Mah. (12.064)
  • Akşemsettin Mah. (11.923),
  • Yeni Mah. (11.881)
  • Şehitler Tepesi Mah. (11.598)
  • Barbaros Mah. (11.066)
  • Bağlar Mah. (10.689)
  • Şehitishak Mah. (10.607)
  • Öğretmenler Mah. (10.366)

Geschichte Bearbeiten

Die Hafenstadt Tarsus am Golf von İskenderun, die Handelsbeziehungen nach Phönizien und Ägypten unterhielt, lag ca. zwei bis drei Kilometer vom Mittelmeer entfernt und war über den schiffbaren Fluss Kydnos (heutiger Name Berdan Çayı) erreichbar. Der Hafen ist heute verlandet, und die Stadt liegt etwa 16 km vom Meer entfernt.

Die älteste Siedlungsschicht stammt aus dem 4. Jahrtausend v. Chr. Wenn die Gleichsetzung Tarša/Tarsus (Šuppiluliuma-Sunaššuraš-Vertrag) korrekt ist, gehörte die Stadt zeitweise zum Fürstentum Kizzuwatna. Unter den Hethitern entwickelte sie sich zu einem wichtigen Zentrum Kilikiens. Um 1200 v. Chr. wurde Tarsus von den Seevölkern zerstört, anschließend zumindest teilweise griechisch besiedelt, wie zahlreiche mykenische Funde zeigen. Erstmals eindeutig schriftlich bezeugt ist Tarsus in assyrischen Texten, die die Eroberung durch Sanherib schildern. Kurz darauf wurde Tarsus assyrische Provinzhauptstadt. Nach Dion Chrysostomos (Orationes xxxiii, 40) ist Tarsus eine phönizische Gründung mit dem Namen Taraz. Flavius Josephus (Jüdische Altertümer I.6, § 1) setzte die Stadt mit dem biblischen Tarsis (Gen. 10, 4) gleich. Eine Inschrift in Anchiale behauptete dagegen zur Zeit Alexanders, dass Tarsus durch Sardanapal begründet worden sei.

Nach der Assyrerzeit geriet die Stadt unter die Herrschaft von Babylon, Persien und schließlich Alexanders des Großen. Unter den Seleukiden erhielt die Stadt 171 v. Chr. den Namen Antiochia am Kydnos, unter römischen Einfluss (ab 66 v. Chr.) wurde sie in Juliopolis umbenannt (nach 47 v. Chr.), im Gedenken an Gaius Iulius Caesar, dem sie während des Bürgerkriegs die Treue hielt.

 
Bronzemünze aus Tarsos, 1.–2. Jahrhundert v. Chr., Tychekopf
 
Pyr des Sandan in Pyramidenform, darinnen Sandan auf Löwen

Tarsus erhielt geschichtliche Berühmtheit durch das Treffen von Kleopatra mit Marcus Antonius 41 v. Chr. Unter den Sassaniden wurde Tarsus 259 vorübergehend erobert, gelangte daraufhin in die Einflusssphäre von Palmyra und dem römischen Vasallen Odaenathus. Von Aurelian wurde es in einem Feldzug gegen Zenobia zurückerobert und geriet durch die Reichsteilung schließlich unter byzantinische Hoheit. Kaiser Julian wurde 363 in Tarsus begraben. Die Perser eroberten 614 die Stadt. Die Araber hielten Tarsus bis 965, als Nikephoros Phokas es für Byzanz eroberte. Es war Sitz des Statthalters von Kilikien. Nach der Schlacht von Manzikert war Tarsus Teil des Gebietes, das Abul Gharib beherrschte. Die Kreuzfahrer nahmen es 1097 vorübergehend ein. Tarsus wurde danach Teil des Armenischen Königreichs von Kilikien. Schließlich fiel die Stadt 1355 an die Mamluken, dann an die Osmanen. Tarsus hatte 1813 ein Viertel seiner früheren Größe.[2]

Religion Bearbeiten

In Tarsus entwickelte sich ein starker religiöser Synkretismus. Gottheiten wie Šanta, Ba’al und Zeus verschmolzen zu dem Stadtgott Sandan.[3] Neben dem Mithraskult[4] hatte auch das Judentum eine feste Stellung in Tarsus. William Ramsay vermutete, dass die Juden von Tarsus, seit der Neugründung der Stadt 171 v. Chr. unter Antiochos IV. Epiphanes, gezielt angesiedelt wurden und eine bevorzugte Stellung sowie das Bürgerrecht besaßen.[5] Dies wird jedoch in der neueren Forschung bezweifelt.[6]

Die Stadt wurde auch Sitz eines Erzbischofs. Während der Kreuzzüge bestand hier der Sitz des lateinischen Erzbistums Tarsus, das 1098 gegründet wurde.[7] Doch ging das Bistum unter, es ist heute aber ein Titularbistum der katholischen Kirche.

 
Armenische St.-Paul-Kirche von Tarsus 1900

Siehe auch:

Sehenswürdigkeiten Bearbeiten

Auf einer begrünten Verkehrsinsel in der Hauptstraße (Mersin Caddesi) steht das römische „Kleopatra-Tor“ (Kleopatra Kapısı). Es soll an die Begegnung von Kleopatra und Marcus Antonius erinnern, wurde aber etwa fünf Jahrhunderte später gebaut. Die Inschrift auf einem Gedenkstein gegenüber geht auf den Kaiser Severus Alexander zurück, der der Stadt, die bisher nur den Status einer „civitas libera“ hatte, das römische Stadtrecht verlieh. Im Osten des Stadtzentrums finden sich noch spärliche Überreste aus der klassischen Antike, darunter die Andeutung eines in den Gözlükule-Hügel hineingebauten Theaterrunds und der Donuk Taş genannte Unterbau eines großen römischen Tempels. In der archäologischen Abteilung des Museums werden Terrakotta-Sarkophage aus dem vierten Jahrhundert vor Christus, Münzen, Büsten und Torsi aus dem dritten bis ersten Jahrhundert vor Christus sowie osmanische Grabstelen ausgestellt.

 
Portal der Ulu Camii

Während der christlichen, vor allem der kleinarmenischen Zeit, entstanden mehrere Kirchen in Tarsus, die nach der Eroberung durch die Mamelucken in Moscheen umgewandelt wurden. Zu ihnen gehören die Alte Moschee (Eski Camii), eine ehemals gotische Kathedrale aus dem 12. Jahrhundert, und die dreischiffige Große Moschee (Ulu Camii), über deren Bauzeit widersprüchliche Angaben vorliegen. Sie weist vor allem am Portal mit seinen weißen und schwarzen Marmorbändern syrischen Einfluss auf. Im 19. Jahrhundert wurde sie mit einem untypischen Uhrturm versehen. Zur Moschee gehören auch eine Medrese und eine Türbe. Die ehemalige Pauluskirche ist für Christen von großer Bedeutung, jedoch untersagt die türkische Regierung die Wiedereröffnung für Gottesdienste. Am Sankt-Pauls-Brunnen (Sempol kuyusu), einem antiken Ziehbrunnen, soll das Geburtshaus des Apostels gestanden haben, was jedoch nicht belegt ist. Am nordöstlichen Ortsausgang sind noch Reste der Justinianischen Brücke (Justinianus Köprüsü) aus der Mitte des sechsten Jahrhunderts erhalten. Über sie rollte einst der Handelsverkehr zur Kilikischen Pforte.

Etwa 40 Kilometer nördlich der Stadt liegt die kleinarmenische Burg Gülek Kalesi, die im Mittelalter die Kilikische Pforte überwachte. Etwa 12 Kilometer nördlich, beim Dorf Sağlıklı ist ein längerer Abschnitt der Römerstraße Via Tauri erhalten, der von einem Tor überspannt wird.

Persönlichkeiten Bearbeiten

Städtepartnerschaften Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • H. Böhlig: Die Geisteskultur von Tarsos. 1913
  • A. Erzen: Kilikien bis zum Ende der Perserherrschaft. 1940
  • Marianne Mehling: Knaurs Kulturführer: Türkei. Droemer Knaur München/Zürich 1987, S. 479–482, ISBN 3-426-26293-2.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Tarsus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikivoyage: Tarsus – Reiseführer

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Tarsus Nüfusu, Mersin, abgerufen am 23. Mai 2021
  2. Carl Ritter: Die Erdkunde von Asien. Band 9/2, Teil 19. Berlin 1859, S. 211.
  3. Réne Lebrun: L'Anatolie et le monde phénicien du Xe au IVe siècle av. J.-C. In: E. Lipiński, Studia Phoenicia 5, Phoenicia and the East Mediterranean in the First Millennium B C. Louvain 1987, S. 23–33
  4. Attilio Mastrocinque: The Mysteries of Mithras: A Different Account. Mohr Siebeck, 2017, ISBN 978-3-16-155112-3, S. 229.
  5. William Mitchell Ramsay: The Cities of St. Paul. Their Influence on his Life and Thought. London 1907, S. 169ff.
  6. Wolfgang Stegemann: Streitbare Exegesen. Sozialgeschichtliche, kulturanthropologische und ideologiekritische Lektüren neutestamentlicher Texte. Kohlhammer Verlag, 2015, ISBN 978-3-17-029645-9, S. 33.
  7. Peter Plank: Kirchen-Kolonialismus. In: Welt und Umwelt der Bibel. 29 (Die Kreuzzüge). Katholisches Bibelwerk, 2003, ISSN 1431-2379, Das Aufeinandertreffen von Ost- und Westkirche während der Kreuzzüge, S. 30.