Tau (Volk)

austronesisch indigenes Volk in Taiwan
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Reliefkarte: Taiwan
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Lan Yu

Die Tau (andere Bezeichnungen: Tao, Dau, Dao, Dawu, chinesisch 達悟族 / 达悟族, Pinyin Dáwùzú, W.-G. Tawu-tsu) sind eines der austronesischen indigenen Völker Taiwans. Der ebenfalls verbreitete Name „Yami“ (雅美族, Yǎměizú, Yamei-tsu) wurde während der Zeit der japanischen Kolonialregierung geprägt und galt auch als offizieller Name des Stammes. Die Tau sind der einzige taiwanische Ureinwohnerstamm, der auf einer der Hauptinsel Taiwan vorgelagerten Inselgruppe (Lan Yu, dt. etwa „Orchideen-Insel“) lebt. Auf der südöstlich von Taiwan gelegenen Insel Lan Yu gibt es heute eine etwa 3000–4500 Menschen umfassende Bevölkerung.[1]

Geschichte Bearbeiten

Die Tau lebten weitgehend unabhängig und fern von fremden kulturellen Einflüssen, bis zur Etablierung der japanischen Kolonialregierung auf Taiwan und den Nachbarinseln. Sie leisteten keinen Widerstand gegen die japanische Kolonialisierung. Die Japaner führten ethnologische und anthropologische Untersuchungen auf den Inseln durch. Einer der Forscher war der japanische Anthropologe Torii Ryūzō; er war es auch, der die Bezeichnung „Yami“ prägte.

Die Tau lebten hauptsächlich von der Fischerei, dem Anbau von Süßkartoffeln und der Zucht von Hängebauchschweinen.[2]

Herkunft Bearbeiten

Woher die Tau kamen und zu welcher Zeit sie Lan Yu besiedelten, ist noch umstritten. Kulturell und sprachlich werden sie zu den Austronesiern gerechnet. Sie könnten ursprünglich von der Insel Batan im Norden der Philippinen stammen. Eine Legende über die Herkunft besagt, dass ein riesiger Tsunami die Insel heimsuchte und die meisten Insulaner getötet wurden. Die wenigen damaligen Überlebenden seien die Vorfahren der Tau.

Einer anderen Legende nach fragte ein Gott seine zwei Enkel, ob sie auf der schönen Orchideeninsel Lan Yu leben wollten. Als sie zugestimmt hatten, nahm der Gott einen Stein und ein Stück Bambus, in die er je einen seiner Enkel tat. Danach versetzte er sie vom Himmel auf die Insel. Diese zwei Enkel werden von den Tau als ihre Vorfahren angesehen. Deswegen haben sie einen besonders großen Respekt vor Steinen und Bambus.

Bis heute behielten die Yami drei Tabus, die zum Teil in der Herkunftslegende begründet sind:

  • erstens dürfen enge Verwandte nicht heiraten, weil die Möglichkeit einer Geburt verunstalteter Kinder steigt;
  • zweitens darf man Steine in den Bergen nicht anfassen;
  • drittens darf man keinen Bambus in den Bergen schlagen.

Glaube und Feste Bearbeiten

Die Tau glauben, dass alle Dinge in der Welt Seelen haben (Pantheismus) und auch Regen, Wind, Blitz oder Pflanzen und Tiere sich in Menschen verwandeln können. Deswegen haben sie großen Respekt vor der Natur.

Der Gott der Tau heißt Tauduto (Bedeutung: Mensch im Himmel). Sie glauben, dass jemand, der Böses tut, von Tauduto bestraft werden wird. Der 1. Oktober oder November jedes Jahres ist der Tag, an dem die Tau ihrer Vorfahren gedenken und sich bei ihrem Gott für die gute Ernte bedanken. Gleichzeitig beten sie auch zu ihm, um im kommenden Jahr Frieden und eine gute Ernte zu erhalten.

Überregional bekannt sind die Tau für ihre handgeschnitzten Boote (Balangay), die traditionell zum Fischfang benutzt wurden. Die Zeremonien, bei denen neue Boote von einer Gruppe Männer spektakulär in die Luft geschleudert werden, bevor sie zu Wasser gelassen werden, sind heute eine touristische Attraktion.[3]

Heutige Situation Bearbeiten

Die Tau sind in sechs Klans auf der Insel verteilt: die Imourud (chin. 紅頭 Hongtou), die Iratai (漁人 Yuren), die Yayu (椰油 Yeyou), die Iraralai (郎島 Langdao), die Irarumilk (東清 Dongqing) und die Ivarinu (野銀 Yeyin). Jeder Klan hat seine Charakteristik, die Irarumilk sind beispielsweise der größte Klan des Stammes, und der Klan Ivarinu hat die meisten traditionellen Gebäude, die aus Stein gebaut wurden. In der Gemeinschaft des Stammes sind die Häuser miteinander verbunden. Deshalb haben sie auch enge Kontakte untereinander.

Seit den 1960er Jahren wurde der Analphabetismus der Tau von der taiwanischen Regierung ausgenutzt, indem die Tau dazu bewegt wurden, Land zur Deponierung großer Mengen radioaktiver Abfälle auf Lan Yu abzutreten.[2]

Nur noch wenige Einheimische gehen der Fischerei nach.[2] Die ursprünglichen Bräuche werden heute überwiegend für Touristen inszeniert, die die Buchten als Badestrände nutzen.[2] Neben dem Analphabetismus ist der Alkoholismus zunehmend zu einem Problem geworden.[2]

Literatur Bearbeiten

  • 周宗經 – Zhōu, Zōngjīng: 雅美族的古謠與文化 – Alte Balladen und Kultur der Yami. 1. Auflage. 常民文化事業股份有限公司 – „Changmin Wenhua Shiye Ltd.“, Taipei, Taiwan 1996, ISBN 978-957-99188-9-3 (chinesisch, Der Autorname „Zhōu Zōngjīng“ ist der sinisierte Name des indigenen Schriftstellers „Syapen jipeaya“ – 夏本奇伯愛雅 Xiàběn Qíbó'àiyǎ; chinesischer Autorname mittels Pinyin-Umschrift erzeugt und muss nicht der amtlichen Namensschreibung des Autors entsprechen).[4]

Bilder Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Tau (Volk) aka Yami – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Yami. In: cip.gov.tw. Council of Indigenous People – 原住民委員會, Januar 2022, abgerufen am 15. Februar 2022 (chinesisch, englisch, Es leben laut dem „Council of Indigenous People“ etwa 4684 Tao (Yami) zum Januar 2020 auf der Insel. Bevölkerungsstand der Tao (Yami) 4795 zum Januar 2022.).
  2. a b c d e Andreas Lorenz: Spiegel Panorama – Die traurigen Tao von der Orchideeninsel. Minderheiten. In: spiegel.de. Der Spiegel, 1. Dezember 2002, abgerufen am 15. Februar 2022.
  3. Bob Holtzman: Fishing Boats of Orchid Island's Tao People. Indigenous Boats – Small Craft Outside The Western Tradition. In: indigenousboats.blogspot.tw. Indigenous Boats Blog, 6. Mai 2017, abgerufen am 15. Februar 2022 (englisch).
  4. 簡鴻模 – Jiǎn, Hóngmú: 周宗經-夏本奇伯愛雅 Syapen jipeaya. In: digitalarchives.tw. 典藏台灣 – Digital Archives Taiwan, 4. Dezember 2009, abgerufen am 15. Februar 2022 (chinesisch, Zhōu Zōngjīng aka Syapen jipeaya; Quelle: 台灣原住民族數位典藏資料庫 – „Digital Archiv der Indigenen Völker Taiwans“; Autorname mittels Pinyin-Umschrift erzeugt und muss nicht der amtliche Namensschreibung des Autors entsprechen).