Strafgesetzbuch (Deutschland)
Das Strafgesetzbuch (StGB, bei nötiger Abgrenzung auch dStGB) regelt in Deutschland die Kernmaterie des materiellen Strafrechts. Während es dazu die Voraussetzungen und Rechtsfolgen strafbaren Handelns bestimmt, ist das Verfahren zur Durchsetzung seiner Normen, das Strafverfahren, durch ein eigenes Gesetzbuch – die Strafprozessordnung – geregelt. Das Strafgesetzbuch wurde am 15. Mai 1871 erlassen (RGBl. 1871 S. 128–203; Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich) und ist seit dem 1. Januar 1872 in Kraft. Es erfuhr seitdem viele Änderungen, von denen die meisten den Besonderen Teil (§§ 80–358 StGB) betreffen.
Basisdaten | |
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Titel: | Strafgesetzbuch |
Früherer Titel: | Reichsstrafgesetzbuch Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich |
Abkürzung: | StGB |
Art: | Bundesgesetz |
Geltungsbereich: | Bundesrepublik Deutschland Beachte auch §§ 3–7, 9 StGB für Auslandstaten |
Rechtsmaterie: | Strafrecht |
Fundstellennachweis: | 450-2 |
Ursprüngliche Fassung vom: | 15. Mai 1871 (RGBl. S. 127) |
Inkrafttreten am: | 1. Januar 1872 |
Neubekanntmachung vom: | 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322) |
Letzte Änderung durch: | Art. 103 G vom 1. Januar 2018 |
Inkrafttreten der letzten Änderung: |
1. Januar 2018 (Art. 103 G vom 1. Januar 2018) |
GESTA: | C153 |
Weblink: | Text des StGB |
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten. |
Inhaltsverzeichnis
GeschichteBearbeiten
Vor 1945Bearbeiten
Das heute für die Bundesrepublik Deutschland geltende Strafgesetzbuch wurde 1871 in seiner ursprünglichen Fassung beschlossen und trat am 1. Januar 1872 als Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich in Kraft. Die damalige Fassung stimmte im Wesentlichen mit dem Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund vom 31. Mai 1870 überein, das seinerseits auf dem Preußischen Strafgesetzbuch von 1851 basiert, dessen Vorarbeiten 1826 begannen.[1] Reformversuche während der Weimarer Republik scheiterten.[1]
Während der Herrschaft des Nationalsozialismus wurde im Geiste des „Gerechtigkeitssatzes“ (Carl Schmitt) nullum crimen sine poena die Bindung des Richters an das Gesetz weitgehend gelöst und ein Analogiegebot eingeführt (d. h. auch Taten, die vom Gesetzgeber nicht zur Straftat erklärt worden waren, konnten bestraft werden).[2][3] Der offensichtlich rechtsstaatswidrige Teil der Änderungen des Strafrechts durch die Nationalsozialisten wurde mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 1 vom 20. September 1945 aufgehoben.[3] Wirksam blieb aber z. B. die an „Tätertypen“ ausgerichtete Strafdrohung der Mordparagraphen.[2]
Nach 1945Bearbeiten
Das Strafgesetzbuch unterlag nach 1945 vielen Novellierungen, mit denen der Gesetzgeber auf den rechts- und kriminalpolitischen Wandel, auf geänderte gesellschaftliche Wertvorstellungen, erkennbar gewordene Strafbarkeitslücken, aber auch auf wissenschaftliche und technische Neuerungen reagierte.
Das Strafgesetzbuch wurde auf Grundlage von Artikel 10 des Dritten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 4. August 1953 (BGBl. I S. 735, 750) unter dem Titel Strafgesetzbuch neubekanntgemacht.
Als solche Beispiele für „neuartige“ Delikte sind etwa zu nennen: Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Computerbetrug, Geldwäsche, Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen. Der Abschaffung der Todesstrafe durch den Art. 102 GG (Grundgesetz) folgend, wurde diese aus dem Mordparagraphen (§ 211) 1953 entfernt. Gleichfalls fiel der § 13 weg, welcher bestimmte, dass die Todesstrafe durch Enthaupten zu vollziehen ist. Insbesondere ist in der Geschichte des Strafgesetzbuches unter anderem das 1. Gesetz zur Reform des Strafrechts (1. StrRG) vom 25. Juni 1969 zu nennen. Im Allgemeinen Teil (AT) wurden statt Zuchthaus, Gefängnis, Einschließung und Haft eine einheitliche Freiheitsstrafe eingeführt und Ehrenstrafen abgeschafft. Des Weiteren zu nennen ist das 2. Gesetz zur Reform des Strafrechts (2. StrRG) vom 4. Juli 1969 mit Wirkung zum 1. Januar 1975, das unter anderem einen neuen Allgemeinen Teil schuf, die Mindestdauer der Freiheitsstrafe auf einen Monat anhob, die Verwarnung mit Strafvorbehalt sowie das Tagessatzsystem für die Geldstrafe einführte und das Maßregelsystem neugestaltete.[4] Mit dem 6. Strafrechtsreformgesetz, das am 1. April 1998 in Kraft trat, wurde unter anderem der Strafrahmen bei Vermögensdelikten verringert und bei Körperverletzungsdelikten erhöht.
AufbauBearbeiten
Das Strafgesetzbuch ist in zwei Hauptabschnitte unterteilt:
Allgemeiner TeilBearbeiten
Der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches enthält die Lehre vom Verbrechen und dessen Rechtsfolgen, und allgemeine Vorschriften zur Beurteilung der Straftat.
Hier ist Grundsätzliches geregelt, wie zum Beispiel
- Geltungsbereich des Gesetzes
- Gesetzliche Definitionen
- (Vorsatz und Fahrlässigkeit) und Schuldfähigkeit
- Täterschaft und Teilnahme (Täter, mittelbarer Täter, Mittäter, Anstiftung, Beihilfe)
- Rechtfertigungsgründe (Notwehr, Nothilfe)
- Sanktionenrecht (Geldstrafe, Freiheitsstrafe, sonstige Maßnahmen)
- Verjährung
Besonderer TeilBearbeiten
Dieser enthält die einzelnen Straftatbestände, geordnet nach geschützten Rechtsinteressen (sog. Rechtsgütern), zum Beispiel
- Friedensverrat, Hochverrat und Straftaten gegen den demokratischen Rechtsstaat
- Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit, gegen ausländische Staaten und gegen Verfassungsorgane
- Straftaten gegen die öffentliche Ordnung (Landfriedensbruch u. a.)
- Straftaten gegen die Rechtspflege (Meineid, falsche uneidliche Aussage u. a.)
- Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, sexueller Kindesmissbrauch, Menschenhandel u. a.)
- Straftaten gegen die persönliche Ehre (Beleidigung, üble Nachrede u. a.)
- Straftaten gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit (Mord, Totschlag, Körperverletzung u. a.)
- Straftaten gegen die persönliche Freiheit
- Vermögensdelikte (Diebstahl, Betrug u. a.)
- Straftaten gegen die Umwelt (Gewässerverunreinigung, unerlaubter Umgang mit Abfällen u. a.) (siehe auch Umweltstrafrecht)
- Straßenverkehrsdelikte und sonstige gemeingefährliche Straftaten (Brandstiftung, unterlassene Hilfeleistung u. a.)
- Straftaten im Amt (Bestechlichkeit, Rechtsbeugung u. a.).
Das Strafgesetzbuch umfasst nicht sämtliche Straftatbestände. Verschiedene Delikte sind auch in anderen Gesetzen mit entsprechenden Strafbestimmungen enthalten, z. B.
- für Steuerdelikte in der Abgabenordnung
- für Rauschgiftdelikte im Betäubungsmittelgesetz und im Arzneimittelgesetz
- für spezifische Verkehrsdelikte im Straßenverkehrsgesetz
- für Waffendelikte im Waffengesetz und Kriegswaffenkontrollgesetz
- für Wettbewerbsdelikte und Verbraucherschutz im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb sowie im Wirtschaftsstrafgesetz 1954
- für Delikte der Angehörigen der Bundeswehr in diesem Kontext im Wehrstrafgesetz
- für Kriegsverbrechen im Völkerstrafgesetzbuch.
- für Urheberrechtsdelikte im Urheberrechtsgesetz
Diese werden als das Nebenstrafrecht bezeichnet.
Siehe auchBearbeiten
LiteraturBearbeiten
KommentareBearbeiten
- Thomas Fischer: Strafgesetzbuch und Nebengesetze. 62. Auflage. C. H. Beck, München 2015, ISBN 978-3-406-66884-5.
- Wolfgang Joecks: Studienkommentar StGB : Strafgesetzbuch. 11. Auflage. C. H. Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-67338-2.
- Wolfgang Joecks, Klaus Miebach (Hrsg.): Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch. C. H. Beck, München ab 2003 ISBN 978-3-406-48831-3.
- Urs Kindhäuser: Strafgesetzbuch : Lehr- und Praxiskommentar. 6. Auflage. Nomos Baden-Baden 2015, ISBN 978-3-8487-1757-6.
- Urs Kindhäuser, Ulfrid Neumann, Hans-Ullrich Paeffgen (Hrsg.): Strafgesetzbuch. 4. Auflage. Nomos, Baden-Baden 2013, ISBN 978-3-8329-6661-4. (genannt: Nomos-Kommentar)
- Kristian Kühl: Strafgesetzbuch : StGB : Kommentar. 28. Auflage. C. H. Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-65227-1. (genannt: Lackner/Kühl)
- Heinrich Wilhelm Laufhütte, Ruth Rissing-van Saan, Klaus Tiedemann (Hrsg.): Strafgesetzbuch. Leipziger Kommentar : Großkommentar. 12. Auflage. de Gruyter Recht, Berlin ab 2006. (z. B. Band 1 ISBN 978-3-89949-231-6)
- Hans-Joachim Rudolphi, Jürgen Wolter (Hrsg.): Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch (SK-StGB). Loseblattwerke Luchterhand, ISBN 978-3-472-60110-4.
- Adolf Schönke, Horst Schröder (Begr.): Strafgesetzbuch. Kommentar. 29. Auflage. C. H. Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-65226-4.
LehrbücherBearbeiten
Allgemeiner Teil:
- Walter Gropp: Strafrecht Allgemeiner Teil. 3. Aufl. Berlin/Heidelberg 2005.
- Volker Krey, Robert Esser: Deutsches Strafrecht Allgemeiner Teil. 4. Aufl. 2011, ISBN 978-3-17-021949-6.
- Kristian Kühl: Strafrecht Allgemeiner Teil. 7. Aufl. 2012, ISBN 978-3-8006-4494-0.
- Harro Otto: Grundkurs Strafrecht – Allgemeine Strafrechtslehre. 7. Aufl. 2004, ISBN 3-89949-139-4.
- Rudolf Rengier: Strafrecht Allgemeiner Teil. 7. Aufl. Verlag C.H. Beck, München 2015, ISBN 978-3-406-68026-7.
- Claus Roxin: Strafrecht Allgemeiner Teil. Bd. I, 4. Aufl. 2006, ISBN 3-406-53071-0; Bd. II, 2003, ISBN 3-406-43868-7
- Rolf Schmidt: Strafrecht Allgemeiner Teil. 19. Aufl. Rolf Schmidt, Grasberg 2018, ISBN 978-3-86651-207-8.
- Johannes Wessels, Werner Beulke: Strafrecht, Allgemeiner Teil. 45. Aufl. 2015, ISBN 978-3-8114-4034-0.
Besonderer Teil:
- Volker Krey, Manfred Heinrich: Strafrecht Besonderer Teil. Bd. 1. 16. Aufl. 2015, ISBN 978-3-17-029884-2.
- Volker Krey, Uwe Hellmann: Strafrecht Besonderer Teil. Bd. 2. 17. Aufl. Kohlhammer, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-17-029876-7.
- Harro Otto: Grundkurs Strafrecht – Die einzelnen Delikte. 7. Aufl. De Gruyter Recht, Berlin 2005, ISBN 3-89949-228-5.
- Rudolf Rengier: Strafrecht Besonderer Teil I. 17. Aufl. Verlag C.H. Beck, 2015, ISBN 978-3-406-67474-7.
- Rudolf Rengier: Strafrecht Besonderer Teil II. 16. Aufl. Verlag C.H. Beck, 2015, ISBN 978-3-406-67475-4.
- Rolf Schmidt: Strafrecht Besonderer Teil I. 19. Aufl. Rolf Schmidt, Grasberg 2018, ISBN 978-3-86651-208-5.
- Rolf Schmidt: Strafrecht Besonderer Teil II. 19. Aufl. Rolf Schmidt, Grasberg 2018, ISBN 978-3-86651-209-2.
- Johannes Wessels, Michael Hettinger: Strafrecht Besonderer Teil/1. 38. Aufl. 2014, ISBN 978-3-8114-9357-5.
- Johannes Wessels, Thomas Hillenkamp: Strafrecht Besonderer Teil/2. 37. Aufl. 2014, ISBN 978-3-8114-9358-2.
WeblinksBearbeiten
- Text des StGB
- Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871. Historisch-synoptische Edition. 1871–2009 (PDF; 4,4 MB) – sämtliche Fassungen seit dem Inkrafttreten mit Geltungszeitraum und Synopsen
EinzelnachweiseBearbeiten
- ↑ a b Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, Einleitung Rn. 3
- ↑ a b Gerhard Wolf: Befreiung des Strafrechts vom nationalsozialistischen Denken? In: Humboldt Forum Recht 9/1996, S. 1–12.
- ↑ a b Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, Einleitung Rn. 4
- ↑ Tröndle: Strafgesetzbuch. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-60892-6, S. 2.
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