St. Martin (Dittelstedt)

Römisch-Katholische Kirche in Dittelstedt, Erfurt, Thüringen

Die römisch-katholische Filialkirche St. Martin steht im Stadtteil Dittelstedt der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt. Sie ist Filialkirche der Pfarrei St. Nikolaus Erfurt-Melchendorf im Dekanat Erfurt des Bistums Erfurt.[1] Sie trägt das Patrozinium des heiligen Martin von Tours.

Römisch-Katholische Kirche St. Martin in Dittelstedt
Innenansicht

Lage Bearbeiten

Die Kirche steht zwischen Rudolstädter Straße, Brunnengasse und Am Alten Brunnen.

Geschichte Bearbeiten

1577 wurde Dittelstedt zur Filialgemeinde von Melchendorf. Die Kirche wurde 1682 anstelle eines 1647 durch die Schweden abgetragenen Vorgängerbaus errichtet. Am 14. September 1757 weilte König Friedrich der Große in seinem Hauptquartier in Dittelstedt, das sich bei der Kirche befand. Die französischen Truppen plünderten 1806 nach der Schlacht bei Jena und Auerstedt die Kirche und verwüsteten die Orgel. Napoleon schenkte 1812 den Turm der FronleichnamskKapelle auf dem Petersberg der Gemeinde, der darauf hin abgetragen wurde und in Dittelstedt wieder errichtet wurde. Pfarrer Bernhard Germann legte am 27. April den Grundstein und am 18. Juli wurde der Turmknopf mit Kreuz auf gesetzt. 1813 wurde die Kirche erneut geplündert Turmknopf und Kreuz wurden abgenommen. Nach Kriegsende 1816 bekam die Gemeinde einige Ausstattungsstücke zurück. Erst am 28. Juli 1860 wurde unter Pfarrer Franz Dame Turmknopf und Kreuz wieder aufgesetzt.

Im Rrsten Weltkrieg wurden beide Glocken wieder entfernt. Die Glockengießerei Christian Störmer aus Erfurt goss 1925 für die Kirche zwei neue Glocken. Die Sakristei und der Eingangsbereich wurden 1935 angebaut. Die große Glocke wurde 1940 erneut abgenommen und eingeschmolzen. Ab den 1950er Jahren wurden verschiedene Erneuerungs- und Renovierungsarbeiten durchgeführt, unter anderem wurde das Dach neu eingedeckt, eine neue Heizung eingebaut und eine elektrische Läuteeinrichtung installiert. Die neue große Glocke wurde am 9. September 2000 geweiht und am 3. Oktober zum ersten Mal geläutet. Im selben Jahr wurde auch eine digitale Kirchenorgel angeschafft. 2001 bis 2007 wurde die Inneneinrichtung restauriert. Eine Glockenschaltuhr wurde 2008 eingebaut und 2010 der Kirchturm gesandt strahlt und neu eingedeckt. Am 28. Oktober 2010 wurde die Restaurierung von St. Martin mit dem wieder aufsetzten des Turmknopfes abgeschlossen.[2]

Die Böttcher-Orgel ist seit 2021 in Restauration.

Baubeschreibung Bearbeiten

Die mit einem Satteldach bedeckte, im Westen abgewalmte Saalkirche hat einen dreiseitigen Abschluss im Osten. Dort ist der oktogonale Kirchturm aus Werksteinen angefügt. Sein spitzer Helm hat eine Schieferdeckung. Das Kirchenschiff hat an den Längsseiten 4 Rundbogenfenster. Ein Epitaph des Abtes Casselmann († 1737) vom Erfurter Benediktinerkloster verschließt außen an der Südwand den früheren Eingang.

Ausstattung Bearbeiten

Der barocke Altar wie auch die Kreuzwegstationen stammen aus der Corpus-Christi-Kapelle. In der Kirche findet sich ein kleines Relief mit der Darstellung von Maria und Johannes aus der Zeit um 1600.

Orgel Bearbeiten

 
Die Böttcher-Orgel

Die historische Orgel wurde 1884 von dem Orgelbauer Friedrich Wilhelm Böttcher (* 10. November 1855; † 27. August 1938) aus Sömmerda erbaut.[3]

Geschichte Bearbeiten

 
Firmenplakette

1806 ist von einer Orgel in St. Martin die Rede, die durch Kriegsereignisse unbrauchbar wurde.[2] Orgelbauer Wilhelm Brenner legte 1848 ein Angebot für ein neues Instrument vor, eine erweiterte Hausorgel.[4] Friedrich Wilhelm Böttcher baute die heutige Orgel im Jahr 1884. Er hatte sich 1881 mit einer Werkstatt in Sömmerda selbstständig gemacht, die er bis 1901 innehatte. Anschließend ließ er sich in Weimar nieder, wo er bis 1935 als Orgelbauer wirkte.[5]

Letztmals wurde die Orgel etwa im Jahre 2000 gespielt. Zuletzt waren die Tasten und die Traktur nicht mehr funktionstüchtig und viele Pfeifen in einem desolaten Zustand. Seit der Erbauung wurde der Wind wurde vor allem im Pedal- und Oberwerk teils sehr ungünstig geleitet. Ab Weihnachten 2021 übernahm Karl Mahler die Reparatur-, Wartungs- und Einstellungsarbeiten. Bis Ostern 2022 sollen grundlegende Verbesserungen vorgenommen werden und das Instrument wieder spielbar gemacht werden.

Beschreibung Bearbeiten

Das zweite Manualwerk ist nicht erhalten, es wurde in den letzten Jahrzehnten abgebaut, weil es vermutlich in dem kleinen Orgel-Gehäuse den Platz versperrt hatte, Reparaturarbeiten an der Windlade des Hauptwerkes vorzunehmen. Dies ist exemplarisch für den gesamten Zustand der Orgel: An fast allen Stellen wurden die Bauteile derart konstruiert, dass Reparaturarbeiten ausgeschlossen sind.

Der ursprünglich 2,50 m × 1 m große (und somit überdimensionierte) Magazinbalg wurde mit Wind versorgt durch einen darunter montierten ebenso großen Keil- oder Schöpfbalg, welcher immer noch funktionstüchtig ist. Später wurden ein Orgelmotor (220 V in Dreieck-Schaltung, an 400 V in Sternschaltung angeschlossen) sowie ein Gebläse montiert.

 
Spieltisch

Hauptwerk und Oberwerk (HW und OW) stehen auf derselben Ebene, direkt hintereinander, sodass Wartungsarbeiten einen kompletten Ausbau der Windwerke voraussetzen.

Die Pedallade (16′ Gedackt und 8′ Holzprinzipal) besteht aus Registerkanzellen mit einer Art Kegellade, welche aber nicht kegelförmig, sondern in Form von „Eimern“ realisiert wurden. Dadurch wird die Windversorgung beeinträchtigt. Die feineren Windkanäle der Pedallade wurden derart gefertigt, dass die Strömung stark beeinträchtigt wurde und somit die Pedalregister nicht wirklich klingen konnten, da die Pfeifen nicht mit ausreichend Spielwind versorgt wurden. Eine aerodynamische Optimierung wurde von Karl Mahler im Januar 2022 vorgenommen, anstatt das Pedalwerk komplett neu anzufertigen, was nicht finanzierbar gewesen wäre.

Für die Pedalkoppel (Pedal an I) wurde ein separates Wellenbrett angefertigt, welches ebenfalls erst durch die Reparatur von Karl Mahler wieder funktionstüchtig gemacht wurde.

Die Disposition folgt dem spätromantischen Klangideal (Ende des 19. Jahrhunderts), wobei das Oberwerk (II. Manual) deutlich leisere sogenannte Echo-Register enthält, die mit leisen Streich- und Flötenregister im Hauptwerk korrespondieren. Zungenpfeifen waren generell nicht vorgesehen. Somit stellte der Ausbau des zweiten Manuals keinen klanglichen Verlust für dieses historische Instrument dar, zumal aufgrund des schlechten Zustandes der Pfeifen und Windversorgung ein konzertanter Zweck dieser Orgel eher ausgeschlossen ist.

Der 8′-Prinzipal stehen im Prospekt, wobei dieses Register mit Kondukten ausgehend von den Tonkanzellen der Windlade vom Hauptwerk mit Luft versorgt wird.

Die Tonanordnung ist konsequent symmetrisch konzipiert, auch im Pedalwerk, wobei die Tonabstände ganztönig sind mit Tonwiederholungen im Oktavabstand.

Das Oberwerk verfügt über sehr leise Register, welche somit rasch zum Überblasen neigen. Dies ist bedingt durch die kleine Aufschnittbreite der Pfeifenmensur. Berücksichtigt wurde die dadurch bedingte geringere Luftzufuhr im Windkanalsystem nicht. Dies bekräftigt den endgültigen Abbau des zweiten Manuals, sodass zumindest das Pedalwerk in Kombination mit dem Hauptwerk und der Pedalkoppel in Zukunft eine wohlklingende Orgel erzeugen dürfte.[6]

Disposition Bearbeiten

I Hauptwerk C–f3
Prinzipal 8′
Gambe 8′
Gedackt 8′
Octave 4′
Octave 2′
II Oberwerk C–f3
Salicional 8′
Harmonikaflöte 8′
Flöte 4′
Pedalwerk C–
Subbass 16′
Prinzipalbass 8′

Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: St. Martin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • St. Martin auf der Webpräsenz der Pfarrei Erfurt-Melchendorf

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Pfarreien Bistum Erfurt. Abgerufen am 5. Dezember 2022.
  2. a b Informationen zur Geschichte. Abgerufen am 22. November 2022.
  3. Hartmut Haupt: Orgeln in Nord- und Westthüringen. Hrsg.: Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege, Landeskonservator Rudolf Zießler. Ausbildung und Wissen GmbH, Bad Homburg und Leipzig 1998, ISBN 3-932366-00-X, S. 101.
  4. Uwe Pape (Hrsg.): Lexikon norddeutscher Orgelbauer. Band 1: Thüringen und Umgebung. Pape, Berlin 2009, ISBN 978-3-921140-86-4, S. 36.
  5. Uwe Pape (Hrsg.): Lexikon norddeutscher Orgelbauer. Band 1: Thüringen und Umgebung. Pape, Berlin 2009, ISBN 978-3-921140-86-4, S. 34.
  6. Restaurierungsbericht auf YouTube, abgerufen am 23. November 2022.

Koordinaten: 50° 57′ 52,5″ N, 11° 4′ 26,7″ O