Eine Sprachregelung ist eine Anweisung oder Übereinkunft, wie bestimmte Dinge zu bezeichnen sind, wenn die Sprache an sich verschiedene Möglichkeiten zuließe.

Nach der Definition des Digitalen Wörterbuchs der deutschen Sprache (DWDS) ist Sprachregelung eine „auf Manipulation abzielende Regelung, die eine bestimmte sprachliche Darstellung eines Sachverhalts fordert, wobei wesentliche Aspekte dieses Sachverhalts entstellt oder außer Acht gelassen werden“.[1]

Bedeutung Bearbeiten

Sprachregelungen können festlegen, wie und wann und in welchem Zusammenhang einzelne Wörter und Erklärungen anzuwenden sind, welche Wörter und Erklärungen zu vermeiden sind und welche Ausdrücke stattdessen zu verwenden sind. Sprachregelungen entstammen dem üblichen Vorgehen in Politik und Behörden. Inzwischen sind sie auch in den meisten größeren Organisationen üblich. Sie stellen sicher, dass Äußerungen verschiedener Teile der Organisation nicht widersprüchlich klingen, obwohl sie das Gleiche aussagen bzw. das Gleiche gemeint ist. Außerdem sorgen sie (wenn sie eingehalten werden) dafür, dass nur das gesagt wird, was die Leitung der betreffenden Organisation vermitteln möchte. Eine Sprachregelung beinhaltet oft einen Euphemismus.

Sprachregelungen dienen im politischen Bereich vor allem dazu, eine bestimmte Sichtweise von Dingen oder Zuständen im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu verankern. Ein Begriff wird wie ein Markenname genutzt; mit ihm besetzt man ein politisches Thema. Oft werden zwei bis drei Begriffe der Allgemeinsprache fest zusammengefügt, zum Beispiel:

Zunehmend verbreitet ist im politischen Bereich auch die Verwendung als euphemistisches Synonym für den deklaratorischen Formelkompromiss (ein Formelkompromiss ist ein fauler Kompromiss, weil nicht durch Konsens errichtet).

Ein bekanntes Beispiel einer informellen Sprachregelung ist die Verwendung der Präfixe „Atom-“ und „Kern-“:

Fast jeder Interessierte kannte diese Konvention; durch die Wortwahl war sofort klar, auf welcher Seite jemand stand.

Ähnlich sprachen einige Anhänger der politischen Linken und viele Linksextremisten in den 1970ern von „BRD“ statt von „Deutschland“, u.z. dies, um ihre politische Gesinnung zu signalisieren und um einen eingrenzenden Begriff anstatt eines gebräuchlichen, aber in ihren Augen anmaßenden zu verwenden. Für alle anderen politisch Interessierten war es geradezu tabu, das Wort „BRD“ zu verwenden. In der Phase der Berufsverbote reichte es der Gesinnung überprüfenden Bürokratie schon aus, wenn der Befragte von BRD oder von West-Berlin statt von Berlin oder Berlin-West sprach.

Beispiele Bearbeiten

  • In der DDR musste Ost-Berlin in offiziellen Verlautbarungen grundsätzlich als „Berlin, Hauptstadt der DDR“ bezeichnet werden. Während Ertragsüberschüsse in den eigenen staatlichen Betrieben als „Gewinn“ bezeichnet wurden, wurden die Gewinne westdeutscher Unternehmen als „Profit“ bezeichnet und mit der Konnotation „geldgierig“, „kapitalistisch“ versehen.[2][3]
  • In der Bundesrepublik Deutschland durfte lange Zeit in offiziellen Verlautbarungen von der DDR nicht als von einem Staat gesprochen werden. Stattdessen wurden weiterhin „Sowjetische Besatzungszone“ oder ähnliche Begriffe verwendet.
  • Viele Behörden und andere Organisationen in Industriestaaten legen für offizielle Verlautbarungen geschlechtsneutrale Schreibung fest.
Die im März 2020 erschienene Ausgabe der DIN 5008 Schreib- und Gestaltungsregeln für die Text- und Informationsverarbeitung listet unter den Beispielen zur Briefanrede auch eins mit Gendersternchen auf, zusammen mit dem Hinweis: „Zunehmend ist zum Gendern auch die Verwendung von speziellen Zeichen, wie ‚*‘ oder ‚_‘ gängig. Es empfiehlt sich, die Entwicklung der deutschen Rechtschreibung zu beobachten.“ DIN 5008 regelt aber keine Rechtschreibungsfragen, die Verwendung des Sternchens oder eines anderen entsprechenden Zeichens widerspricht nicht den Regeln dieser Norm.

Literatur Bearbeiten

  • Siegfried Bork: Mißbrauch der Sprache. Tendenzen nationalsozialistischer Sprachregelung. Bern: Franke 1970.
  • Dirk Deissler: Die entnazifizierte Sprache Sprachpolitik und Sprachregelung in der Besatzungszeit. Frankfurt: Lang 2006. ISBN 3-63154764-1.
  • Geschlechtssensible Sprache. Ein Leitfaden. Hrsg. Koordinationsbüro für Frauenförderung und Gleichstellung der TU Berlin. Berlin: Technische Universität. 2. Aufl.2020.
  • Gerd Hecht: Sprachregelung in der Sowjetischen Besatzungszone. Technik, Voraussetzungen und Lenkung der Tagespresse und des Rundfunks in der SBZ. Dissertation FU Berlin 1961.
  • Klaus Dieter Ludwig: Das „Wörterbuch der politisch-operativen Arbeit“ - ein manipulierendes Wörterbuch - und das „Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache“ - ein teilweise manipuliertes Wörterbuch in: Steffen Pappert, Melani Schröter, Ulla Fix (Hrsg.): Verschlüsseln, Verbergen, Verdecken in öffentlicher und institutioneller Kommunikation. Berlin: E. Schmidt 2008. (Philologische Studien, 211).
  • Caroline Mayer: Öffentlicher Sprachgebrauch und Political Correctness. Eine Analyse sprachreflexiver Argumente im politischen Wortstreit. Hamburg: Kovac 2002. (Philologia. 52.) ISBN 3-83000610-1.
  • Knut Thielsen: Die Sprachpolitik der Französischen Revolution und die Katholische Kirche. Untersuchungen zum Verhältnis von staatlicher Sprachregelung und kirchlichem Sprachgebrauch am Ende des französischen 18. Jahrhunderts. Dissertation Tübingen 1987.

Siehe auch Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Wiktionary: Sprachregelung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Sprachregelung DWDS, abgerufen am 1. Januar 2021
  2. Colin Good, Sprache im totalitären Staat - Der Fall DDR, in Sprache im Konflikt: Zur Rolle der Sprache in sozialen, politischen und militärischen Auseinandersetzungen, Band 5 von Sprache, Politik, Öffentlichkeit, herausgegeben von Ruth Reiher, Verlag Walter de Gruyter, 1995, ISBN 3110139588, S. 269.
  3. Vgl. auch Lexikologie: Ein internationales Handbuch zur Natur und Struktur von Wörtern und Wortschätzen, Band 21, Verlag Walter de Gruyter, 2005, ISBN 3110171473, Stichwort: Differenzierungstendenzen zwischen der ehemaligen DDR und BRD, S. 1206