Spectrum (Rakete)

deutsche Trägerrakete
Spectrum
Typ leichte Trägerrakete
Land Deutschland Deutschland
Hersteller Isar Aerospace
Status in Entwicklung
Aufbau
Höhe 28 m
Durchmesser 2 m
Stufen
1. Stufe  
Triebwerk Aquila
Treibstoff Propan/Flüssigsauerstoff
2. Stufe  
Triebwerk 1× Aquila
Treibstoff Propan/Flüssigsauerstoff
Starts
Startplatz Andøya Space Center
Raumfahrtzentrum Guayana
Nutzlastkapazität
Kapazität LEO 1000 kg
Kapazität SSO 700 kg

Die Spectrum ist eine in Entwicklung befindliche Trägerrakete des bayerischen Raumfahrtunternehmens Isar Aerospace. Sie soll aus zwei Stufen mit Flüssigkeitstriebwerken bestehen und für den Start von Kleinsatelliten verwendet werden. Ein erster Start war für 2021,[1] 2022[2] und 2023[3] angekündigt.

Aufbau und Daten Bearbeiten

Geplant ist eine zweistufige Rakete, die bis zu 1000 kg Nutzlast in niedrige Erdumlaufbahnen und 700 kg in sonnensynchrone Umlaufbahnen bringen kann. Sie soll 28 Meter lang sein und einen Durchmesser von 2 Metern haben.[4] Es werden oder wurden zwei verschieden große Nutzlastverkleidungen angeboten.[5]

Die erste Raketenstufe soll von neun Flüssigkeitstriebwerken namens „Aquila“ mit insgesamt 675 kN Schub angetrieben werden. Sie soll engine out capability haben, das heißt bei Ausfall eines Motors wäre das Missionsziel nicht gefährdet. Für die zweite Stufe ist eine Vakuumversion des Triebwerks mit 94 kN Schub und Mehrfachzündfähigkeit geplant. Letzteres ermöglicht komplexe Bahnmanöver, um zum Beispiel mehrere Satelliten in verschiedene Umlaufbahnen zu bringen. Die Triebwerke werden mit Propan und Flüssigsauerstoff betrieben.[4] Laut älterer Herstellerangaben arbeiten sie mit dem Gasgeneratorverfahren.[6]

Hersteller Bearbeiten

 
Logo von Isar Aerospace

Isar Aerospace wurde im März 2018 von den Raumfahrtingenieuren Daniel Metzler, Markus Brandl und Josef Peter Fleischmann gegründet.[7] Das Unternehmen hat seinen Sitz in Ottobrunn bei München. Die Gründungsmitglieder waren zuvor in der Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft für Raketentechnik und Raumfahrt (WARR) aktiv, einer Studentengruppe an der Technischen Universität München, die bereits eigene Antriebe und eine Suborbitalrakete entwickelt hatte. Isar Aerospace wird vom Start-Up-Förderprogramm der ESA unterstützt.[8][9][10]

An einer ersten Finanzierungsrunde im Sommer 2018 beteiligten sich der Heizungshersteller Viessmann und der Wagniskapitalgeber UVC Partners, ein Unternehmen von zwei ehemaligen Mitarbeitern des Raumfahrtkonzerns SpaceX.[7] Ende 2019 erhielt Isar Aerospace 17 Millionen US-Dollar, unter anderem von Airbus. Ende 2020 konnten weitere 75 Millionen Euro eingeworben werden[11] und im Juli 2021 nochmals 65 Millionen Euro.[12] Im April 2019 hatte das Unternehmen etwa 20 Mitarbeiter,[10] im Oktober 2021 waren es 180[13] und Ende Dezember desselben Jahres 220.[14] Im März 2023 gab das Unternehmen bekannt, dass weitere 165 Millionen US-Dollar an Wagniskapital eingeworben werden konnten.[15] Isar Aerospace ist damit das bestfinanzierte europäische Raumfahrt-Startup-Unternehmen.

Das US-amerikanische Raumfahrtnachrichtenmagazin SpaceNews zeichnete Isar Aerospace im Dezember 2023 als „Startup of the Year“ aus. Beeindruckend sei vor allem die Fähigkeit des Unternehmens, große Mengen an Kapital einzuwerben.[16]

Entwicklung Bearbeiten

Nach Angaben des Herstellers fanden von März 2022 bis März 2023 auf dem Gelände des schwedischen Raketenstartplatzes Esrange insgesamt 124 Testläufe des Aquila-Triebwerks statt.[17] Im November 2023 waren die Bauteile der ersten Spectrum-Rakete in Produktion.[18]

Startplätze Bearbeiten

Als Standorte für den Startplatz waren zunächst Norwegen und Schweden im Gespräch.[1] Konkrete Vereinbarungen für mögliche Starts traf Isar Aerospace mit den Betreibern des europäischen Raumfahrtzentrums Guayana[19] und eines geplanten Weltraumbahnhofs am norwegischen Raketenstartplatz Andøya Space Center.[20] Der Weltraumbahnhof Andøya wurde im November 2023 im Beisein des Kronprinzen Haakon von Norwegen „offiziell eröffnet“, obwohl noch kein Orbitalstartplatz fertiggestellt war.[18]

Startaufträge Bearbeiten

Die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) kündigte Anfang 2019 die Entwicklung eines Forschungssatelliten an, der 2026 mit der Spectrum starten solle.[21] Zunächst sind jedoch zwei Demonstrationsflüge geplant. Die dafür nötige Qualifikation der Rakete und die beiden Starts selbst werden von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) mit elf Millionen Euro gefördert. Diese Subvention erfolgt im Rahmen des ESA-Programms Commercial Space Transportation Services and Support (C-STS, „Kommerzielle Weltraumtransportdienste und - unterstützung“). Isar Aerospace erhielt sie im Jahr 2021 als Gewinner des „deutschen Wettbewerbs für Mikrolauncher“ (Kleinst-Trägerraketen) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die beiden Demonstrationsflüge wurden damals für 2022–2023 angekündigt.[22]

Einen ersten kommerziellen Startauftrag für die Spectrum erhielt Isar Aerospace im April 2021 von Airbus Defence and Space. Er betrifft den Start eines Erdbeobachtungssatelliten. Ein Termin für diese Mission wurde nicht genannt.[23]

Im Oktober 2021 gab Isar Aerospace eine Startvereinbarung mit OroraTech bekannt, einem Münchner Start-up-Unternehmen, das den Aufbau eines satellitengestützten Waldbrand-Überwachungssystems vorbereitete. Geplant sei der Start von mindestens zehn Satelliten in sonnensynchrone Umlaufbahnen im Zeitraum von 2022 bis 2026.[24] Die ersten beiden OroraTech-Satelliten starteten dann im Januar 2022 und im Juni 2023 mit den Rideshare-Flügen Transporter-3 und -8 des amerikanischen Startdienstleisters SpaceX.

Im Oktober 2021 wurde auch ein Auftrag des bulgarischen Raumfahrtunternehmens EnduroSat vermeldet. Dieser umfasse den Start mehrerer Satelliten im Zeitraum von 2022 bis 2025. Die Satelliten sollen mit Rideshare-Missionen vom Weltraumbahnhof Andøya aus ins All gebracht werden.[25] Es folgten weitere Pressemitteilungen von Isar Aerospace über Startvereinbarungen mit Rideshare-Dienstleistern und Betreibern von Raumschleppern.[26][27][28]

Liste der angekündigten Starts Bearbeiten

Als Datum ist in der folgenden Tabelle jeweils die Ankündigung von Isar Aerospace angegeben. Diese Termine wurden nicht eingehalten bzw. sind teils nicht mehr einhaltbar. Eine externe Studie von Anfang 2023 hält einen ersten Flug frühestens 2025 für möglich.[29]

Datum Startplatz Nutzlasten Orbit Anmerkungen
Starts
2022 Andøya[30] MSAE-Otters
CyBEEsat
3× Tom
FRAMSat-1
TRISAT-S
SSO[30] 1. Demonstrationsflug
gefördert von der ESA
2023–2024 Andøya 19 Technologieerprobungs­satelliten[31] LEO[31] 2. Demonstrationsflug
gefördert von der ESA
2026 Andøya Spaceflight-Rideshare[28] SSO
2026 LMU-Forschungssatellit Stand 2019
? Airbus-Erdbeobachtungssatellit[23] SSO[23]
Rideshare-Nutzlasten
2022 bis 2025 Andøya[25] Kleinsatelliten von EnduroSat
2022 bis 2026[24][32] mindestens 10 OroraTech-Satelliten
(Waldbrandüberwachung)
SSO[24]
2023 Andøya[26] ION-Raumschlepper von D-Orbit SSO[26]
1. Quartal 2024 Andøya Astrocast-IoT-Kommunikationssatellit[33] SSO[33]
2024–2029 Andøya,
CSG
mehrere Exotrail-Raumschlepper[27] LEO,
GTO

Weblinks Bearbeiten

Commons: Isar Aerospace – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Münchner Start-up will Rakete ins All schicken. In: BR24. 23. Januar 2019, abgerufen am 26. Juni 2019.
  2. Eric Berger: A German rocket startup seeks to disrupt the European launch industry. In: Ars Technica. 21. September 2020, abgerufen am 26. November 2020.
  3. Andrew Parsonson: Isar Secures €155M in Series C Funding. In: European Spaceflight. 28. März 2023, abgerufen am 31. März 2023 (englisch).
  4. a b Spectrum. Isar Aerospace, abgerufen am 7. Dezember 2023.
  5. Spectrum. Isar Aerospace, archiviert vom Original am 7. September 2020; abgerufen am 11. Januar 2021.
  6. Aquila. Isar Aerospace, archiviert vom Original am 26. Juni 2019; abgerufen am 26. Juni 2019.
  7. a b Ehemalige SpaceX-Manager finanzieren Münchner Raketen-Startup. In: NGIN Mobility. 27. September 2018, abgerufen am 26. Juni 2019.
  8. Michael Förtsch: Raketen aus Bayern sollen die Raumfahrt revolutionieren. In: wired.de / GQ. 20. Juli 2018, abgerufen am 26. Juni 2019.
  9. Dieter Sürig: Gipfelstürmer: Höllenfeuer für Satelliten. In: Süddeutsche Zeitung. 23. Mai 2018, abgerufen am 26. Juni 2019.
  10. a b Isar Aerospace in Oberbayern: Die erste bayerische Rakete im All. Antenne Bayern, 4. April 2019, abgerufen am 26. Juni 2019.
  11. Ingrid Lunden: Germany's Isar Aerospace raises $91M to get its satellite launch vehicle off the ground. In: TechCrunch. 8. Dezember 2020, abgerufen am 5. Oktober 2022 (englisch).
  12. Sarah Heuberger: Isar Aerospace erweitert Runde auf 140 Millionen Euro – Porsche steigt ein. 28. Juli 2021, abgerufen am 31. Oktober 2021 (deutsch).
  13. Engineering the future of space flight. Abgerufen am 31. Oktober 2021 (englisch).
  14. U30 Summit 2021: Josef Fleischmann, Mitgründer und COO, Isar Aerospace "The 21st Century Space Race". In: YouTube. Forbes DACH, 21. Dezember 2021, abgerufen am 14. Februar 2022.
  15. Isar Aerospace: Space company Isar Aerospace secures Series C Funding Round of USD 165m to meet global demand for access to space, Pressemitteilung vom 28. März 2023.
  16. The 2023 SpaceNews Icon Awards: Winners . Spacenews, 5. Dezember 2023.
  17. Isar Aerospace unveils progress on Aquila engine development. Abgerufen am 31. März 2023 (englisch).
  18. a b Andøya Spaceport officially opened. Pressemeldung von Andøya Space, 2. November 2023.
  19. Isar Aerospace prepares the launch of its rockets from space centre CSG. Abgerufen am 5. Oktober 2022.
  20. Peter de Selding: Norway’s Andoya spaceport signs multi-year exclusive-access deal with German rocket startup Isar Aerospace. Space Intel Report, 14. April 2021.
  21. Patrick Bernau: In sieben Jahren: Bayern will eine Rakete ins All schicken. In: FAZ.NET. 19. Januar 2019, abgerufen am 26. Juni 2019.
  22. Isar Aerospace Technologies GmbH gewinnt die Hauptrunde des deutschen Wettbewerbs für Mikrolauncher. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 30. April 2021, abgerufen am 2. Mai 2021.
  23. a b c Andrew Parsonson: German startup Isar Aerospace signs first launch contract. 26. April 2021, abgerufen am 5. Oktober 2022 (englisch).
  24. a b c Isar Aerospace and OroraTech announce partnership to launch satellites for tackling global wildfire crises. Abgerufen am 31. Oktober 2021 (englisch).
  25. a b European space companies Isar Aerospace and EnduroSat sign firm launch agreement. Abgerufen am 31. Oktober 2021 (englisch).
  26. a b c Isar Aerospace and D-Orbit announce launch services agreement. Abgerufen am 22. Juni 2022 (englisch).
  27. a b Exotrail and Isar Aerospace sign multiple launch services agreement to break new ground in space mobility. Isar-Aerospace-Pressemeldung vom 3. November 2022.
  28. a b Spaceflight books dedicated Isar Aerospace launch in 2026. Spacenews, 25. Januar 2023.
  29. Road to the launchpad – a comparative analysis of Germany’s Microlaunchers. (PDF; 42,4 MB) Capitol Momentum und European Spaceflight, 2. Februar 2023, S. 20, abgerufen am 7. März 2023 (englisch): „The most recent publicly announced maiden launch date was set for 2023. However, it appears that the launcher is two to three years away from a maiden flight at the company's current pace and the number of engines the company needs to produce for a single Spectrum launch.“
  30. a b ESA Commercial Space Transportation Services Program: Isar Aerospace and German Space Agency at DLR announce payloads for first test flight of Spectrum launch vehicle. Abgerufen am 22. Januar 2022 (englisch).
  31. a b Isar Aerospace and German Space Agency at DLR announce selected payloads for second flight of Spectrum launch vehicle. Isar Aerospace, 6. Dezember 2023.
  32. Isar Aerospace to launch OroraTech wildfire monitoring cubesat constellation. Spacenews, 8. September 2021.
  33. a b Isar Aerospace signs firm launch contract with Swiss IoT network company Astrocast. Abgerufen am 22. Januar 2022 (englisch).