Servia (Gemeindebezirk)

Siedlung in Griechenland

Servia (griechisch Σέρβια (n. pl.)) ist eine Kleinstadt und Verwaltungssitz sowie Gemeindebezirk der Gemeinde Servia in der griechischen Region Westmakedonien.

Gemeindebezirk Servia
Δημοτική Ενότητα Σερβίων
(Σέρβια)
Servia (Gemeindebezirk) (Griechenland)
Servia (Gemeindebezirk) (Griechenland)
Basisdaten
Staat: Griechenland Griechenland
Region: Westmakedonienf6
Regionalbezirk: Kozani
Gemeinde: Servia
Geographische Koordinaten: 40° 12′ N, 22° 1′ OKoordinaten: 40° 12′ N, 22° 1′ O
Höhe ü. d. M.:
Fläche: 398,543 km²
Einwohner: 8.611 (2011[1])
Bevölkerungsdichte: 21,6 Ew./km²
Code-Nr.: 140401
Gliederung: f121 Stadtbezirk
14 Ortsgemeinschaften
Website: www.servianet.gr
Lage in der Gemeinde Servia und im Regionalbezirk Kozani
Datei:DE2019 Servion.svg
Datei:DE2019 Servion.svg

Geographie Bearbeiten

Die Kleinstadt Servia liegt südlich des Polyfytos-See, einem großen Stausee des Flusses Aliakmonas. Der Gemeindebezirk Servia umfasst auch Gebiete und Ortschaften nördlich des Polyfytos-Sees. Die Entfernung zum nördlich gelegenen Kozani beträgt zirka 30 km.

Geschichte Bearbeiten

 
Polyfytos-See (Südufer) mit der Kleinstadt Servia im Hintergrund

Die ältesten Siedlungsspuren auf dem Gemeindegebiet von Servia stammen aus dem späten Neolithikum.[2][3][4]

Die Ortschaft Servia am heutigen Ort entstand während des byzantinischen Reiches durch Zusammenlegung mehrerer kleinerer Ortschaften in der Umgebung.[5] Es ist sehr wahrscheinlich, dass das im De Administrando Imperio des Kaisers Konstantin VII. erwähnte Serblia bzw. Servlia (τὰ Σέρβλια) identisch mit dem heutigen Servia ist und die Stadt somit aus der frühesten serbischen Siedlung im südlichen Makedonien aus der Zeit der Regentschaft des Kaisers Herakleios (610–641) heraus entstanden ist.[6][7]

Die byzantinische Festung südlich der heutigen Kleinstadt wurde in den Jahren 560 bis 630 n. Chr. erbaut.[8][9][10] Im 7. Jahrhundert n. Chr. wurde die befestigte Stadt Servia angelegt: sie bestand aus einer Akropolis (Festung), einer Ober- und einer Unterstadt.[8][9][10]

Ab 1880 war Servia, damals unter der osmanischen Bezeichnung Serfiçe, mit etwa 8000 Einwohnern Verwaltungszentrum des gleichnamigen Sandschaks.[11][12] und blieb bis 1912 beim Osmanischen Reich. Nach Ausbruch des ersten Balkankrieges im Oktober 1912 wurde Servia am 22. Oktober 1912 durch aus Elassona und Tyrnavos über den Meluna-Pass vorrückende griechische Truppen erreicht. Die osmanische Armee stellte sich in Servia mit 18.000 Soldaten unter dem Kommando von Hassan Taksim Pascha den griechischen Streitkräften zum Kampf. In der sogenannten Schlacht am Sarandaporos gelang den griechischen Streitkräften nach zwei Tagen, die osmanischen Streitkräfte so unter Druck zu setzen, dass diese ihre Stellungen südlich von Servia aufgaben und sich über das Tal des Aliakmonas nördlich von Servia in die zentralmakedonische Tiefebene zurückzogen; am 30. Oktober 1912 wurde Servia von griechischen Truppen besetzt. 1913 wurde es im Frieden von Bukarest endgültig dem Königreich Griechenland zugeordnet[13] und erhielt 1918 seine Anerkennung als Landgemeinde (kinotita).

Mitte April 1941 wurde Servia von Truppen der deutschen Wehrmacht im Rahmen des Unternehmens Marita im Zweiten Weltkrieg erobert. Nach der Eroberung durch deutsche Truppen fiel Servia unter die Kontrolle der italienischen Besatzungsstreitkräfte. Im März 1943 wurde Servia von den Aufständischen der griechischen Volksbefreiungsarmee ELAS kurzzeitig besetzt; im Rahmen einer Verfolgungs- bzw. Vergeltungsaktion der italienischen Truppen gegen die ELAS-Widerstandskämpfer, welche Servia bei Eintreffen der italienischen Truppen bereits wieder verlassen hatten, wurde Servia niedergebrannt.[14] Im Juni 1943 griffen Aufständische der ELAS einen deutschen Truppenkonvoi auf dem Weg von Elassona nach Servia an. Es kam anschließend zu einer Vergeltungsaktion deutscher Truppen gegen Servia, bei der mehr als 180 Zivilisten von deutschen Soldaten exekutiert wurden. Mehr als 10 Dörfer der Region inklusive Servia wurden niedergebrannt.[15] Servia wurde anschließend zu einer „toten Zone“ erklärt, was zur Vertreibung der Bevölkerung führte.[14]

Servia war auch Schauplatz der Kämpfe innerhalb des griechischen Widerstands gegen die Achsenmächte. Ende 1944 wurde der lokale Anführer der nicht-kommunistisch kontrollierten Rebellen, Michail Papadopoulos – genannt Michalgas – von Kämpfern der kommunistisch kontrollierten ELAS in der Gegend von Servia gefangen genommen. Michalgas war zunächst ein Sympathisant der anfänglich republikanisch orientierten Widerstandsorganisation EDES. Der Aufbau einer EDES-kontrollierten Widerstandsgruppe in Servia scheiterte allerdings am zum Teil bewaffneten Widerstand der ELAS, so dass Michalgas eine lokale Widerstandsgruppe aufbaute, welche militärisch auf der Bewaffnung der ansässigen Bewohner, vornehmlich Flüchtlingen aus Kleinasien, fußte.[16]

Im Winter 1944–1945 besuchte eine Kommission des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz Servia. Sie stellte fest, dass nicht weniger als 88 % der Bevölkerung der Region um Servia während der Besatzungszeit obdachlos geworden sei.[17]

Servia wurde im Jahr 2012 wegen des von der Wehrmacht hinzugefügten Leids vom griechischen Parlament als "Märtyrerstadt" anerkannt.[18]

Verwaltungsgliederung Bearbeiten

1964 wurde Servia zur Stadtgemeinde (dimos) erhoben, 1997 wurden zahlreiche benachbarte Landgemeinden eingegliedert. Mit der Verwaltungsreform 2010 ging Servia zusammen mit drei weiteren Gemeinden in der neu geschaffenen Gemeinde Servia-Velvendo auf, wo es seither einen Gemeindebezirk bildet.

Stadtbezirk
Ortsgemeinschaft
griechischer Name Code Fläche (km²) Einwohner 2001 Einwohner 2011 Dörfer und Siedlungen
Servia Δημοτική Κοινότητα Σερβίων 14040101 51,295 4465 3540 Servia, Lava, Nea Lava
Avles Τοπική Κοινότητα Αυλών 14040102 10,986 0394 0293 Avles
Vathylakkos Τοπική Κοινότητα Βαθυλάκκου 14040103 16,450 0652 0615 Vathylakkos
Goules Τοπική Κοινότητα Γουλών 14040104 11,346 0226 0185 Goules
Imera Τοπική Κοινότητα Ιμέρων 14040105 38,154 0323 0212 Imera, Avra
Kastania Τοπική Κοινότητα Καστανιάς 14040106 47,972 0098 0565 Kastania, Nea Kastania
Kranidia Τοπική Κοινότητα Κρανιδίων 14040107 12,064 0563 0461 Kranidia
Lefkara Τοπική Κοινότητα Λευκάρων 14040108 25,177 0231 0211 Lefkara
Mesiani Τοπική Κοινότητα Μεσιανής 14040109 15,428 0340 0280 Mesiani
Metaxas Τοπική Κοινότητα Μεταξά 14040110 58,672 0410 0226 Metaxas
Neraida Τοπική Κοινότητα Νεράιδας 14040111 13,125 0132 0148 Neraida
Platanorrevmatos Τοπική Κοινότητα Πλατανορρεύματος 14040112 34,627 1061 1004 Platanorrevmatos
Polyrracho Τοπική Κοινότητα Πολυρράχου 14040113 28,981 0400 0269 Polyrracho; Prosili
Roditis Τοπική Κοινότητα Ροδίτου 14040114 16,682 0304 0290 Roditis, Kouvouklia
Trigoniko Τοπική Κοινότητα Τριγωνικού 14040115 17,604 0402 0312 Trigoniko
Gesamt 140401 398,543 10.001 8611

Bevölkerung, Verwaltung und Politik Bearbeiten

Bevölkerung Bearbeiten

Nach der griechischen Niederlage im griechisch-türkischen Krieg von 1919 bis 1922 und dem anschließenden Friedensvertrag von Lausanne von 1923 wurden griechische Flüchtlinge aus Anatolien in Servia angesiedelt.[19]

Wirtschaft, Verkehr und Infrastruktur Bearbeiten

Verkehr Bearbeiten

 
Polyfytos- oder Servia/Neraida-Brücke über den Polyfytos-See. Die Kleinstadt Servia ist in der Nähe des Südufers des Polyfytos-Sees zu sehen

Durch Servia verläuft die Nationalstraße 3 (Europastraße 65) von Kozani nach Elassona. Der Polyfytos-See wird durch die gleichnamige 1350 lange Brücke (auch als Servia/Neraida-Brücke selten bezeichnet) überquert.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Servia – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Ergebnisse der Volkszählung 2011 beim Nationalen Statistischen Dienst Griechenlands (ΕΛ.ΣΤΑΤ) (Excel-Dokument, 2,6 MB)
  2. Cressida Ridley, Kenneth A. Wardle: Rescue excavations at Servia 1971–1973. In: The Annual of the British School at Athens. Band 74, 1979, S. 185–230.
  3. William Heurtley: Prehistoric Macedonia. Cambridge University Press, Cambridge 1939.
  4. Stratos Nanoglou: Social and monumental space in Neolithic Thessaly, Greece. In: European Journal of Archeology. Band 4, 2001, S. 303–322. eja.sagepub.com@1@2Vorlage:Toter Link/eja.sagepub.com (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  5. Charalambos Bouras: Aspects of the Byzantine City, Eighth-Fifteenth Centuries. In: Angeliki E. Laiou (Hrsg.): The Economic History of Byzantium: From the Seventh through the Fifteenth Century. Dumbarton Oaks Research Library and Collections, Washington D.C. 2002, S. 498–528, S. 503. doaks.org (Memento des Originals vom 30. September 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.doaks.org
  6. Meyers Konversations-Lexikon. 1888, digitalisiert
  7. Gy. Moravcsik, R. J. H. Jenkins: Constantine Porphyrogenitus, De Administrando Imperio. Dumbarton Oaks Center for Byzantine Studies, Washington 1967, S. 152, 153.
  8. a b Kosmas Savvilotidis: Die byzantinischen und nachbyzantinischen Monumente von Servia. 1999.
  9. a b Kosmas Savvilotidis: Servia. 1999.
  10. a b Charalambos Bouras: Aspects of the Byzantine City, Eighth-Fifteenth Centuries. In: Angeliki E. Laiou (Hrsg.): The Economic History of Byzantium: From the Seventh through the Fifteenth Century. Dumbarton Oaks Research Library and Collections, Washington D.C. 2002, S. 498–528, S. 507. doaks.org (Memento des Originals vom 30. September 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.doaks.org
  11. Meyers Konversations-Lexikon. 1888, (Link digitalisierte Version)
  12. Serfidsje. In: Heinrich August Pierer, Julius Löbe (Hrsg.): Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit. 4. Auflage. Band 15: Säugethiere–Sicilicus. Altenburg 1862, S. 885 (zeno.org).
  13. Friedrich Immanuel: Der Balkankrieg 1912/13. Zweites und Drittes Heft: Der Krieg bis zum Beginn des Waffenstillstandes im Dezember 1912. Verlag Ernst Siegfried Mittler und Sohn, 1913, S. 90–91.
  14. a b Giannis S. Koliopoulos, John S. Koliopoulos: Plundered Loyalties: Axis Occupation and Civil Strife in Greek West. C. Hurst & Co. Publishers, 1999, ISBN 1-85065-381-X, S. 101.
  15. Stratos Dordanas: To aima to athoon. (auf Griechisch: Das Blut der Unschuldigen), 2007, S. 261–264.
  16. Giannis S. Koliopoulos, John S. Koliopoulos: Plundered Loyalties: Axis Occupation and Civil Strife in Greek West. C. Hurst & Co. Publishers, 1999, ISBN 1-85065-381-X, S. 80–81.
  17. Giannis S. Koliopoulos, John S. Koliopoulos: Plundered Loyalties: Axis Occupation and Civil Strife in Greek West. C. Hurst & Co. Publishers, 1999, ISBN 1-85065-381-X, S. 189.
  18. Märtyrerstädte und Märtyrerdörfer Griechenland. Website des Gemeindemuseums von Kalavryta. Abgerufen am 16. Februar 2021.
  19. Giannis S. Koliopoulos, John S. Koliopoulos: Plundered Loyalties: Axis Occupation and Civil Strife in Greek West. C. Hurst & Co. Publishers, 1999, ISBN 1-85065-381-X, S. 42.