Serben und Montenegriner in Albanien

Serben und Montenegriner sind eine kleine Minderheit in Albanien.[1] Unterschiede zwischen der serbischen und montenegrinischen Ethnie sind graduell, sodass beide Gruppen bisweilen als serbo-montenegrinisch zusammengefasst werden.

Morača-Rozafa-Vereinigung
Von der Morača-Rozafa-Organisation vorgeschlagene Minderheitenflagge für die Serben und Montenegriner in Albanien

Durch eine repressive Assimilationspolitik während der kommunistischen Diktatur unter Enver Hoxha an die albanische Mehrheitsbevölkerung ist die Zahl derjeniger, die sich als Serben oder Montenegriner bekennen, geschrumpft. Während bei der albanischen Volkszählung von 1928 noch 65.000 Serben und Montenegriner ermittelt wurden (mit 7,83 % die größte Minderheit im Land),[2] wurden bei der Volkszählung von 2011 nur noch 366 Montenegriner erfasst.[1]

Gegenwart Bearbeiten

Als anerkannte ethnische Minderheit haben die Montenegriner gemäß Art. 20 der Verfassung Albaniens gleiche Menschenrechte, insbesondere was Unterricht, Sprache, Kultur und Religion anbelangt. Die Serben und Bosniaken sind hingegen nicht als ethnische Minderheit anerkannt.[3] Entgegen Wünsche der Minderheit wurde bis jetzt in der Region Shkodra keine serbische Schule eröffnet, da der albanische Staat von einer zu geringen Schülerzahl ausgeht.[3]

Heute gibt es in Albanien den serbisch-orthodoxen Kulturverein Sveti Jovan Vladimir („Heiliger Jovan Vladimir“), der im engen Kontakt mit der Montenegrinischen Metropolit steht und sich für die Minderheitsrechete in Albanien einsetzt, vor allem für die Pflege der eigenen Sprache, Religion und Kultur und der Rückumbenennung der albanisierten Vor- und Nachnamen.[4] Daneben gibt es eine enge Zusammenarbeit zwischen Omonia, einer Vereinigung der in Albanien lebenden griechischen Minderheit, und den Serben Albaniens.[4]

Geschichte Bearbeiten

 
Frauen aus Vraka 1913 in Shkodra

Erste slawische Stämme wanderten bereits im 6. und 7. Jahrhundert im Zuge der Landnahme der Slawen auf dem Balkan in die Gebiete des heutigen Albanien ein. Zahlreiche Ortsnamen in Albanien haben slawische Wurzeln.

Gemäß dem byzantinischen Kaiser Konstantin VII. lebten Serben in den oströmischen Provinzen Dalmatia, Praevalitana and Moesia. Eine slawisch-albanische Symbiose im Prokletije existierte bereits im Mittelalter, viele albanische und slawische Familien führen ihre Herkunft auf die gleichen Familien zurück. Während des serbischen Reiches unter Stefan Uroš IV. Dušan war ganz Albanien, auch der Epirus, eine kurze Zeit lang serbisch beherrscht.

Laut dem osmanischen Register Tahrir defterleri aus dem Jahre 1528 lebten im Sandschak İşkodra (Shkodra), der auch das Vilâyet Montenegro umfasste, rund 81.700 Menschen mit serbisch(-orthodox)em Namen und im Sandschak Dıraç (Durrës) 8600.[5] Nach geläufigen Angaben ist die serbo-montenegrinische Sprachinsel Vraka nördlich von Shkodra Mitte des 18. Jahrhunderts von Zuwanderern aus Montenegro gegründet worden.[6]

1828 erlaubten die Osmanen die Eröffnung einer serbischsprachigen Schule in Shkodra. Im Ersten Balkankrieg, als Montenegro für ein paar Monate Shkodra einnahm, fielen 10.000 Serben und Montenegriner in und um Shkodra, hauptsächlich rund um die Burg von Shkodra, dem Hügel Bardhanjoret und auf dem Tarabosh.[7] Der albanische Diktator Enver Hoxha ordnete die Zerstörung der serbischen Friedhöfe und zweier serbischer Gotteshäuser an, nachdem 1967 jegliche Religionsausübung verboten worden war.[4] Seitdem erinnert kaum etwas an die Gräber, jedoch wurde 2008 eine Initiative gestartet, dort eine Gedenktafel zu platzieren, bisher ohne Erfolg.[7]

Das Königreich Jugoslawien eröffnete 1923 und 1924 mehrere Privatschulen, eine in Vraka mit 72 Schülern und drei in Shkodra. Es existierte auch ein ethnisch serbischer Fußballverein und zwei Jugendorganisationen (Guslar und Obilić) in Shkodra. Die Gründung der autokephalen orthodoxen Kirche Albaniens 1929 schwächte die Serben im Land. Die 14 noch betriebenen Kirchen und Klöster wurden nach und nach geschlossen.[8] 1934 wurde die serbische Schule in Vraka geschlossen.[9]

Die rund 2000 Montenegriner aus Nordwestalbanien haben das Land nach dem Zusammenbruch des Kommunismus praktisch vollzählig verlassen. Einige Hundert kehrten in der Folge wieder zurück.[10]

Siedlungsgebiete und Anzahl Bearbeiten

 
Serben und Montenegriner in Albanien (Albanien)
Tirana
Fier
Shkodra
Vraka
Libofsha
Hamil
Koxhas / Boraka
Prespa
Dibra
Gora
Griechenland
Kosovo
Mazedonien
Montenegro
Italien
Adria
Slawische Minderheiten in Albanien:
Siedlungsgebiete von
  • Serben und Montenegriner
  • Bosniaken
  • Goranen
  • Mazedonier
  • Die albanische Volkszählung von 1989 bezeichnete die Zahl der Serben und Montenegriner im Land mit genau 100,[11] während bei der Volkszählung 1928 noch 65.000 ermittelt worden waren.[2] Bei der Volksbefragung 2011 bezeichneten sich 366 Personen als Montenegriner, und 66 gaben Serbokroatisch als Muttersprache an.[1] Das albanische Helsinki-Komitee schätzt, dass 2000 Serbo-Montenegriner in Albanien leben,[3] vom serbisch-montenegrinischen Interessensverein „Morača-Rozafa“ in Shkodra hingegen wird die Größe der Minderheit auf 30.000 geschätzt.[12]

    Die Minderheit lebt vor allem in Dörfern gleich nördlich von Shkodra (serb./montenegr. Скадар/Skadar) in der Region Vraka (Врака) mit den Ortschaften Boriç i vogël (Мали Борич/Mali Borič), Boriç i madh (Велики Борич/Veliki Borič), Grila (Гриљ/Grilj), Omaraj (Омара/Omara) und Rrash-Kullaj (Раш/Raš).[13] Serben respektive Montenegriner leben oder lebten gemäß einem Zeitungsartikel von 2003 auch in folgenden Ortschaften im näheren und weiteren Umland von Shkodra: Brodica, Bardosh, Grishaj, Koplik, Puka, Vafa, Kamenica, Shtoj i vjetër, Shtoj i ri, Dobraç, Golem, Mushan und Bushat.[14] Mehrere hundert Familien lebten auch in Durrës und der Hauptstadt Tirana, zudem gibt es Gemeinden in Elbasan und Korça.[15] Bei der Volkszählung 2011 bezeichneten sich im Qark Shkodra 282 Personen als Montenegriner und 55 Personen gaben Serbokroatisch als ihre Muttersprache an, wobei rund 7,5 % respektive 0,1 % die Fragen nicht beantworteten.[16]

    Bei Fier leben vor allem in den Ortschaften Rreth-Libofsha (serb./montenegr. Ретли Боуша/Retli Bouša) und Hamil etwa 2000 Serben orthodoxen Glaubens.[17] Dort gibt es auch den serbischen Kulturverein Jedinstvo („Die Enigkeit“).[17] Andere serbische Bewohner dieser Region sagen, sie seien ursprünglich aus Novi Pazar und muslimischen Glaubens.[18] In den Dörfern Libofsha und Hamil im Kreis Fier wurden 2010 respektive 2014 serbische Schulen eröffnet.[19][20] Von serbischer Seite wurde die Größe der Minderheit bei dieser Gelegenheit mit 20.000 Personen angegeben.[20] Weitere Serben wohnen in Berat.[17] In den Regionen Fier und Berat gab kaum eine oder gar keine Person an, montenegrinischen Ursprungs zu sein oder Serbokroatisch zu sprechen.[21][22]

    Persönlichkeiten Bearbeiten

    Literatur Bearbeiten

    • Klaus Steinke, Xhelal Ylli: Die slavischen Minderheiten in Albanien. 4. Teil Vraka – Borokaj (= Slavistische Beiträge. Band 491). Otto Wagner, München 2013, ISBN 978-3-86688-363-5.

    Weblinks Bearbeiten

    Einzelnachweise Bearbeiten

    1. a b c Instat (Hrsg.): Population and Housing Census in Albania 2011: Main Results (Part 1). Tirana Dezember 2012 (Online [PDF; 6,2 MB; abgerufen am 31. Januar 2019]).
    2. a b Vladimir Ortakovski: Minorities in the Balkans. Transnational Publishers, 2010, ISBN 978-1-57105-129-5, S. 114 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
    3. a b c Manjola Xhaxho: Minority Rights and the Republic of Albania: Missing the Implementation. (PDF) In: Universität Lund, Fakultät für Rechtswissenschaften. S. 11, 28, 87 f., abgerufen am 27. Mai 2016 (englisch, Master thesis, Master’s Programme in International Human Rights Law, Professor Gudmundur Alfredsson).
    4. a b c Vlada Republike Srbije >> Vesti >> Politika >> Srbi u Albaniji jedna od najugroženih manjina u svetu. In: www.arhiva.srbija.gov.rs. Abgerufen am 2. Mai 2016.
    5. Varia turcica IV. Comité international d'etudes pré-Ottomanes et Ottomanes. VIth Symposium Cambridge, 1–4 July 1984. Istanbul-Paris-Leiden 1987, S. 105–114.
    6. Konrad Clewing: Serben/Montenegriner in Albanien. (PDF) Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 3. August 2016; abgerufen am 3. August 2016.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/dediserver.eu
    7. a b Skadar: Zaboravili i junake i grobove. In: www.novosti.rs. Abgerufen am 2. Mai 2016.
    8. Albanija. 4. Oktober 2009, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. Oktober 2009; abgerufen am 2. Mai 2016.
    9. Udruženje Morača-Rozafa – Istorijat. 28. März 2012, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 28. März 2012; abgerufen am 2. Mai 2016.
    10. Report submitted by Albania pursuant to article 25, Paragraph 1 of the Framework Convention for the Protection of National Minirockes. (PDF) In: Europarat. 26. Juni 2001, abgerufen am 27. Mai 2016 (englisch).
    11. Albania. (PDF) Introduction: Linguistic topography. Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, S. 56, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 11. Juni 2007; abgerufen am 7. Juni 2016 (englisch).
    12. RTS, Radio televizija Srbije, Radio Television of Serbia: Pavle Brajović: Zahtevi i očekivanja. In: www.rts.rs. Abgerufen am 2. Mai 2016.
    13. Slobodan Šćepanović: Najnoviji demografski i drugi podaci o Vraki. In: Projekat Rastko Skadar. Abgerufen am 30. Mai 2016 (rs).
    14. Vojislav Stanovčić: Položaj i identitet srpske manjine u jugoistočnoj i centralnoj Evropi: zbornik radova sa naučnog skupa održanog 26-29. novembra 2003. godine. Srpska Akad. Nauka i Umetnosti, 2005 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche – Уосталом, српскоцрногорског живља и сада има у северној Албанији, код Скадра, у насељима: Бродица, Бардош, Грижа, Врака, Коплик, Пука, Вафа, Каменица, Омара, Велики Барич, Мали Барич, Грил, Раш, Стари Штој, Нови Штој, Добрач, Голем, Мушан, Бушат итд. Такође, живе и у окрузима Лежа, Драч, Тирана, Елбасан, Либражд...).
    15. Albanische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Kultura popullore. Instituti i Kulturës Popullore, 1992 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche – Nërrethinat e Shkodrës, sidomos në Vrakë, në rrethinat e Elbasanit e të Korçës, ka pasur fshatra me popullsi serbe. Serbë të shqiptarizuar ka pasur në Cermenikë, Bulqizë, në Mokër, në Malësi etj. Oaza mё e madhe serbe, sipas tij, është ...).
    16. Instituti i Statistikës (Hrsg.): Population and Housing Census – Shkodër 2011. S. 39 f. (web.archive.org [PDF; 1,5 MB; abgerufen am 15. September 2021]).
    17. a b c RTS, Radio televizija Srbije, Radio Television of Serbia: Srbi u Albaniji žele čvršću vezu sa maticom. In: www.rts.rs. Abgerufen am 2. Mai 2016.
    18. Shkolla Serbe ne Fier – Vizion Plus – Lajme auf YouTube
    19. Shekulli: Fier, hap dyert shkolla serbe. Ambasadori Zariç: Do hapim edhe të tjera. In: malesia.org. 19. September 2010, abgerufen am 3. Juni 2016 (albanisch).
    20. a b Eri Murati: Serbian-language school in Albania is a sign of improving relations. In: SETimes.com. 23. Januar 2014, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 27. Oktober 2014; abgerufen am 27. Mai 2016 (englisch).
    21. Ines Nurja: Censusi i popullsisë dhe banesave / Population and Housing Census – Fier 2011. Rezultatet Kryesore/Main Results. Hrsg.: INSTAT. Pjesa/Part 1. Adel Print, Tirana 2013, S. 39 f. (Dokument als PDF [abgerufen am 31. Januar 2019]).
    22. Ines Nurja: Censusi i popullsisë dhe banesave / Population and Housing Census – Berat 2011. Rezultatet Kryesore/Main Results. Hrsg.: INSTAT. Pjesa/Part 1. Adel Print, Tirana 2013, S. 39 f. (Dokument als PDF [abgerufen am 31. Januar 2019]).