Sella Hasse

deutsche bildende Künstlerin (1878–1963)

Sella Hasse, auch als Selly Schmidt und unter dem Pseudonym Essa Halles bekannt (* 12. Februar 1878 in Bitterfeld als Hedwig Anna Selli Schmidt;[1]27. April 1963 in Berlin), war eine deutsche Malerin und Grafikerin.[2]

Grab von Sella Hasse, Friedhof Wismar

Biografie Bearbeiten

Sella Hasse war die Tochter des Schankwirtes Johann Wilhelm Schmidt (1847–1908) und dessen Frau Clara Emma, geb. Günther (1859–1936).[1] Sie nahm seit 1896 privaten Zeichenunterricht bei Walter Leistikow und Franz Skarbina sowie ab 1901 bei Lovis Corinth. Sie war seit 1899 verheiratet mit dem Chemiker und Dr. phil. Hermann Robert Hasse (1867–1919);[1] 1899 wurde die Tochter Hanne Hasse († 1928) geboren. 1902 begann die Freundschaft mit der zehn Jahre älteren Künstlerin Käthe Kollwitz.[3]

Aus beruflichen Gründen des Ehemannes zog die Familie 1904 von Berlin nach Hamburg. Hier arbeitete sie als Pressezeichnerin, unter anderem für die Hamburg Woche. Nachdem Robert Hasse einen Ruf als Dozent für Mathematik und Naturwissenschaften an die 1908 gegründete Ingenieur-Akademie Wismar erhalten hatte, zog das Ehepaar 1910 von Hamburg nach Wismar. 1912 reiste die Künstlerin das erste Mal nach Paris, wo sie die Académie Suisse besuchte.[3]

Seit 1930 wohnte die Künstlerin in Berlin.

1937 wurden in der Aktion „Entartete Kunst“ aus dem Stadtbesitz von Berlin, dem Städtischen Kunst- und Gewerbemuseum Dortmund, der Städtischen Kunstsammlung Gelsenkirchen, dem Wallraf-Richartz-Museum Köln, dem Vestischen Museum Recklinghausen und der Städtischen Bildergalerie Wuppertal-Elberfeld Arbeiten Sella Hasses beschlagnahmt. Fast alle wurden danach zerstört.[4]

Von 1943 bis 1945 lebte Sella Hasse im Elsass, danach kehrte sie wieder nach Ost-Berlin zurück. Ab 1947 machte sie künstlerische Studien in Betrieben, unter anderem im Stahl- und Walzwerk Hennigsdorf. 1953 erlitt sie durch einen Unfall eine Lähmung und gab ihr künstlerisches Schaffen auf.[5] 1955 wurde sie Ehrenmitglied im VBKD und Mitglied der Akademie der Künste. 1962 erhielt sie den Käthe-Kollwitz-Preis.[6]

Hasses Grab befindet sich auf dem Friedhof Wismar – gemeinsam mit den Grabstätten der Mutter Emma Schmidt, der Tochter Hanne Hasse und des Ehemannes Robert Hasse. Das Grabmal ist nach einem Entwurf der Künstlerin aus dem Jahr 1928 gestaltet.[7]

Selbstreflexion Bearbeiten

„Ich kam vom Schauerlebnis rhythmisch arbeitender Menschen … Der rein optische Reiz, der von bewegten arbeitenden Menschen ausgeht und eine Art Ethos, die tiefe Ehrfurcht in mir vor der arbeitenden, schwer schuftenden Kreatur, waren wohl die Antriebssignale, die mich früh zur Wiedergabe der Arbeit geleitet haben.“

Aus einem Vortrag im Haus des Vereins Deutscher Ingenieure: „Wie ich zur Technik kam?“ 1932.[8]

Rezeption Bearbeiten

„Die heute so erstrebte Gemeinsamkeit von Künstler, Intelligenz und werkendem Menschen war für Sella Hasse immer gegeben. … Sie hat, abgesehen vom künstlerischen Trieb, dies alles aus sozialen Beweggründen gezeichnet.“

Mitgliedschaften Bearbeiten

Ehrungen Bearbeiten

Werk Bearbeiten

Hasse war hauptsächlich im Bereich der Druckgrafik künstlerisch tätig. Unter anderem schuf sie von 1908 bis 1910 den aus sechs Lithographien bestehenden Zyklus Hamburger Hafenarbeiter sowie von 1912 bis 1916 den Zyklus Rhythmus der Arbeit, zu dem sieben Linolschnitte gehören[11] 1914 bis 1918 folgte der Zyklus Kriegsblätter aus sechs Holzschnitten. Sie griff vorwiegend sozialkritische Themen auf, wie das Nachkriegselend und die Ausbeutung von Arbeitern.[12] In der DDR wurde sie vor allem durch ihre Grafiken rund um die Arbeitswelt bekannt.[13]

Hasse malte vor allem Porträts und Landschaften. Große Teile ihres künstlerischen Nachlasses (78 Ölbilder und 250 Aquarelle) befinden sich im Stadtgeschichtlichen Museum der Hansestadt Wismar.

Werke (Auswahl) Bearbeiten

Holzschnitte Bearbeiten

  • Telegrafenarbeiter (vor 1949)[14]
  • Der Konstrukteur (1949)[15]
  • Kabelschleppen im Walzwerk (1949)[16]
  • Blinde Arbeiterinnen (vor 1953)[17]
  • Selbstbildnis (1967)[18]

Zeichnungen Bearbeiten

  • Feierabend (Tusche, vor 1953)[19]
  • Transportarbeiter (Tusche, vor 1953)[20]

Tafelbild Bearbeiten

Publikationen Sella Hasses Bearbeiten

  • Zur sozialen Wertung der weiblichen Fortpflanzungsorgane. Xenien-Verlag, Leipzig 1918 (unter ihrem Pseudonym Essa Halles)
  • Rhythmus der Arbeit. In: Bettauers Wochenschrift, Wien 1925
  • Leistikow-Erinnerungen. In: Mecklenburgische Monatshefte, 2, Wismar 1929, S. 71–73.
  • Begegnung mit Käthe Kollwitz. In: Bildende Kunst, 2, Dresden 1955, S. 105–107.
  • Erinnerungen an Lovis Corinth. In: Bildende Kunst, Berlin, 1958, S. 429

Ausstellungen (unvollständig) Bearbeiten

Einzelausstellungen Bearbeiten

  • 1916: Dresden, Kunstsalon Emil Richter
  • 1922: Berlin, Graphik und Glasmalereien[22]
  • 1947: Schwerin, Landesmuseum
  • 1958: Berlin, Kupferstichkabinett (Aus dem Graphischen Werk)[23]
  • 1958: Rostock, Museum der Stadt Rostock (Malerei und Graphik)
  • 1978: Berlin, Nationalgalerie (Zum 100. Geburtstag)
  • 2004: Wismar, Stadtgeschichtliches Museum der Hansestadt Wismar

Gruppenausstellungen Bearbeiten

  • 1902: Berliner Secession
  • 1912: Deutscher Künstlerbund, Bremen.
  • 1912: Salon de la Société Nationale des Beaux-Arts, Grand Palais, Paris.
  • 1913: 5. Graphische Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes, Hamburg.
  • 1914: 1. Internationale Graphische Kunstausstellung, Leipzig.
  • 1919: Kunsthaus Zürich.
  • 1937: Deutsche Graphikschau, Königsberg
  • 1946, 1949 und 1953: Dresden, Allgemeine Deutsche Kunstausstellung und 2. und Dritte Deutsche Kunstausstellung
  • 1949: Berlin, „Mensch und Arbeit[24]

Postum Bearbeiten

  • 1968: Halle/Saale, Staatliche Galerie Moritzburg („Sieger der Geschichte“)
  • 1970: Berlin, Altes Museum („Auferstanden aus Ruinen. Druckgraphik und Zeichnungen 1945–1970“)
  • 1974: Berlin, Altes Museum („25 Jahre Graphik in der DDR. 1949–1974“)
  • 1978/1979: Berlin, Altes Museum („Revolution und Realismus. Revolutionäre Kunst in Deutschland 1917 bis 1933“)
  • 1979: Berlin, Altes Museum („Weggefährten – Zeitgenossen. Bildende Kunst aus 3 Jahrzehnten “)
  • 1980: Berlin, Ausstellungszentrum am Fernsehturm („Retrospektive Berlin“)
  • 1982: Proletarisch – revolutionäre Grafik – Italien, Venedig.
  • 1986: Leipzig, Museum der Bildenden Künste („Worin unsere Stärke besteht. Kampfaktionen der Arbeiterklasse im Spiegel der bildenden Kunst.“)
  • 1987: Max Klinger, Sella Hasse – Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Druckgraphik. Majakowski-Galerie, Berlin.[25]
  • 2004: Femme Flaneur. August-Macke-Haus, Bonn.
  • 2012: Plüschow, Künstlerhaus Schloss Plüschow (”Sella Hasse, Joachim Hukal, Linda Perthen. Zwei Künstlergenerationen aus Mecklenburg.“)
  • 2015: Sonaten der Farbe. Malerinnen 1900–1950, Schleswig-Holstein-Haus, Schwerin.
  • 2015/16: Künstlerinnen der Moderne – Magda Langenstraß-Uhlig und ihre Zeit, Potsdam Museum.
  • 2017: Fortsetzung folgt! 150 Jahre Verein der Berliner Künstlerinnen, Alexander und Renata Camaro Stiftung, Berlin.
  • 2019/20: Kampf um Sichtbarkeit. Künstlerinnen der Nationalgalerie vor 1919. Alte Nationalgalerie, Berlin.

Auslobung Bearbeiten

  • 2012 hat die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di erstmals einen Sella-Hasse-Preis für bildende Künstler ausgelobt.[26]

Literatur Bearbeiten

  • Dr. Charlotte E. Pauly: Sella Hasse. In: Holzschnitte von Sella Hasse. Grafik-Verlag Dr. Heinrich Mock im Thüringer Volksverlag GmbH. Weimar 1950 (mit 16 Lichtdrucken).
  • Georg Mielke: Sella Hasse. Verlag der Kunst, Dresden 1958.
  • Staatliche Museen zu Berlin (Hrsg.): Sella Hasse zum 100. Geburtstag. Ausstellung in der National-Galerie 1978. Berlin 1978.
  • Hildegard Reinhardt: Sella Hasse und Käthe Kollwitz im Vergleich. Zwei sozialkritische Künstlerinnen zu Beginn der klassischen Moderne. In: Profession ohne Tradition. 125 Jahre Verein Berliner Künstlerinnen. Berlinische Galerie, Berlin 1992, ISBN 3-89181-410-0.
  • Béatrice Busjan, Corinna Schubert: Sella Hasse. Ölbilder im Bestand des Stadtgeschichtlichen Museums Wismar. Thomas Helms Verlag, Schwerin 2004, ISBN 978-3-935749-32-9.
  • Hasse, Sella. In: Dietmar Eisold (Hrsg.): Lexikon Künstler in der DDR. Verlag Neues Leben, Berlin 2010. ISBN 978-3-355-01761-9, S. 319.
  • Kurzbiografie zu: Hasse, Sella. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 1. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
  • Grete Grewolls: Wer war wer in Mecklenburg und Vorpommern. Das Personenlexikon. Hinstorff Verlag, Rostock 2011, ISBN 978-3-356-01301-6, S. 3891–3892.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Sella Hasse – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c Standesamt Schöneberg I, Eheregister, Nr. B 66/1899. (Abruf über ancestry.com)
  2. Manfred Neureiter: Lexikon der Exlibriskünstler. Pro Business, Berlin 2009, S. 179.
  3. a b Sella Hasse zum 100. Geburtstag. Ausstellung in der National-Galerie 1978. Staatliche Museen zu Berlin, Berlin 1978, S. 10–15.
  4. Stale Session. Abgerufen am 23. Oktober 2022.
  5. Sella Hasse: Sella Hasse. Einführung von Georg Mielke. Hrsg.: Georg Mielke. Verlag der Kunst, Dresden 1958, S. 61.
  6. Biographische Angaben aus dem Handbuch Wer war wer in der DDR?, abgerufen am 8. April 2015.
  7. Sella Hasse zum 100. Geburtstag. Ausstellung in der National-Galerie 1978. Staatliche Museen zu Berlin, Berlin 1978, S. 13, Foto unten rechts, u. S. 14.
  8. Charlotte E. Pauly (Einf.): Holzschnitte von Sella Hasse. Grafik-Verlag Dr. Heinrich Mock, Weimar 1950, S. VI.
  9. Charlotte E. Pauly (Einf.): Holzschnitte von Sella Hasse. Grafik-Verlag Dr. Heinrich Mock, Weimar 1950, S. IV.
  10. Geschichte des Käthe-Kollwitz-Preises adk.de, abgerufen am 22. Juli 2020.
  11. Stale Session. Abgerufen am 23. Oktober 2022.
  12. Sella (Selly) Hasse exilarchiv.de, abgerufen am 26. Februar 2014.
  13. Schülerin von Corinth und Kollwitz: Sella Hasse neu entdeckt. schwaebische.de, abgerufen am 8. Juli 2012.
  14. SLUB Dresden: Mensch und Arbeit. Abgerufen am 23. Oktober 2022 (deutsch).
  15. Sella Hasse: Der Konstrukteur. 1949, abgerufen am 23. Oktober 2022.
  16. Sella Hasse: Kabelschleppen im Walzwerk. 1949, abgerufen am 23. Oktober 2022.
  17. Sella Hasse: Blinde Arbeiterinnen. Abgerufen am 23. Oktober 2022.
  18. Hermann Großmann: Hasse, Sella. Mai 1967, abgerufen am 23. Oktober 2022.
  19. Sella Hasse: Feierabend. Abgerufen am 23. Oktober 2022.
  20. Sella Hasse: Transportarbeiter. Abgerufen am 23. Oktober 2022.
  21. https://nat.museum-digital.de/object/1174025
  22. Richard W. Sheppard: „Der Schauspieler greift in die Politik“ Five Actors and the German Revolution 1917–1922. In: Universität Wien (Hrsg.): Maske und Kothurn. Internationale Beiträge zur Theater-, Film- und Medienwissenschaft. Band 39, Nr. 1. Böhlau Verlag, S. 23–60.
  23. Werner Timm: Sella Hasse. Aus dem graphischen Werk, Katalog zur Ausstellung des Kupferstichkabinetts der Staatlichen Museen zu Berlin, März–Mai 1958. Hrsg.: Staatliche Museen zu Berlin.
  24. SLUB Dresden: Mensch und Arbeit. Abgerufen am 23. Oktober 2022 (deutsch).
  25. Katalog der Deutschen Nationalbibliothek. Abgerufen am 7. November 2019.
  26. Kunstundkultur (Zeitschrift der ver.di), Nr. 2/2012, S. 6.