Schloss Reinhartshausen

Schloss in Deutschland

Schloss Reinhartshausen ist ein ehemaliges Schloss sowie Weingut im heute hessischen Rheingau, am westlichen Ortsrand von Erbach gelegen, einem Stadtteil von Eltville am Rhein, und vom Rheinufer nur durch die Bundesstraße 42 getrennt.

Parkseite von Hotel und Schloss Reinhartshausen
Schlosspark mit Blick auf das Alte Schloss und den Kirchturm von Sankt Markus
Prinzessin Marianne
von Oranien-Nassau
Johann Wilhelm von Reinhartshausen (1849–1861)

Geschichte des Schlosses Bearbeiten

Stammsitz von Ritterschaften (1189 bis 1797) Bearbeiten

Ursprünglich lag an der Stelle des heutigen Schlosses von 1189 bis 1275 der Stammsitz der Ritter zu Erbach. Danach gehörte das Anwesen etwa vier Jahrhunderte lang den Rittern von Allendorf.

Residenz von Adelsgeschlechtern (1797 bis 1855) Bearbeiten

1797 erwarb das rheinische Adelsgeschlecht der Langwerth von Simmern den Rittersitz. 1801 ließ Clemens August von Westphalen aus der westfälischen Adelsfamilie von Westphalen zu Fürstenberg den Rittersitz abreißen und den Schlossbau in seiner heutigen Form erbauen.

Wohnsitz der Marianne von Oranien-Nassau (1855 bis 1883) Bearbeiten

Im Jahr 1855 erwarb Marianne von Oranien-Nassau (1810–1883) das Schloss von Clemens August von Westphalen. Sie war eine geborene Prinzessin der Niederlande, die von 1830 bis 1849 mit Prinz Albrecht von Preußen (1809–1872) verheiratet war. Hier ließ sie sich mit ihrem Lebensgefährten Johannes van Rossum (1809–1873), einem bürgerlichen Niederländer, und dem gemeinsamen Sohn Johann Wilhelm von Reinhartshausen (1848–1861) nieder (der Nachname wurde dem Jungen von Herzog Adolph von Nassau verliehen, in Anlehnung an das Schloss Reinhartshausen, in dem er aufwuchs und das er erben sollte). Die Schwangerschaft Mariannes hatte den preußischen und den niederländischen Hof schließlich bewogen, in die von beiden Ehepartnern lange gewünschte Scheidung einzuwilligen (Marianne hatte Albrecht bereits 1845 verlassen, weil er ein außereheliches Verhältnis eingegangen war).[1]

Marianne von Oranien-Nassau machte Schloss Reinhartshausen zu einem kulturellen Anziehungspunkt am Rhein. Sie besaß eine Sammlung von vermutlich über 600 Gemälden, Grafiken und Skulpturen, für die sie Schloss Reinhartshausen um ein Museum, den Galeriebau, erweiterte, der heute nicht mehr existiert. Ein kleiner Teil der Sammlung Prinzessin Mariannes befindet sich noch heute in Schloss und Schlossgarten. Stets beherbergte das Schloss zahlreiche Gäste und bot jungen Künstlern Unterkunft und Raum für ihre Entfaltung. Aufgrund ihres großen sozialen Engagements für Bedürftige erwarb sich Marianne im Rheingau große Sympathien.[2]

1861 schenkte die tief gläubige Protestantin den Erbachern zum Gedenken an ihren mit 12 Jahren an Scharlach verstorbenen Sohn Johann Wilhelm von Reinhartshausen ein Grundstück und 60.000 Gulden für den Bau der ersten evangelischen Kirche im Rheingau, der Evangelischen Johanneskirche. Johann Wilhelm wurde in der Gruft hinter dem Altar der 1865 feierlich eingeweihten Kirche bestattet. 1873 starb Johannes van Rossum, 10 Jahre später Marianne. Beide wurden in einem gemeinsamen Grab auf dem öffentlichen Friedhof in Erbach bestattet, das noch heute zu besichtigen ist. Ihr Wunsch, an der Seite des gemeinsamen Sohnes in der Gruft der Johanneskirche bestattet zu werden, blieb ihnen versagt. Es war zu Auseinandersetzungen mit dem Pfarrer gekommen,[3] wohl aufgrund ihrer unstandesgemäßen Lebensweise.[4] 1896 wurde die Rheinaue vor dem Anwesen zu Ehren Prinzessin Mariannes auf den Namen „Mariannenaue“ umbenannt.

Im Besitz der Preußen (1883 bis 1987) Bearbeiten

Marianne vererbte Schloss Reinhartshausen ihrem Sohn Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906). Allerdings war Reinhartshausen fortan nicht mehr Wohnsitz der Erben, da der Schwerpunkt ihrer ausgedehnten Ländereien sich um Schloss Kamenz in Niederschlesien konzentrierte. Mit Kriegsende 1945 musste der damalige Schlossherr, Waldemar von Preußen (1889–1945), mit seiner Frau und dem Personal aus Kamenz flüchten. Er starb unterwegs im bayerischen Tutzing. Der weitere Fluchtweg führte seine Witwe Calixta Agnes Adelheid geb. Prinzessin zur Lippe-Biesterfeld (1895–1982) als Prinzessin Waldemar nach Schloss Reinhartshausen, dem einzigen Anwesen, das nach dem Krieg von dem Erbe ihres Mannes übrig geblieben war. Die Ehe war kinderlos geblieben. So ging das Schloss nach dem Erbrecht des Hauses Preußen über in die Hände von Friedrich von Preußen (1911–1966), der in England wohnte. Prinzessin Waldemar hatte bis zu ihrem Lebensende freies Wohnrecht in einer Etagenwohnung des Nordflügels. Nach ihrem Tod 1982 wurde sie auf dem Friedhof in Erbach beigesetzt. Bis 1987 blieb das Schloss im Eigentum derer von Preußen, zuletzt in Erbengemeinschaft der drei Söhne Friedrichs, Friedrich Nikolaus, Andreas und Rupert, die es als Administration des Prinzen Friedrich von Preußen weiterführten.

Nutzung seit 1991 Bearbeiten

 
Schloss Reinhartshausen
 
Foyer am Schlosshof

Im Jahr 1987 kaufte Willi Leibbrand (1932–1993), Mitinhaber der Leibbrand-Gruppe und von Goldpfeil, Schloss Reinhartshausen. Er ließ es bis 1991 sanieren,[5] ließ den Mitteltrakt aufstocken und den Westflügel anbauen. Ein neuer hochwassersicherer Weinkeller und ein neues Kellereigebäude entstand sowie ein Aussiedlerhof am Ende der Eberbacher Straße in Erbach. Die Weinberge von Tillmanns’ Erben wurden hinzuerworben.

Joachim Wissler leitete hier von 1991 bis 1999 das Restaurant Marcobrunn (ab 1996 zwei Sterne im Guide Michelin). Von 1999 bis 2004 kochte hier Alfred Friedrich.[6]

Zum 1. März 2013 wurde das Weingut an die Familie Lergenmüller aus Hainfeld (Pfalz) verkauft, die damit zum größten privaten Weinbergebesitzer Deutschlands wurde.[7] Bis Ende 2015 wurde das Hotel durch Kempinski Hotel & Resorts geführt.

2016 übernahm die Hotel Schloss Reinhartshausen GmbH Co. KG das Hotel. Sie plante einen Erweiterungsbau mit 62 Zimmern und einem Baubeginn bis 2017.[8] Das Baupläne wurden verschoben und stattdessen pachtete das französische Unternehmen Châteauform das Schloss. Es wird nun nicht mehr als Hotel, sondern für Unternehmensveranstaltungen wie Konferenzen, Tagungen und Seminare genutzt.[9]

Der Kreisausschuss des Rheingau-Taunus-Kreises beschloss in einer Sondersitzung im März 2022, dass in Hotel Schloss Reinhartshausen etwa 200 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine vorübergehend eine neue Bleibe finden sollen.[10][11]

Zur Zeit (Stand August 2023) wird das Hotel aufwendig renoviert und um dann Ende 2023 wieder zu eröffnen. Es wird weiterhin 53 Zimmer, 3 Restaurants und 13 Tagungsräume haben. Der Investor Dana Qadir stammt aus dem Irak.[12] Als Patron für das Restaurant Marcobrunn wird Tristan Brandt engagiert.[13]

Literatur Bearbeiten

  • Werner Kratz, Leopold Bausinger (überarb.), Gemeinde Erbach/Rheingau (Hrsg.): Erbach im Rheingau. Baudenkmale und Geschichte. 2. Auflage, Druck Meier OHG, Rüdesheim am Rhein 1970
  • Rolf Müller (Hrsg.): Schlösser, Burgen, alte Mauern. Herausgegeben vom Hessendienst der Staatskanzlei, Wiesbaden 1990, ISBN 3-89214-017-0, S. 100.
  • Hartmut Heinemann: Prinzessin Marianne der Niederlande (1810-1883) und der Rheingau. Eine Frau zwischen Tradition und Emanzipation. In: Rheingau-Forum, Band 11/2002, Heft 2, S. 1–11.
  • „Nassau-Oranien, Prinzessin der Niederlande, Marianne Prinzessin von“. Hessische Biografie. (Stand: 21. März 2010). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  • Annette Dopatka: Marianne von Preußen. Prinzessin der Niederlande. Leben und Wirken einer selbstbewußten Frau, für die Schloss Reinhartshausen im Rheingau zum Lebensmittelpunkt wurde. Oberursel 2003.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Schloss Reinhartshausen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Heinemann, Hartmut: Prinzessin Marianne der Niederlande (1810–1883) und der Rheingau – Eine Frau zwischen Tradition und Emanzipation. In: Rheingau-Forum 2/2002, S. 4.
  2. Heinemann, Hartmut: Prinzessin Marianne der Niederlande (1810–1883) und der Rheingau – Eine Frau zwischen Tradition und Emanzipation. In: Rheingau-Forum 2/2002, S. 13/14.
  3. Klipstein, H.U.: Aus den Memoiren einer nassauischen Pfarrersfrau. In: Nassovia 13, 1912, S. 56f.
  4. Heinemann, Hartmut: Prinzessin Marianne der Niederlande (1810–1883) und der Rheingau – Eine Frau zwischen Tradition und Emanzipation. In: Rheingau-Forum 2/2002, S. 10/11.
  5. faz.net: Rheingau auf Kapital und Investoren angewiesen,
  6. Nachfolger für Nobelrestaurant. In: FAZ.NET. 24. Juni 2004, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 4. August 2023]).
  7. Lergenmüller übernimmt Weingut Schloss Reinhartshausen - Falstaff. Abgerufen am 4. Dezember 2023.
  8. Erbacher Fünf-Sterne-Hotel Schloss Reinhartshausen will Neubau mit 62 Zimmern und 15 Apartments errichten - Wiesbadener Tagblatt. 25. Januar 2016, abgerufen am 4. August 2023.
  9. Wiesbadener Kurier: Französische Unternehmensgruppe steigt im Fünf-Sterne-Hotel Schloss Reinhartshausen in Erbach ein. Hrsg.: Rhein Main Presse. Eltville 2. Februar 2017 (wiesbadener-kurier.de [abgerufen am 31. August 2017]).
  10. Oliver Bock: Kriegsflüchtlinge im Rheingau: Wenn Luxussuiten zu Sechsbettzimmern werden. In: FAZ.NET. 29. März 2022, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 7. April 2022]).
  11. Andrea Bonhagen: Geflüchtet aus der Ukraine: In Sicherheit und vor einer Zukunft, die unsicherer ist denn je. In: Hessenschau. 7. April 2022, abgerufen am 7. April 2022 (deutsch).
  12. Auf dem Weg der Wiedereröffnung. 20. Juli 2023, abgerufen am 4. August 2023.
  13. NEUES PROJEKT FÜR TRISTAN BRANDT IM RHEINGAU. Abgerufen am 9. November 2023 (deutsch).

Koordinaten: 50° 1′ 8″ N, 8° 5′ 33″ O