Satz von Lindemann-Weierstraß

mathematischer Satz

Der Satz von Lindemann-Weierstraß ist ein zahlentheoretisches Lehrsatz über die Nichtexistenz von Nullstellen bei gewissen Exponentialpolynomen, woraus dann beispielsweise die Transzendenz der eulerschen Zahl und der Kreiszahl folgt. Er ist benannt nach den beiden Mathematikern Carl Louis Ferdinand von Lindemann und Karl Weierstraß.[A 1]

Der Satz besagt folgendes:[1][2]

Für jede endliche Folge paarweise verschiedener algebraischer Zahlen ist die zugehörige Folge der unter der Exponentialfunktion aus diesen Zahlen gebildeten Funktionswerte linear unabhängig über dem Körper der algebraischen Zahlen.

Das bedeutet:

Hat man irgendeine natürliche Zahl   und dazu zwei beliebige Folgen   algebraischer Zahlen derart, dass für   aus   stets   folgt und mindestens ein   ist, so gilt immer
 .

Historie

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Den oben genannten allgemeinen Satz zeigte Lindemann für den Fall  .[3] Dabei ging er aus von dem Beweis, den im Jahre 1873 Charles Hermite für seinen Satz von Hermite lieferte, wonach die eulersche Zahl   transzendent ist. Zuvor hatte bereits im Jahre 1761 Johann Heinrich Lambert die Vermutung geäußert, dass die Kreiszahl ebenfalls transzendent sei. Lindemann gab damit im Jahre 1882 den endgültigen Beweis für den nach ihm benannten Satz von Lindemann, wonach   eine transzendente Zahl und damit die Quadratur des Kreises unmöglich ist.[4]

Obwohl Lindemann die Ausdehnung seines Resultats auf den allgemeinen Fall andeutete, legte er einen Beweis dafür nicht vor. Weierstraß gab dann im Jahr 1885 einen vollständigen Beweis, womit er die Sache vollendete. Dies erklärt, warum der oben dargestellte Satz den Namen Satz von Lindemann-Weierstraß erhielt.[5]

Im Jahre 1893 griff David Hilbert die Arbeiten von Lindemann und Weierstraß auf und gab einen deutlich vereinfachten Beweis für die Transzendenz der Zahlen   und  , aus dem sich wiederum auch der allgemeine Satz folgern lässt.[6]

In den 1960er Jahren wurde von Stephen Schanuel die nach ihm benannte Vermutung von Schanuel formuliert, deren Bestätigung nicht nur den Lindemann-Weierstraß'schen Satz, sondern auch den Satz von Baker zur Folge hätte und darüber hinaus auch die offene Frage nach der Transzendenz der beiden Zahlen   und   positiv beantwortete.

Folgerungen

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Diese Ergebnisse folgen direkt aus dem obigen Satz.

Transzendenz von e

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Wäre   eine algebraische Zahl, so wäre   Nullstelle eines normierten Polynoms mit rationalen Koeffizienten. Es gäbe also rationale Zahlen  , so dass

 .

Damit wären die ersten   Potenzen von e linear abhängig über   (und damit auch über  ) im Widerspruch zum Satz von Lindemann-Weierstraß.

Transzendenz von π

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Um die Transzendenz der Kreiszahl   zu zeigen, nehmen wir zunächst an, dass   eine algebraische Zahl ist. Da die Menge der algebraischen Zahlen einen Körper bildet, müsste auch   algebraisch sein (  bezeichnet hier die imaginäre Einheit). Nun ist aber

 

im Widerspruch zu linearen Unabhängigkeit von   und  .

Dies zeigt, dass unsere Annahme falsch war, die Kreiszahl   muss also transzendent sein.

Transzendenz der natürlichen Exponential- und Logarithmusfunktion

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  ist für jede algebraische Zahl   transzendent. Wenn dies nicht wäre, dann müsste eine algebraische Zahl   existieren mit:

 

Da die Menge der algebraischen Zahlen einen Körper bildet, ist für jedes algebraische   auch   algebraisch. Nun ist aber:

 

im Widerspruch zu linearen Unabhängigkeit von   und  .

Aus   folgt unmittelbar:   ist für jede algebraische Zahl  , insbesondere jede positive rationale Zahl  , transzendent.

Weil die Menge der algebraischen Zahlen einen Körper bildet, ist für jede algebraische Zahl   auch   algebraisch und somit gilt auch:

  ist für jede algebraische Zahl   transzendent.

Insgesamt gilt:[7]

Für jede komplexe Zahl   ist eine der beiden Zahlen

 

transzendent. (Satz von Hermite-Lindemann)

Transzendenz der Hyperbelfunktionen

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 ,  ,   und   sind für jede algebraische Zahl   transzendent.

Es gilt:

 
 
 
 

Für   und   ist der Beweis derselbe wie für  . Angenommen   oder   wären für   algebraisch, dann müsste eine algebraische Zahl   existieren mit:

 

Da die Menge der algebraischen Zahlen einen Körper bildet, sind für jedes algebraische   auch   und   algebraisch. Nun ist aber:

 

im Widerspruch zu linearen Unabhängigkeit von  ,   und  .

Für   und   werden folgende Identitäten verwendet:

 
 

Angenommen,   wäre für eine algebraische Zahl   algebraisch und die algebraische Zahl  . Die algebraischen Zahlen bilden einen Körper, in dem zusätzlich auch uneingeschränkt radiziert werden kann, d. h. jede Wurzel einer algebraischen Zahl ist selbst algebraisch. Das führt aber bei Verwendung der ersten Identität zu folgendem:

 

Aufgrund der Körperaxiome der algebraischen Zahlen ist für jede algebraische Zahl   der Bruch   algebraisch. Also folgt aus der Annahme,   für eine algebraische Zahl   ist algebraisch, die Aussage   für eine algebraische Zahl   ist algebraisch. Da letzteres bereits falsifiziert ist, gilt:   ist für jede algebraische Zahl   transzendent.
Weil   gilt, folgt hieraus:   ist für jede algebraische Zahl   transzendent.

Transzendenz der trigonometrischen Funktionen

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 ,  ,   und   sind für jede algebraische Zahl   transzendent.

Es gilt:

 
 
 
 

Man verwende, dass für jede algebraische Zahl   auch   und   algebraisch sind, ebenso dass für jede algebraische Zahl   auch   und   algebraisch sind. Der rechnerische Beweis zur Transzendenz der trigonometrischen Funktionen erfolgt dann analog zum Beweis der Transzendenz der Hyperbelfunktionen.

Siehe auch

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Literatur

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Anmerkungen

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  1. Hinsichtlich der Namensgebung besteht nicht immer Einigkeit in der Frage, wie die Einflussnahme der beteiligten Mathematiker auf den Lehrsatz abzugrenzen ist. Im englischen Sprachraum, wie etwa in dem zugehörigen Artikel in der englischsprachigen Wikipedia, spricht man so nicht selten auch vom Hermite–Lindemann–Weierstrass theorem.

Einzelnachweise

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  1. Peter Bundschuh: Einführung in die Zahlentheorie (= Springer-Lehrbuch). 2. Auflage. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 2008, ISBN 3-540-55178-6, S. 259.
  2. Fridtjof Toenniessen: Das Geheimnis der transzendenten Zahlen. Eine etwas andere Einführung in die Mathematik. 2. Auflage. Springer, Berlin 201, ISBN 978-3-662-58325-8, S. 427, doi:10.1007/978-3-662-58326-5.
  3. Fridtjof Toenniessen: Das Geheimnis der transzendenten Zahlen. Eine etwas andere Einführung in die Mathematik. 2. Auflage. Springer, Berlin 201, ISBN 978-3-662-58325-8, S. 427, doi:10.1007/978-3-662-58326-5.
  4. Peter Bundschuh: Einführung in die Zahlentheorie (= Springer-Lehrbuch). 2. Auflage. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 2008, ISBN 3-540-55178-6, S. 258.
  5. Peter Bundschuh: Einführung in die Zahlentheorie (= Springer-Lehrbuch). 2. Auflage. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 2008, ISBN 3-540-55178-6, S. 258 ff.
  6. David Hilbert: Ueber die Transcendenz der Zahlen   und  , Digitalisat, auch Wikibooks
  7. Peter Bundschuh: Einführung in die Zahlentheorie (= Springer-Lehrbuch). 2. Auflage. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 2008, ISBN 3-540-55178-6, S. 258.