Sabine Beinschab

österreichische Meinungsforscherin

Sabine Beinschab (* 1984) ist eine österreichische Unternehmerin, die nach eigenen Angaben Markt- und Meinungsforschung betreibt. Sie ist Gründerin und Geschäftsführerin von Research Affairs, einem Meinungsforschungsinstitut, das sich mit Marktforschung, Motivforschung und Strategieberatung befasst.[1] Im Oktober 2021 wurde sie in Zusammenhang mit „Geldflüssen gegen geschönte Umfragen“ (ÖVP-Korruptionsaffäre) in der Zeit vor der Übernahme der Kanzlerschaft durch die ÖVP im Jahre 2017 gebracht.[2][3] Ihre Qualitätsstandards als Meinungsforscherin sind umstritten.[4][5][6]

Studium und Karriere Bearbeiten

Sabine Beinschab studierte Produktmarketing und Projektmanagement sowie Innovationsmanagement an der Fachhochschule Wiener Neustadt (Campus Wieselburg) und schloss dort mit dem akademischen Grad Master of Arts in Business ab. Nach diesem Abschluss studierte sie an der Privatuniversität Schloss Seeburg weiter.[7]

Seit dem Jahr 2007 arbeitet Sabine Beinschab als Markt- und Motivforscherin. Bis April 2015 war sie Mitarbeiterin von Sophie Karmasin in deren Unternehmen Karmasin Motivforschung. Darüber hinaus ist sie als empirische Partnerin bei Karmasin Behavioural Insights (Helene Karmasin) tätig und rief mit ihrem Unternehmen Research Affairs und Helene Karmasin das gemeinsame Projekt Vienna Insights ins Leben.

Im September 2015 machte sich Sabine Beinschab als Markt- und Meinungsforscherin[8] selbstständig. Im November 2019 gründete sie das Marktforschungsinstitut Research Affairs[9] als 100%iges Tochterunternehmen der Beinschab Business GmbH.[10] (Unternehmensgegenstand: Immobilien), das auch Umfragen im Auftrag der Mediengruppe Österreich durchführt.[11]

Sonntagsfrage und Wahlanalysen Bearbeiten

Die in der Zeitung Österreich veröffentlichten Ergebnisse der Sonntagsfrage wurden bis 2016 vom österreichischen Gallup-Institut erhoben. Die ehemalige Inhaberin des Instituts Sophie Karmasin legte schon am 17. Dezember 2013 die Geschäftsführung nieder, nachdem sie als parteilose Ministerin auf Vorschlag der ÖVP in die Bundesregierung Faymann II berufen worden war. Ihre Anteile am Österreichischen Gallup-Institut wurden 2014 verkauft. Sabine Beinschab, die langjährige Mitarbeiterin von Sophie Karmasin, die auch an den Umfragen beteiligt war, wurde am 11. April 2015 bei Gallup entlassen. Die Meinungsumfragen, die von der Mediengruppe Österreich beauftragt und bezahlt worden waren, wurden im Zuge der Einführung neuer Qualitätsstandards von Gallup im Jahr 2016 eingestellt.[12]

Ab Jänner 2017 wurden diese Umfragen dann von Research Affairs, dem Unternehmen von Sabine Beinschab, durchgeführt. Darüber hinaus wurden auch Studien zu anderen Themen, die politisch relevant waren, durchgeführt. Sie wurden in der Tageszeitung Österreich veröffentlicht sowie im Programm des Senders Oe24.TV kommentiert. Dabei trat Sabine Beinschab auch selbst als Kommentatorin auf, beispielsweise bei der Wien-Wahl 2020.[13]

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe distanzierte sich der Verband der Markt- und Meinungsforschungsinstitute Österreichs von den Methoden des Unternehmens und betonte, dass niemals eine Mitgliedschaft bestanden habe.[14]

Korruptionsaffäre um die Kanzlerpartei ÖVP Bearbeiten

 
Rollenverteilung der Beschuldigten[15]

Am 6. Oktober 2021 wurden ihr und neun weiteren Personen von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Untreue in einer die Schadenssumme von 300.000 Euro übersteigenden Höhe als Beteiligte und Bestechung als Beteiligte vorgeworfen.[16][17]

Sie soll dabei mit dem damaligen Generalsekretär des Finanzministeriums Thomas Schmid und ihrer Geschäftspartnerin Sophie Karmasin eine Vereinbarung geschlossen haben (das sogenannte „Beinschab Österreich Tool“), wonach sie parteipolitisch motivierte und manipulierte Umfragen durchführt und deren Veröffentlichung in der Tageszeitung Österreich veranlasst habe. Diese Meinungsumfragen sollten insbesondere die Unbeliebtheit des damaligen ÖVP-Obmanns Reinhold Mitterlehner überzeichnet darstellen und den Lesern suggerieren, dass die ÖVP mit dem damaligen Außenminister Sebastian Kurz als Spitzenkandidat wesentlich bessere Wahlergebnisse erzielen würde. Auf Wunsch von Thomas Schmid soll sie dafür dem Finanzministerium Scheinrechnungen für angebliche Studien (unter anderem zum Thema „Betrugsbekämpfung“) gelegt haben.[17] Diese Studien sind bis heute nicht auffindbar.[18]

Am 12. Oktober 2021 wurde Sabine Beinschab wegen Verdunkelungsgefahr festgenommen.[19] Grund für den schnellen Zugriff der Exekutive war, dass sie nur wenige Stunden vor der Hausdurchsuchung in der ÖVP-Inseratenaffäre am 6. Oktober 2021 Chats mit anderen Beschuldigten gelöscht hatte, Daten von der Festplatte eines Computers zu löschen versuchte und sich darüber zuvor auch im Internet informierte.[20] Nach einer Nacht in Arrest im Stadtpolizeikommando Wien-Meidling erklärte sie sich zur Aussage bereit.[21][22]

Am 13. Oktober 2021 sicherte sie der WKStA Kooperation zu und künftig den Kontakt zu anderen Beschuldigten zu meiden, daraufhin wurde sie von WKStA-Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic enthaftet und eine Untersuchungshaft wurde nicht beantragt.[23] In dem Großverfahren, das zum Rücktritt von Kurz als Bundeskanzler führte, war Beinschab die erste Beschuldigte, von der bekannt wurde, dass sie mit den Behörden zusammenarbeitete.[24][25]

Im Februar 2022 wurde bekannt, dass sich Beinschab in ihren Einvernahmen durch die Staatsanwaltschaft geständig zeigte und die Verwicklung in ein korruptives System der ÖVP mit manipulierten Umfragen einräumte.[26] Sie erhielt schließlich den Kronzeugenstatus.[27][28][29]

Preisabsprachen Bearbeiten

Am 2. März 2022 wurde die ehemalige ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin nach gerichtlicher Bewilligung vorübergehend festgenommen. In der Festnahmeanordnung wurde ihr unter Verweis auf „bisherige Beweisergebnisse“ als „Urheberin und maßgebliche Ideengeberin hinsichtlich der ‚Entwicklung‘ des ‚Beinschab-Österreich-Tools‘“ eine wesentliche Rolle zugeschrieben.

Dazu wurden auch „neu hervorgekommene Preisabsprachen“ untersucht.[30] Aufgrund der Aussagen von Sabine Beinschab beschuldigt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Sophie Karmasin der Kartellbildung. Sie soll sich in den Jahren 2019 bis 2021 mit Sabine Beinschab und einer weiteren, wenig bekannten Meinungsforscherin abgesprochen haben, Scheinangebote für Studien an das Bundesministerium für öffentlichen Dienst und Sport zu legen, in denen Karmasin letztlich als Bestbieterin erschien und zwei von drei Aufträgen bekam. Den dritten zog sie abgeblich im Jahr 2021 selbst zurück. Bei Ausschreibungen durch öffentliche Stellen müssen jeweils mindestens drei Angebote eingeholt werden, von denen der Bestbieter den Auftrag erhält. Als Gegenleistung bekam Sabine Beinschab von Sophie Karmasin Subaufträge. Die dritte Anbieterin hat ihren Firmensitz an derselben Adresse, an der auch „Karmasin Research & Identity“ residiert.[31]

Nach ihrer Festnahme am 2. März 2022 wurde am 4. März 2022 über Sophie Karmasin die Untersuchungshaft verhängt. Als Haftgrund wurde Tatbegehungsgefahr sowie Verdunkelungsgefahr angegeben. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hegte schwere Verdachtsmomente gegen Sophie Karmasin und befürchtete, dass sie Zeugen beeinflussen oder Beweise vernichten könnte.[32] Am 28. März 2022 wurde Karmasin unter Auflagen wieder aus der Haft entlassen.[33]

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Mit den richtigen Fragen zu besseren Antworten. In: ResearchAffairs.at. Abgerufen am 14. Oktober 2021.
  2. Razzien. ÖVP-Zentrale und Kanzleramt durchsucht. In: ORF.at. 6. Oktober 2021, abgerufen am 14. Oktober 2021.
  3. Barbara Eidenberger: „Wer zahlt schafft an. Ich liebe das“. In: Nachrichten.at. 7. Oktober 2021, abgerufen am 14. Oktober 2021.
  4. ÖVP-Korruptionsaffäre. „Die Causa ist schockierend“ – Erster Marktforschungsverband äußert sich. In: Marktforschung.de. 15. Oktober 2021, abgerufen am 1. November 2021.
  5. Meinungsforscherin Beinschab enthaftet. Kollegen distanzieren sich von Beinschab. In: Wienerzeitung.at. 14. Oktober 2021, abgerufen am 1. November 2021.
  6. Sabine Hedewig-Mohr: So geht es in der Korruptionsaffäre weiter. In: Horizont.net. 14. Oktober 2021, abgerufen am 1. November 2021.
  7. Mehr als nur ein Job. In: Beinschab.com. Abgerufen am 14. Oktober 2021.
  8. Sabine Beinschab in Velden. In: FirmenABC.at. Abgerufen am 14. Oktober 2021.
  9. BB Research Affairs GmbH in Wien. In: FirmenABC.at. Abgerufen am 14. Oktober 2021.
  10. Beinschab Business GmbH in Wien. In: FirmenABC.at. Abgerufen am 14. Oktober 2021.
  11. ÖVP-Korruptionsaffäre. Die Beschuldigten und die Vorwürfe. In: ORF.at. 7. Oktober 2021, abgerufen am 14. Oktober 2021.
  12. Aus gegebenem Anlass stellen wir klar: … In: Gallup.at. Abgerufen am 14. Oktober 2021.
  13. Wien-Wahl: Sabine Beinschab über Briefwahl. In: Youtube.com. Abgerufen am 14. Oktober 2021 (Sabine Beinschab im Gespräch mit Wolfgang Fellner über die Wiener Wahlen auf OE24TV am 11. Oktober 2020).
  14. Causa ÖVP: Meinungsforscher distanzieren sich von Beinschab. In: Kurier.at. 14. Oktober 2021, abgerufen am 15. Oktober 2021.
  15. kontrast.at: ÖVP-Korruptionsaffäre / Die Vorwürfe: Veruntreuung, Bestechung und gekaufte Medien In: kontrast.at. 2. November 2021, abgerufen am 29. Jänner 2022.
  16. Anna Thalhammer: Hausdurchsuchungen im Bundeskanzleramt und in der ÖVP-Zentrale. In: DiePresse.com. 6. Oktober 2021, abgerufen am 14. Oktober 2021.
  17. a b Florian Klenk: Die „Österreich“-Affäre. In: Falter.at. 6. Oktober 2021, abgerufen am 14. Oktober 2021.
  18. András Szigetvari: Ermittlungen gegen Kurz: Wo sind die vom Finanzministerium beauftragten Studien geblieben? In: derStandard.at. 8. Oktober 2021, abgerufen am 14. Oktober 2021.
  19. ÖVP-Ermittlungen: Meinungsforscherin enthaftet. In: ORF.at. 14. Oktober 2021, abgerufen am 14. Oktober 2021.
  20. Beinschab sichert Ermittlern Unterstützung zu. In: ORF.at. 29. Oktober 2021, abgerufen am 1. November 2021.
  21. Kärntner Meinungsforscherin festgenommen. In: kaernten.ORF.at. 12. Oktober 2021, abgerufen am 14. Oktober 2021.
  22. Zugriff in Nobelbezirk. Kurz-Skandal: Meinungsforscherin festgenommen. In: Krone.at. 12. Oktober 2021, abgerufen am 14. Oktober 2021.
  23. ÖVP-Ermittlungen: Beinschab wurde enthaftet. In: Vienna.at. Russmedia Digital GmbH, 14. Oktober 2021, abgerufen am 14. Oktober 2021.
  24. Inseratenaffäre. Meinungsforscherin Sabine B. beantragte Kronzeugenstatus. In: derStandard.at. 29. Oktober 2021, abgerufen am 1. November 2021.
  25. Oliver Das Gupta: Korruptionsaffäre in Österreich. Mitbeschuldigte Meinungsforscherin packt gegen Ex-Kanzler Kurz aus. In: Spiegel.de. 29. Oktober 2021, abgerufen am 1. November 2021.
  26. ORF.at Newsroom. Abgerufen am 26. Februar 2022.
  27. Causa Umfragen: Sabine Beinschab wurde Kronzeugin. Abgerufen am 26. September 2022 (österreichisches Deutsch).
  28. raffaela.lindorfer,michael.hammerl: Wie sich Beinschab ihren Kronzeugenstatus erarbeitete. 3. August 2022, abgerufen am 26. September 2022.
  29. ORF at/Agenturen red: Medienberichte: Beinschab erhält Kronzeugenstatus. 3. August 2022, abgerufen am 26. September 2022.
  30. ORF.at/Agenturen red.: Ex-Ministerin Karmasin festgenommen. In: orf.at. 3. März 2022, abgerufen am 3. März 2022.
  31. Anna Thalhammer: Festnahme: Ex-Ministerin Karmasin soll ein Kartell gebildet haben. In: DiePresse.com. 3. März 2022, abgerufen am 3. März 2022.
  32. Fabian Schmid: Erstmals U-Haft für Ex-Ministerin: Was die Causa Karmasin für Kurz und die ÖVP bedeutet. In: derstandard.at. 4. März 2022, abgerufen am 4. März 2022.
  33. spiegel.de