Rootkit
Ein Rootkit (englisch etwa: „Administratorenbausatz“; root ist bei unixähnlichen Betriebssystemen der Benutzer mit Administratorrechten) ist eine Sammlung von Softwarewerkzeugen, die nach dem Einbruch in ein Softwaresystem auf dem kompromittierten System installiert wird, um zukünftige Anmeldevorgänge (Logins) des Eindringlings zu verbergen und Prozesse und Dateien zu verstecken.
Der Begriff ist heute nicht mehr allein auf unixbasierte Betriebssysteme beschränkt, da es längst auch Rootkits für andere Systeme gibt. Antivirenprogramme versuchen, die Ursache der Kompromittierung zu entdecken. Zweck eines Rootkits ist es, Schadprogramme („malware“) vor den Antivirenprogrammen und dem Benutzer durch Tarnung zu verbergen.
Eine weitere Sammlung von Softwarewerkzeugen oder Bootloadern ist das „Bootkit“.
Geschichte
BearbeitenDie ersten Sammlungen von Unix-Tools zu den oben genannten Zwecken bestanden aus modifizierten Versionen der Programme ps, passwd usw., die dann jede Spur des Angreifers, die sie normalerweise hinterlassen würden, verbergen und es dem Angreifer so ermöglichten, mit den Rechten des Systemadministrators root zu agieren, ohne dass der rechtmäßige Administrator dies bemerken konnte.
Backdoor-Funktionalitäten
BearbeitenEin Rootkit versteckt normalerweise Anmeldevorgänge, Prozesse und Logdateien und enthält oft Software, um Daten von Terminals, Netzwerkverbindungen und Tastaturanschläge und Mausklicks sowie Passwörter vom kompromittierten System abzugreifen. Hinzu können Backdoors (Hintertüren) kommen, die es dem Angreifer zukünftig vereinfachen, auf das kompromittierte System zuzugreifen, indem beispielsweise eine Shell gestartet wird, wenn an einen bestimmten Netzwerkport eine Verbindungsanfrage gestellt wurde. Die Grenze zwischen Rootkits und Trojanischen Pferden ist fließend, wobei ein Trojaner eine andere Vorgehensweise beim Infizieren eines Computersystems besitzt.
Technische Umsetzung
BearbeitenDas Merkmal eines Rootkits ist es, dass es sich ohne Wissen des Administrators installiert und dem Angreifer so ermöglicht, die Computeranlage unerkannt für seine Zwecke zu nutzen. Dies sind u. a.:
- Das Belauschen oder allgemein der Diebstahl von Daten (z. B. Zugangskennungen, technische Unterlagen, Betriebsgeheimnisse).
- Das Installieren von z. B. Viren, um weitere Anlagen anzugreifen.
- Die Möglichkeit zum Distributed-Denial-of-Service (engl. für verteilte Diensteblockade).
Rootkits können neue Hintertüren („backdoors“) öffnen. Zudem versuchen Rootkits, den Weg ihres Einschleusens zu verschleiern, damit sie nicht von anderen entfernt werden.
Application-Rootkits
BearbeitenApplication-Rootkits bestehen lediglich aus modifizierten Systemprogrammen. Wegen der trivialen Möglichkeiten zur Erkennung dieser Art von Rootkits finden sie heute kaum noch Verwendung.
Heutzutage finden sich fast ausschließlich Rootkits der folgenden drei Typen:
Kernel-Rootkits
BearbeitenKernel-Rootkits ersetzen Teile des Kernels durch eigenen Code, um sich selbst zu tarnen („stealth“) und dem Angreifer zusätzliche Funktionen zur Verfügung zu stellen („remote access“), die nur im Kontext des Kernels („ring-0“) ausgeführt werden können. Dies geschieht am häufigsten durch Nachladen von Kernel-Modulen. Man nennt diese Klasse von Rootkits daher auch LKM-Rootkits (LKM steht für engl. „loadable kernel module“). Einige Kernel-Rootkits kommen auch ohne LKM aus, da sie den Kernelspeicher direkt manipulieren. Unter Windows werden Kernel-Rootkits häufig durch die Einbindung neuer .sys-Treiber realisiert.
Ein solcher Treiber kann Funktionsaufrufe von Programmen abfangen, die beispielsweise Dateien auflisten oder laufende Prozesse anzeigen. Auf diese Weise versteckt das Rootkit seine eigene Anwesenheit auf einem Computer.
Userland-Rootkits
Bearbeiten„Userland-Rootkits“ sind vor allem unter Windows populär, da sie keinen Zugriff auf der Kernel-Ebene benötigen. Sie stellen jeweils eine DLL bereit, die sich anhand verschiedener API-Methoden (SetWindowsHookEx, CreateRemoteThread) direkt in alle Prozesse einklinkt. Ist diese DLL einmal im System geladen, modifiziert sie ausgewählte API-Funktionen und leitet deren Ausführung auf sich selbst um („redirect“). Dadurch gelangt das Rootkit gezielt an Informationen, welche dann gefiltert oder manipuliert werden können.
Speicher-Rootkits
BearbeitenSpeicher-Rootkits existieren nur im Arbeitsspeicher des laufenden Systems. Nach dem Neustart („reboot“) des Systems sind diese Rootkits nicht mehr vorhanden.
Virtualisierungs-Rootkits
BearbeitenFast alle gängigen Server-, PC- und Laptop-Prozessoren besitzen heute Hardware-Funktionen, um Programmen einen virtuellen Prozessor vorzugaukeln. Dies wird häufig genutzt, um auf einer physikalischen Computeranlage mehrere auch unter Umständen verschiedene Betriebssysteme parallel betreiben zu können. Virtual Machine Based Rootkit (VMBR)s sind Rootkits, die ein vorhandenes Betriebssystem in eine virtuelle Umgebung verschieben. Dadurch ist das Betriebssystem in der virtuellen Umgebung gefangen. Die virtuelle Umgebung ist somit eine Software-Ebene unter dem Betriebssystem, was ein Erkennen des VMBR stark erschwert.
Machbarkeitsnachweise für diese Technik lieferten Joanna Rutkowska mit dem Programm Bluepill sowie Microsoft Research mit dem Programm SubVirt. Bluepill kann, im Gegensatz zu SubVirt, ohne Neustart des zu infizierenden Computers installiert werden. Der Name Bluepill (englisch für „blaue Pille“) ist eine Analogie zum Film Matrix.
Prominente Rootkits der letzten Jahre
Bearbeiten- Die Firma Sony BMG kam in die Schlagzeilen und musste diverse Musik-CDs zurückrufen, nachdem bekannt geworden war, dass sich der von Sony eingesetzte Kopierschutz XCP („Extended Copy Protection“) für Musik-CDs mit Methoden eines Rootkits in Windows-Systemen einnistete. Obwohl selbst kein Virus bzw. Trojanisches Pferd, eröffnet allein dessen Existenz weiteren Schadprogrammen Tür und Tor.[1]
- Zwischenzeitlich gab es auch einen USB-Stick mit Fingerabdruckscanner[2] von Sony, dessen Software zur vollen Funktionsfähigkeit ein Rootkit im Windows-Verzeichnis versteckte. Allerdings wurde einer Pressemitteilung von Sony zufolge die Produktion und der Vertrieb dieses USB-Sticks Ende August 2007 wieder eingestellt.[3]
- Die Firma Kinowelt verkaufte und verlieh 2006 in deutschsprachigen Ländern DVDs mit einem von Settec entwickelten Kopierschutz, der unter Windows ebenfalls ein Userland-Rootkit zum Verstecken von Prozessen installiert.[4]
- Forscher der University of Michigan haben eine Variante entwickelt, virtuelle Maschinen als Rootkits („Virtual Machine Based Rootkits“) zu verwenden. Die Arbeit an diesem Projekt mit Namen SubVirt wurde unter anderem von Microsoft und Intel unterstützt. Das Rootkit, das mittlerweile von Wissenschaftlern und Microsoft-Mitarbeitern entwickelt wurde, sollte auf dem „IEEE Symposium on Security and Privacy“ im Mai 2006 präsentiert werden.
- Auf der Konferenz Black Hat im Januar 2006 wurde ein möglicher Rootkit-Typ vorgestellt, der selbst eine Neuinstallation des Betriebssystems oder ein Neuformatieren der Festplatte überlebt, indem er das ACPI („Advanced Configuration and Power Interface“) manipuliert oder sich im PC-BIOS festsetzt.[5]
- Die Firma EA hat in ihrem im September 2008 veröffentlichten Spieletitel Spore im DRM-Paket des Programms ein Rootkit mit dem Zweck eingesetzt, den Kopierschutz mit Online-Authentifizierung vor dem Benutzer zu verbergen. Darüber ist eine bis jetzt noch kontroverse Diskussion entstanden.[6]
- Die fix im PC-BIOS von vielen Laptops und Desktop-PC enthaltene Fernwartungssoftware Computrace, welche der Diebstahlsicherung von Endgeräten dienen soll und ein Rootkit darstellt.[7]
Entfernung von Rootkits
BearbeitenDa eine hundertprozentige Erkennung von Rootkits unmöglich ist, ist die beste Methode zur Entfernung die vollständige Neuinstallation des Betriebssystems.[8] Da sich bestimmte Rootkits im BIOS verstecken, bietet selbst diese Methode keine hundertprozentige Sicherheit über die Entfernung des Rootkits.[9] Um eine Infizierung des BIOS im Voraus zu verhindern, sollte das BIOS hardwareseitig mit einem Schreibschutz versehen werden, z. B. durch einen Jumper auf der Hauptplatine.
Jedoch gibt es für viele Rootkits von offiziellen Herstellern (z. B. das Sony Rootkit) Programme zur Erkennung und Entfernung.
Siehe auch
BearbeitenWeblinks
Bearbeiten- c't-Artikel „Kostenloser Spürhund, RootkitRevealer spürt Hintertüren auf“ vom 4. April 2005 zu Rootkits unter Windows XP (siehe auch www.heise.de/security/artikel/38057/0)
- SonyBMGs digitaler Hausfriedensbruch – Ein Review der Ereignisse
- 10 Dinge, die Sie über Rootkits wissen sollten Website diagramm.net, Stand: November 2008. Abgerufen am 12. Juni 2016.
- Rootkit infiltriert Beta-Version von Windows Vista auf heise online
- https://www.heise.de/security/meldung/Microsoft-demonstriert-Virtualisierungs-Rootkit-110190.html – Microsoft demonstriert Virtualisierungs-Rootkit auf heise Security
- http://bluepillproject.org (nicht mehr verfügbar) – Homepage des Blue Pill Projektes mit Quellcode des Virtualisierungs-Rootkits
- http://blog.invisiblethings.org/ – Homepage von Joanna Rutkowska
- http://www.stealthware.org (nicht mehr verfügbar) – Homepage des Buchs Virtual Machine Based Rootkits von E. Hermann, R. Kolmhofer u. a.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ www.heise.de/newsticker/Sony-BMGs-Kopierschutz-mit-Rootkit-Funktionen--/meldung/65602 Heise Verlag
- ↑ Golem.de „Sonys USB-Sticks mit Rootkit-Funktion“
- ↑ GameStar.de ( des vom 3. September 2007 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. „Sony: Produktion der USB-Sticks mit Rootkit wieder eingestellt“
- ↑ DVD-Kopiersperre Alpha-DVD: Update oder Uninstaller - heise.de
- ↑ www.heise.de Wieder einmal: Rootkit im PC-BIOS
- ↑ heise.de Spore: Ärger über Kopierschutz
- ↑ Altfredo Ortega, et al.: Deactivate the Rootkit: Attacks on BIOS anti-theft technologies. Core Security Technologies, 24. Juni 2009, abgerufen am 6. Mai 2022.
- ↑ technet.microsoft.com Sysinternals über die Entfernung von Rootkits
- ↑ Jürgen Schmidt: Hacking Team verwendet UEFI-Rootkit. heise.de, 14. Juli 2015, abgerufen am 6. August 2015.