Rewa Kantha Agency

historischer Staat

Die Rewa Kantha Agency waren eine 1821–26 geschaffene administrative Gruppierung von indischen Fürstenstaaten, davon sechs größeren und 55 Zwergstaaten, zur Zeit der britischen Kolonialherrschaft. Im Süden grenzte sie an die Mewas, Teil des Distrikts Khandesh. Die Gesamtfläche betrug 12.877 km². Die geographische Lage war etwa zwischen 21° 23' und 23° 33' N sowie 73° 3' und 74° 20' Ost. Die Agency wurde später Teil der Western India States Agency.

Geschichte Bearbeiten

Die meisten der Fürstentümer, die in dieser Agency zusammengefasst waren, kamen infolge des dritten Mahrathenkriegs unter britische Kontrolle. Die Briten verpflichteten sich in mehreren Protektoratsverträgen, den Schutz der Fürsten zu übernehmen. Dies waren das Walker Settlement 1807-8 (Kathiawar), das Mahi Kantha Settlement 1811–12, das Rewa Kantha Settlement 1812–14 sowie die Verträge von Palanpur (1813) und Rhadanpur (1820).

Ein großer Teil der Bevölkerung waren Angehörige von Stammesvölkern, so genannte tribals, meist den Völkern der Bhil und Koli zugehörig. Die gesamte Region war stark von den Hungersnöten 1896-8 und 1899–1902 betroffen; einzelne Bezirke hatten Bevölkerungsrückgänge von 40–60 % zu verzeichnen. Die erste nach modernen Prinzipien durchgeführte Volkszählung[1] 1901 ergab 479.065 Einwohner.

Die Landschaft ist hügelig, wird nach Süden hin flacher. Der Boden ist im Allgemeinen fruchtbar und erlaubt zwei Ernten im Jahr. Die wichtigsten Flüsse sind Narbadā und Mahī.

Das Gebiet wurde, nach der Unabhängigkeit Indiens, gemäß den Bestimmungen des States Reorganisation Act Teil des Bundeslandes Bombay und gehört seit 1960 zu Gujarat.

Organisation Bearbeiten

Der zuständige oberste britische Kolonialbeamte (agent) residierte in Godhra und war gleichzeitig für die Steuererhebung im Distrikt Panch Mahals zuständig. Die Agency unterstand der Regierung der Bombay Presidency. Der bedeutendste Staat war Rajpipla, als „Staaten 2. Klasse“ galten Bālāsinor, Chhota Udaipur, Bariya, Sunth, Lūnāvāda, und Balaimor. Deren Herrscher hatten das Recht der Blutsgerichtsbarkeit über ihre Untertanen. Am Amtssitz der Residenten, mit ihm als Vorsitzenden, gab es einen Court of Session als Obergericht.

Die Tribute wurden in Verträgen 1822–26 festgeschrieben.[2] Bis auf drei waren alle Ländchen dem Gaekwar (G) von Baroda, zugleich oft den Briten (B), tributpflichtig. Bis 1842 wurden die administrativen Zuständigkeiten mehrmals geändert. In jenem Jahr wurde die Position des Political Agent wieder eingerichtet und die Befugnisse der Fürsten als Gerichtsherrn in verschiedene Klassen gegliedert. Die Ansprüche vieler Chiefs (Eigentümer) auf Anteile der Einnahmen von Dörfern auch außerhalb ihrer Territorien waren vielfach verflochten – entweder erbrechtlich oder zum Schuldendienst. Die Panch Mahals wurden zunächst für zehn Jahre vom Scindia der britischen Verwaltung unterstellt, die im Rahmen eines Gebietstausches 1862 endgültig die direkte Herrschaft bekamen. Zwei Jahre später wurde dieser Bezirk als eigene Einheit (1876 eigner Distrikt) von der Agency abgetrennt. 1868 kam es zum Aufstand der Naikda, die bereits 1838 rebelliert hatten,[3] unter Führung von Joria Bhagat, der einen Gottesstaat (dharma-raj) zu errichten versuchte. Die eigentliche Rebellion organisierte Rupsing Gobar, der ein „Naikda-Königreich“ (nur teilweise in der Agency) gründete und Steuern erhob.

Der Rest teilte sich in die Sankheda Mehwās (21°49' bis 22°5' N, 73° bis 74°10' O; ca. 800 km², 27 Domänen). Die dort ansässigen Rajputen-Familien wanderten zur Zeit der Bedrohung von Pāvāgad (1482–84) durch die Truppen von Mahmud Begada des Sultanats Gujarat in die schwer zugängliche Region. Die Herren von Vajiria, Agar, Uchād und Jirāl traten zum Islam über.

Die 26 Domänen der Pāndu Mehwās bildeten mit 355 km² einen etwa 80 km langen Streifen, dem Lauf des Māhi folgend. Von den 1872 41.618 Einwohnern, die in 154 Dörfern lebten, waren über 96 % Hindus. Sieben der Ländchen standen unter indigenen chiefs vom Volke der Koli und wurden jeweils von mehreren gleichberechtigten Eigentümern verwaltet. Dorka, Raika und Anghad wurden auch als Dorka Mehās zusammengefasst. Die Koli betätigten sich von Alters her auch als Räuber und überfielen die Orte der Nachbarschaft. Schutzverträge mit den Briten wurden 1812–25 geschlossen. Die Anerkennung eines Chefs hing davon ab, ob er Tribut (üblicherweise an Baroda) zahlte.

Land[4] Bevölkerung (Tsd.)[5] Fläche (km²[6]) Steueraufkommen 1903/04 (Rs.)
(Tribut[7])
Herrschertitel[8], Anmerkungen
Agar 1901: 1,4 43 10700 (143 G) Thākur. Gebietsverluste im 19. Jh. an jüngere Söhne der Herren von Vanmāla und Sindiapura sowie durch Verpfändung an Virpur.
Alwa (= Alva) 1901: 0,8 13 5577 (52) Thākur
Amrāpur[9] 1901: 0,251 5 434 (155 G) 4 Eigentümer, wohl Abspaltung von Sihora, dessen Gebiet es teilt.
Anghat 1901: 2,2 11 5181 (1433 G) 6 Eigentümer (Koli). Das Dorf wurde nach dem Sepoy-Aufstand zwangsweise in offneres Gelände verlegt, da die sich Einwohner als äußerst kämpferisch gezeigt hatten.
Bālāsinor (= Vādāsinor) 1891: 46 ca. 487 1870er: 40000 Nawab Babi
Bampur 7 1875: 4100 (1422 G)
Bāriya (= Baria) 1901: 81,5 2100 1870: 75000, 1903: 200000 Raja Maharawal
Bhādavar 1891: 9,2, 1901: 8,7 70 35600 (14300 G) Raja. Die ehemals größere Herrschaft musste Gebiete an die muslimischen und Mahraten-Eroberer abgeben. Etliche der verbliebenen 33 Dörfer wurden wegen Schulden verpfändet.
Bhilodia Chhatrasinghji 1901: 0,732 11,5 5699 (933 G)
Bhilodia Motisinghji 1901: 0,789 11,5 8866 (933 G)
Bihora 1901: 0,159 < 2 1643 (39 G) Thākur. Abspaltung von Vajiria.
Chhāliar 1901: 2 ca. 20 7562 (2616 G) Rawal. Alte Domäne von Chohān-Rajputen mit 1880 24 Dörfern und Weilern. Rājpar und Vakhtāpur sind Abspaltungen jüngerer Linien.
Chorāngla 1891: 1,3 10 5029 (73 G) Rawal. 1882 noch 41 km² mit 17 Dörfern geteilt unter 6 Eigentümern: Chorāngla mit 8 Dörfern, Deroli 1 Dorf, Sarsauda 3 Dörfer, Vardle und Timbi je 2 Dörfer sowie als Exklave das Dorf Ghelpur.
Chudessar 1901: 1,4 4,1 2695 (239 G) Die vier Dörfer unterstanden 1875 2 Chiefs und 14 weiteren sub-Eigentümern.
Chhota Udaipur 1891: 71, 1941: 145 2252 1904: 215391 (7806 G), 1941: 1,1 Mio. Raja Maharawal
Devalia (kein Tribut)
Dhāri[10] 1901: 0,82 9,7 2121 (731 G) 6 Eigentümer von 7 Dörfern.
Dorka 1901: 0,9 7,5 4703 (850 G) Am Mahi zwischen Bhādavar und Raika.
Dudhpur 1901: 0,11 4,5 679 (27 G) Thākur
Gad Boriad (= Garh) 1901: 3 ca. 330-40 9377
(365 an Chotta Udaipur)
Thākur
Gotardi 1901: 0,23 3 (1 Dorf) 478 (327 G) 1 Dorf, 3 Weiler. 4 Koli-Chiefs.
Itwad (= Itvād) 1901: 0,84 15,5 1152 (462 G) 4 Eigentümer für 11 Dörfer.
Jesar 1901: 0,313 < 4 433 (116 G) 4 Eigentümer.
Jiral Kāmsoli 1901: 0,67 13 4852 (256 G) 3 Eigentümer.
Jumkha 1901: 0,145 < 2,5 (1 Dorf) 335 (39 G) (Häuptling ohne Titel), am Zusammenfluss von Karad und Goma, wohl Abspaltung von Sihora
Kadāna 1901: 9,6 335 18683 (0)
Kāmsoli 15½ 1875: 8795 (400 G) Viergeteilte Herrschaft: Moti, Nhani, Jiral und Alwa, Letzteres etwa die Hälfte der Gesamtfläche jedoch mit 67 Rs. dem niedrigsten Tribut.
Kanora 1901: 884 < 10 1582 (1232 G) 8 Eigentümer, 7 Dörfer, wohl Abspaltung von Sihora
Kasla Pagi und Moka Pakina Muvāda 1901: 0,041 (!) < 2,5 159 (50 G) 2 Dörfer mit 5 bzw. 2 Eigentümern
Lunawara (= Lūnāvāda)[11] 1891: 76, 1901: 64, 1941: 95 1001 178701 (5001 G, 9231 B) Maharana
Litter Gothda (= Gothra) 1901: 0,416 3 (1 Dorf) 654 (155 G) Chief. 2 Dörfer mit 5 bezw. 2 Eigentümern.
Māndwa 1901: 4,9 18 (42,5[12]) 32533 (1704 G) Rana. Mehrmals unter Zwangsverwaltung wegen Überschuldung, Hauptort am Zusammenfluss von Narmada und Orsang wichtige Pilgerstätte.
Mevali 1901: 0,9 13 1603 (1155 G) Koli-Chiefs. 1 Dorf, 4 Weiler.
Mokha Pagina Muvāda 1901: 0,096 < 2,5 445 (1/Kopf G)
Nāngām 1901: 0,367 7 1834 (995 G)
Nalia 1901: 0,056 < 2,5 270 (28 G) 2 Eigentümer.
Nara (= Nārhāra) 1901: 0,28 7 96 (19 G) Zwei Teile, geteilt von Jumkha, 2 Eigentümer, 5 Dörfer.
Nārukot 1882: 6,4; 1901: 5,6 369 15049 (32 G) Chief (Koli)
Naswadi 1875: 12000 (1231 G) Thākur. An beiden Ufern des Aswan.
Palāsni 1901: 0,85, 1931: 2,7 31 4303 (1639 G); 1940: 35000 Thākur
Pantlavdi
a) Akbar Khān, b) Kesai Khān
1901: a) 0,18, b) 0,22 je 6¼ (je 3 Dörfer) a) 2544 (127 an Rajpipla)
b) 2213 (43 an Rajpipla)
Khān
Pāndu (Mehwas) 1901: 1,15 23 5798 (3762 G) 2 Chiefs und neun Sub-Eigentümer, die Muslime waren.
Poicha 1901: 0,74 < 10 2163 (1155 G) Fünf Weiler am Māhi zwischen Kanora und Bhādavar, 6 Eigentümer.
Raika[13] 1901: 0,48 8 3609 (443 G)
Rājpar 1901: 0,08 < 4 487 (39 G)
Rājpīpla 1872: 120, 1881: 114, 1891 und 1901: 171, 1941: 206 3914 876000 (50001 G); 1941: ca. 250000 Raja
Rāmpura 1891: 0,7 1901: 1,45 11,6 3556 (1094 G) Thākur. Abspaltung von Bhilodia.
Regan 1901: 262 ca. 10 976 (355 G) 3 Eigentümer. Am Narbada.
Rājpar 1901: 0,08 < 4 487 (39 G)
Sanjeli 1891: 3,7; 1901: 2,7 87 13326 (5384 B) Thākur
Shanor (= Sanor) 1901: 1,2; 1941: 2,25 29,5 1903: 11819 (1214 G); 1940: 30191 Rana (mit niederer Gerichtsbarkeit), 6 Dörfer, jüngere Linie der Herrn von Māndwa.
Sihora 1901: 2,6; 1941: 5 1901: 40, 1940: 50 16719 (3693 G); 1940: 40000 Thākur. Zweigeteilt, 25 Dörfer, Hauptort am Zusammenfluss vom Mesri und Māhā.
Sindiapura 1901: 0,483 ca. 10 2866 (44 G) Thākur
Sunth[11] 1901: 59 1016 1872: 22000 (6108 B); 1903: 109000 (5384 B) Raja
Uchad ca. 10 1875: 9000 (883 G) Im 19. Jahrhundert Gebietsverluste durch Verpfändung, 1880 noch 22 km², davon abgespaltet Virampur.
Umeta 1901: 3,8 94 36132 (3846 G, 2402 B) Thākur. Zwei Landesteile: Kaira mit 5 Dörfern, Petlād mit 7. Herrscher ein 1498 in die Gegend geflohener Parihār-Rajpute, der seine Kaste verlor. Mit acht Dörfern belehnt, nachdem er den Chief von Bilpār tötete. Ein Nachfahr half 1694 dem Chief von Umeta gegen Räuber und erhielt 4 Dörfer. 1751 Teilung unter den Peshwar und den Gaekwar, beiden tributpflichtig. Seit 1822 Tribute an die Briten, die diese an Baroda weiterleiten.
Vadia Virampur 1901: 0,096 < 2,5 890 (79 G)
Vajiria 1901: 3,1 54 29962 (2352 G) Thākur
Vakhtāpur 1880: 500 (151 G) < 4 Abspaltung von Chhāliar, am nördlichen Ufer des Mesri. 2 Eigentümer.
Vanmāla
Varnol Māl 1901: 0,42 < 9 1094 (65 G) Fünf Dörfer, zwischen Mewali und Sihora, wohl Abspaltung von diesem.
Varnoli Moti 1901: 0,168 < 5 409 (78 G) Chief
Varnoli Nāni 1901: 0,074 < 2,5 346 (19 G) Chief
Vāsan Sewada 101: 0,765 32¼ 4710 (885 G) Thākur
Vāsan Virpur 1901: 2,185 32 18798 (332 G) Thākur. Ursprünglich zwei Dörfer. In den 1820ern unter dem Räuberhauptmann Bāji Dāima Gebietsgewinne. Nach Bestätigung derselben konnte der Herrscher durch Geldverleihgeschäfte seine Ländereien noch auf Kosten von Uchād, Rājpipla und Agar vergrößern.
Vora (= Vohora) 1901: 1,06 ca. 8 6632 (605 G) Thākur
Zumkha (= Zamkha) < 2 (51 G) Chief

Die zwischen Baroda und Chhota Udaipur umstrittenen Sub-Divisions Vāsna mit 34 Dörfern und Jhābugām mit 8 Dörfern wurden 1865–73 von den Briten für beide verwaltet. Dann wurde Vāsna an Baroda und Jhābugām Chhota Udaipur gegeben. Der zwischen Māndva und Baroda umstrittene Wallfahrtsort Chānod wurde Māndva zugeschlagen, der Gaekwar behielt jedoch die Gerichtsbarkeit.[14]

Literatur Bearbeiten

  • Imperial Gazetteer Of India. Oxford 1908 (Volltext des Index; Tabellarische Übersicht in Vol. XXI, S 289).
  • Historical Sketch of the Natve States of India. 1875, S. 374ff.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Tribals wurden vorher nicht überall gezählt. vgl. F. C. Danvers; A Review of Indian Statistics; Journal of the Royal Statistical Society, Vol. 64, No. 1 (Mar., 1901), S. 31–72
  2. Aitchison, C. U.; A collection of treaties, engagements, and sunnuds relating to India and neighbouring countries; Calcutta 1876, Vol.: IV "Bombay Presidency" S. 260–2
  3. niedergeschlagen von James Outram, damals Agent für Mahi Kantha. Campbell, James; Gazetteer of the Bombay Presidency, Bombay 1880, Vol. VI, S. 62f.
  4. gem. entsprechender Stelle im Imperial Gazetteer ...; Oxford 1908
  5. Volkszählung 1891, oder 1901. gem. versch. Bände des Imperial Gazetteer
  6. Umrechnungsfaktor 2,58 pro Meile². nach Golden Book, 1893, mangels hinreichender Katasterdaten nicht immer zuverlässig
  7. B = an die Briten, G = an den Maharaja von Baroda
  8. lt. Golden Book of India; 1893
  9. nicht zu verwechseln mit gleichnamigen Zwergstaat auf der Kathiawar-Halbinsel
  10. nicht zu verwechseln mit gleichnamiger Ortschaft in Baroda
  11. a b brit. Protektorat 1819, zunächst zur Mahi Kantha Agency
  12. Herrschaft über den Wallfahrtsort Chāndod gemeinsam mit dem Gaekwar
  13. nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Ort in Kaschmir
  14. Bombay Gazetteer (1880), Vol. VI, S. 63