Reinhardswald

deutsches Mittelgebirge

Der Reinhardswald ist ein über 200 km² großes und bis 472,2 m ü. NHN[1] hohes Mittelgebirge des Weserberglands im Landkreis Kassel, Nordhessen (Deutschland). Davon sind 183 km² Teil des gemeindefreien Gebiets Gutsbezirk Reinhardswald.

Reinhardswald
Der Reinhardswald südlich des Solling
Der Reinhardswald südlich des Solling

Der Reinhardswald südlich des Solling

Blick vom Hühnerfeldberg im Kaufunger Wald zum Reinhardswald mit (v. l. n. r.) Ahlberg, Gahrenberg (Bildmitte) und Staufenberg
Blick vom Hühnerfeldberg im Kaufunger Wald zum Reinhardswald
mit (v. l. n. r.) Ahlberg, Gahrenberg (Bildmitte) und Staufenberg

Blick vom Hühnerfeldberg im Kaufunger Wald zum Reinhardswald
mit (v. l. n. r.) Ahlberg, Gahrenberg (Bildmitte) und Staufenberg

Höchster Gipfel Staufenberg (472,2 m ü. NHN)
Lage Hessen, Deutschland
Teil des Weserbergland
Koordinaten 51° 30′ N, 9° 34′ OKoordinaten: 51° 30′ N, 9° 34′ O

Als Ort von Sagen und Legenden, wie Grimmscher Märchen, und besonders durch das Dornröschenschloss Sababurg ist der Reinhardswald überregional bekannt.

Geographie Bearbeiten

Lage Bearbeiten

 
Tal der Weser mit Reinhardswald

Der Reinhardswald befindet sich im Norden von Nordhessen zwischen Kassel und Bad Karlshafen sowie Hann. Münden und Hofgeismar. Im Norden und Osten stößt das Waldgebiet an die Weser und im Südosten und Süden an die Fulda, beide Flüsse bilden hiesig die Grenze zu Niedersachsen. Im Westen grenzt er teils an die Esse und im Nordwesten an die Diemel.

An den Reinhardswald schließen sich jeweils jenseits der Weser der Solling im Norden, der Kiffing im Nordosten und der Bramwald im Osten an. Im Südosten befindet sich jenseits der Fulda der Kaufunger Wald; nicht weit entfernt ragt südwestlich des Reinhardswaldes oberhalb des Kasseler Talkessels der Habichtswald auf.

Naturräumliche Zuordnung Bearbeiten

 
Der Reinhardswald im Niedersächsischen Bergland

Der Mittelgebirgszug bildet in der naturräumlichen Haupteinheitengruppe Weser-Leine-Bergland (Nr. 37) und in der Haupteinheit Solling, Bramwald und Reinhardswald (370) die Untereinheit Reinhardswald (370.4). Die Landschaft fällt nach Süden bis Südsüdosten in die Untereinheit Mündener Fulda-Werra-Talung (370.6) ab und nach Osten und Norden in die Untereinheit Weserdurchbruchstal (370.3). Nach Westen fällt sie in die Untereinheit Hofgeismarer Rötsenke (343.4) ab, die in der Haupteinheitengruppe Westhessisches Bergland (34) zur Haupteinheit Westhessische Senke (343) zählt.[2][3]

Berge Bearbeiten

Zu den im Reinhardswald gelegenen Bergen und Erhebungen und deren Ausläufern gehören – sortiert nach Höhe in Meter (m) über Normalhöhennull (NHN; wenn nicht anders genannt laut [1]):

Gewässer Bearbeiten

Unmittelbar östlich des Reinhardswaldes fließt die tief ins Tal eingeschnittene Weser, südöstlich die ebenso tief im Tal verlaufende Fulda, westlich die kleine Esse und nordöstlich die Diemel. Die Holzape ist das längste Fließgewässer innerhalb des Mittelgebirges, durch das neben zahlreichen anderen Bächen auch die Holzkape, die Lempe und der Osterbach fließen. Zudem gibt es viele Teiche und Tümpel.

Ortschaften Bearbeiten

 
Blick vom Tierpark Sababurg nach Nordwesten zur Sababurg
 
Gottsbüren, Ortsteil von Trendelburg

Im Reinhardswald liegen nur zwei Ortschaften:

An den Rändern oder nahe dem Reinhardswald liegen:

Etwas weiter vom Reinhardswald entfernt liegen:

 
Hutewald im Reinhardswald

Beschreibung Bearbeiten

Der Reinhardswald umfasst eine sehr weitläufige, sanft gewellte, zumeist dicht bewaldete und seit Jahrhunderten nahezu unbewohnte Buntsandsteinhochfläche, die etwa 200 bis maximal 472,2 m hoch aufragt und nach Westen hin leicht geneigt ist. Seine beiden höchsten Berge, die jeweils stark bewaldet sind, heißen Staufenberg (472,2 m) und Gahrenberg (472,1 m).

Mit über 200 km² Fläche ist der Reinhardswald eine der größten Waldflächen und eines der am wenigsten besiedelten Gebiete Deutschlands; innerhalb Hessens stellt er das größte in sich geschlossene Waldgebiet dar, in dem insbesondere Buchen und Eichen gedeihen. Außerdem gab es weit ausgedehnte Hutewaldflächen bzw. -wälder.

Geschichte Bearbeiten

Allgemeines Bearbeiten

Der Reinhardswald war einst Reichsforst. Den Nordteil zwischen Weser und Diemel schenkte Kaiser Heinrich II. der Abtei Helmarshausen; der Südteil kam an das Bistum Paderborn.[9] Die ersten Siedlungen in der Region, wie die Königsgüter Hofgeismar und Herstelle waren an abseits des Waldes gelegenen Flüssen entstanden. Von dort aus kam es zu ersten Rodungen des Waldrandes zwecks Mastweidewirtschaft. Am Westrand des Reinhardswaldes lag nahe Mariendorf das einstige Töpferei-Dorf und die heutige Wüstung Reinersen. Im Hochmittelalter kamen die Herren von Schöneberg im Reinhardswald zu davor winzenburgischen Lehensrechten.[10] In einer Rodungsphase legten sie mit Billigung ihrer Lehnsherren, der Grafen von Dassel, Orte im bisherigen Waldinneren an.[11] Dabei handelte es sich um Hagenhufendörfer.[12] Wegen der gegenüber den früher angelegten Siedlungen benachteiligten Lage[13] und wegen des politischen Rückzuges der Gründungsterritorialherren fielen sie jedoch bald wieder wüst. Landgraf Heinrich von Hessen kaufte 1305 von Konrad von Schöneberg dessen Hälfte des Waldes[14] und Bischof Balduin von Paderborn verpfändete 1355 auch seinen Teil an Hessen. Der Forst blieb danach hessischer Besitz und wurde für die Landgrafen, besonders für Philipp den Großmütigen, eine beliebte Wildbahn.

Im und am Reinhardswald wurde über Jahrhunderte Bergbau betrieben. Belege für Braunkohlen-Abbau am Gahrenberg (von 1842 bis 1970 im Untertagebergbau) lassen sich schon zur Zeit des Landgrafen Wilhelm IV. ab 1575 finden. Eine frühe Gewinnung von Alaunerde und Quarzsand, der in der Glashütte von Hann. Münden weiterverarbeitet wurde, ist nachgewiesen. Um 1592 war eine Gewerkschaft in Holzhausen bekannt. Aus dem Zeitraum zwischen 1611 und 1666 sind weitere Zeugnisse des Bergbaus belegt.

Weit ausgedehnte Hutewälder und alte Bauernhöfe und Gehöfte zeugen von der landwirtschaftlichen Tradition im Reinhardswald.

Herkunft des Namens Bearbeiten

Zur Herkunft des Namens „Reinhardswald“ gibt es mehrere Theorien. Jacob Grimm hat in einem Aufsatz über die Herkunft hessischer Ortsnamen[15] vier Möglichkeiten aufgezählt:

  1. In einer Schenkungsurkunde Kaiser Heinrichs II. von 1019 wird der südliche Teil des Reinhardswaldes dem Bistum Paderborn geschenkt. Der Wald wird über die Dörfer, die ihn umgeben, beschrieben. Eines dieser Dörfer ist das heute wüste Reginhereshuson, das in der Nähe von Mariendorf lag. In einer zweiten Urkunde, in der Kaiserin Agnes 1059 den Wald an das Bistum Paderborn zurückgibt, wird der Wald als foresto Reginhereshuson bezeichnet, woraus dann später der Name Reinhardswald entstanden sei. Grimm bezweifelt, dass ein kleines Dorf einem so großen Wald seinen Namen gegeben habe – eher sei das Gegenteil wahrscheinlich. Die Bezeichnung in der Urkunde von 1059 sei ein Irrtum, der auf die Urkunde von 1019 zurückgehe.
  2. Der Name stamme von einem früheren Besitzer mit Namen Reginhart, Reinhart oder Reinart. Allerdings ist kein solcher Besitzer überliefert.
  3. Die Namen vieler Wälder stammen von Tieren ab, wie z. B. beim Habichtswald oder beim Spessart (ehemals Spechtshart). Der Name Reinhardswald könne daher von der Fabel Reineke Fuchs stammen. Grimm kann allerdings keine Spuren dafür finden, dass die Fabel einen Bezug zur Wesergegend habe.
  4. Die von Grimm bevorzugte Erklärung geht auf die einzelnen Wortbestandteile ein. Die Silbe „hard“ beziehungsweise „hart“ bezeichne dabei bereits einen Wald, was die dritte Silbe überflüssig mache. Der erste Teil, in seiner alten Form „ragin“, später „regin“ und dann „rein“, sei eine Verstärkung, und mache aus dem Wald einen „großen Wald“.

Professor Bonnemann[16] bezeichnete die erste Theorie als die heute anerkannte.

Die Schreibweise des Namens variierte: Reynhartiswald (1303), Reynerswolt (1304), Reinhartswalt (1304, 1369), Reynerswelt (1312), Reinhardswald (1359).[17]

Sagen Bearbeiten

Es gibt mehrere Sagen über die Entstehung des Reinhardswaldes, von denen hier die beiden bekanntesten beschrieben sind:

  • Variante 1: Graf Reinhard war ein Spieler und Trunkenbold. Eines Nachts spielte er mit dem Bischof von Paderborn. Nachdem er all sein Geld verloren hatte, setzte er seine gesamten Besitztümer auf ein Spiel, das er verlor. Er bat den Bischof um Gnade und dieser gewährte ihm noch eine weitere Ernte, woraufhin er Eicheln säte. Diese populäre Variante wird auch von einer Theatergruppe aufgeführt.
  • Variante 2: Graf Reinhard beherrschte das mächtige, mit Dörfern dicht besetzte Waldgebiet, wurde aber wegen Erpressungen und Räubereien zum Tod verurteilt. Auf sein Flehen wurde ihm gestattet, noch einmal die Huten zu bestellen und abzuernten. Listig besäte er nach Zerstörung der Dörfer die Acker der Bauern mit Eicheln, deren Früchte erst reiften, nachdem er längst gestorben war. So entstand der Reinhardswald.
 
Die Sababurg
 
Hutebaum im Urwald Sababurg

Der Judenbaum im Reinhardswald Bearbeiten

Etwa einen Kilometer westlich des Knotberggipfels befindet sich der sogenannte Judenbaum. Hier wurde am Heiligabend des Jahres 1668 der jüdische Händler Samuel von Schwartzkirchen Opfer eines Raubmordes. Bereits 40 Jahre später wurde die Eiche, bei der dies geschah, als Judenbaum in der Schleensteinschen Landkarte vermerkt. Nachdem dieser Baum abgestorben war, fielen mehrere an dessen Stelle Stelle gepflanzte Bäume Vandalismus zum Opfer, wobei, wie an Hakenkreuzschmierereien erkennbar wurde, offenkundig antisemitische Motive im Spiel waren. Schließlich wurde im Jahr 2020 erneut eine im Urwald Sababurg gezogene Eiche an derselben Stelle gepflanzt und eine Informationsstele aufgestellt. Die Initiative dafür ging vom Forstamt Reinhardshagen und der Evangelischen Akademie Hofgeismar aus.[18]

 
Inzwischen durch eine Stele ersetzte Gedenktafel, die an den Judenbaum erinnerte. Auf der Stele wird die Behauptung, Droste-Hülshoffs Novelle basiere auf dem Mord im Reinhardswald, nicht mehr aufrechterhalten.

Verschiedentlich wurde gemutmaßt, ob die Schriftstellerin Annette von Droste-Hülshoff von diesem Baum und dem damit verknüpften Ereignis zu ihrer Novelle Die Judenbuche (1842) inspiriert worden war. Tatsächlich hatte sie den Reinwaldswald bereist, und zu jener Zeit gab es in den Dörfern des Reinhardswaldes einen Förster namens Friedrich Mergell und einen weiteren mit Namen Carl Friedrich Mergell. Die Ähnlichkeit mit dem Namen der Hauptperson der Judenbuche, Friedrich Mergel, kann kaum zufällig sein.

Trotzdem hatte Droste-Hülshoff ganz offenkundig nicht in erster Linie das Geschehnis im Reinhardswald vor Augen, als sie ihre Novelle schrieb, denn sie siedelte sie nicht nur eindeutig im „gebirgichten Westfalen“ an, sondern auch die zugrunde liegende Handlung hatte sich tatsächlich im Dorf Bellersen bei Brakel (bei Droste-Hülshoff mit B. abgekürzt) gerichtsaktenkundig abgespielt.[19]

Sehenswürdigkeiten und Kulturelles Bearbeiten

Bekanntestes Ausflugsziel im Reinhardswald ist das „Dornröschenschloss“ Sababurg mit dem Tierpark Sababurg und dem Naturschutzgebiet Urwald Sababurg, das zwischen dem Park und Beberbeck liegt. Nahe Trendelburg befinden sich die Wolkenbrüche bei Trendelburg und das einstige Wasserschloss Wülmersen. Am Nordrand der Waldlandschaft lohnt ein Besuch von Bad Karlshafen und der Krukenburg. Auf der Südabdachung stand einst die Burg Knickhagen.

Auf einer kleinen, durch einen Sturm 2018 entstandenen Waldlichtung steht die Gerichtseiche Gahrenberg mit einem Brusthöhenumfang von 7,60 m (2017). Es handelt sich um die älteste Huteeiche im Reinhardswald, ihr Alter liegt bei rund 550 Jahren. Allerdings ist der Baum seit Jahrzehnten krank; die Krone ist inzwischen großenteils abgestorben; der Hauptstamm weist in seinem Inneren einen Hohlraum auf, worin mehrere Erwachsene Platz haben. Lediglich ein großer Hauptast ist noch vital.[20]

FriedWald Reinhardswald Bearbeiten

 
Eine Forststraße, die durch den Bestattungswald führt. Entlang des Weges befinden sich Bestattungsbäume

Innerhalb des Reinhardswaldes liegt im Gutsbezirk Reinhardswald mit dem FriedWald Reinhardswald seit seiner Eröffnung am 1. November 2001[21] der erste deutsche Bestattungswald. Er befindet sich nordwestlich des Staufenbergs im Staufenberger Bruch beiderseits der Waldstraße. Die Entstehung des 116 ha[21] großen Waldfriedhofs ist der Initiative des Forstmanns und Naturschützers Hermann-Josef Rapp zu verdanken. Bestattet wird im Wurzelbereich von Bäumen – bis zu 10 Totenaschen pro Baum. Jegliche Grabpflege ist untersagt. Besonderheit des naturbelassenen Waldfriedhofs sind seine Hutewaldflächen.

Verkehr und Wandern Bearbeiten

 
Typische Straße im Reinhardswald: L 3229 nahe Forsthaus Mariendorf

Durch das südlich des Reinhardswaldes liegende Fuldatal führt zwischen Kassel und Hann. Münden die Bundesstraße 3, durch das östlich und nördlich befindliche Wesertal zwischen Hann. Münden und Bad Karlshafen die Bundesstraße 80 und durch die westlich gelegene Hofgeismarer Rötsenke zwischen Kassel und Bad Karlshafen die Bundesstraße 83. Im Süden zweigt von der B 3 bei Simmershausen die Landesstraße 3232 ab. Sie verläuft nordwärts durch Rothwesten und Holzhausen in den Reinhardswald, in dem sie an der von Hofgeismar durch Carlsdorf, Udenhausen und Mariendorf in West-Ost-Richtung durch den Wald nach Veckerhagen führenden L 3229 endet.

Etwas nördlich des Straßenendpunkts beginnt an der L 3229 die Waldstraße, die nordwärts durch den südlichen Mittelteil des Reinhardswaldes verläuft; beiderseits der Straße liegt der FriedWald Reinhardswald. Die schmale Straße endet nahe der Sababurg an der kurzen Kreisstraße 56. Letztere trifft nordwestlich unterhalb der Burg nahe dem Tierpark Sababurg auf die aus Richtung Hofgeismar an der B 83 im Südwesten kommende, die Gehöft-Ansiedelung Beberbeck passierende sowie den Urwald Sababurg und den Park tangierende K 55. Beim Park knickt die K 55 nach Nordnordwesten ab und führt durch den nördlichen Mittelteil des Reinhardswaldes nach Gottsbüren. Dort endet die Straße an der von Trendelburg im Essetal an der B 83 durch Friedrichsfeld und Gottsbüren in Westsüdwest-Ostnordost-Richtung durch den Wald nach Gieselwerder im Wesertal an der B 80 verlaufenden L 763.

Nahe dem nordöstlichen Ortsausgang von Gottsbüren zweigt von der L 763 die K 75 ab, die durch den Nordteil des Reinhardswaldes führt und an der K 76 endet. Diese verbindet das nahe dem Straßenendpunkt liegende Helmarshausen an der B 83 im Diemeltal im Westen mit der B 80 im Wesertal im Osten; nahe dem östlichen Endpunkt der K 76 liegt im Wesertal Gewissenruh.

Wenn man den Reinhardswald in Süd-Nord-Richtung von Holzhausen durch Gottsbüren nach Helmarshausen (auf der L 3232, der L 3229, der Waldstraße, der K 56 und K 55, der L 763, der K 75 und K 76) durchquert, fährt man etwa 38 km auf vielerorts schmalen Straßen, die insbesondere im Süden der Landschaft zumeist gerade verlaufen. Dabei passiert man – im nördlichen Mittelteil – kurz hintereinander nur die Sababurg, das Forsthaus Bensdorf, den Hof Bensdorf, zwei Bauerschaften, die etwas abseits der Straße liegende Ansiedlung Auf dem Gleichen, und man durchfährt das Dorf Gottsbüren.

Teilweise vorbei am und durch den Reinhardswald verlaufen Abschnitte der Dornröschen-Route der Deutschen Märchenstraße: unmittelbar südöstlich entlang der Waldlandschaft im Wesertal als Teil der B 80 zwischen Hann. Münden und Veckerhagen, von dort durch ihren südlichen Mittelteil bis zum Tierpark Sababurg als Teil der Waldstraße und K 56, dann durch die westlichen Bereiche des Waldes als Teil der K 55, K 58 und L 763 durch Friedrichsfeld nach Trendelburg und daran anschließend im Diemeltal nach Bad Karlshafen. Zwischen Hann. Münden und Uslar verläuft der Reinhardswald-Abstecher der Straße der Weserrenaissance.

Im Reinhardswald gibt es viele Wandererparkplätze. Dort stehen zumeist Informationstafeln zur Flora und Fauna oder der Geschichte der Waldlandschaft. Man kann den Wald auf vielen Wegen durchwandern. Hindurch führen zum Beispiel Abschnitte der Wege Frau-Holle-Pfad, Märchenlandweg und Wildbahn und zudem der Reinhardswald-Westweg und -Ostweg. Außerdem gibt es mehrere Lehrpfade: Eco Pfad Kulturgeschichte Knickhagen-Wilhelmshausen, Eco Pfad Bergbau Holzhausen Reinhardswald, Eco Pfad Kulturgeschichte Ahlberg-Mariendorf, Eco Pfad Pilgerwege zum Wallfahrtsort Gottsbüren, Eco Pfad Burgen Museen Wasser Gieselwerder und Eco Pfad Archäologie Sieburg. Radtouren sind zum Beispiel auf dem Reinhardswaldradweg oder entlang der Holzape möglich.

Streit um Windkraft Bearbeiten

Regionalplanung Bearbeiten

 
Protestplakat bei der Sababurg

Seit etwa 2013 kritisieren Naturschützer und Anwohner die im Zuge der Energiewende verfolgten Pläne, den Reinhardswald für Windkraftanlagen zu öffnen. 2014 appellierten 16 Bürgerinitiativen und Naturschutzvereine in einer gemeinsamen Erklärung an Politik und Wirtschaft: „Halten Sie das weithin sichtbare Landschaftsprofil des Kaufunger Waldes und des Reinhardswaldes frei von Windrädern!“.[22] Hintergrund war, dass in diesem Jahr der Regionalplan Nordhessen im Staatsforst Reinhardswald Windvorrangflächen in einer Größenordnung von ca. 100 Windkraftanlagen vorgesehen hat.[23]

Als die Pläne konkreter wurden, fand dies in den überregionalen Medien große Beachtung. „Grimms Märchenwald wird Opfer der Energiewende“, titelte die Zeitung DIE WELT am 24. Juli 2018.[24] Auch die ZDF-Sendung Frontal 21 berichtete unter der Überschrift „Wald roden für Windkraft“ über das Vorhaben im Reinhardswald.[25]

Ungeachtet der jahrelangen Proteste wurde der Teilregionalplan Energie Nordhessen von der Regionalversammlung Nordhessen am 7. Oktober 2016 beschlossen und am 15. Mai 2017 von der hessischen Landesregierung genehmigt.[26] Damit wurden die Vorranggebiete für Windkraftnutzung in Nordhessen zur Erfüllung der politischen Ausbauziele festgelegt. Darunter auch sieben Flächen im Gutsbezirk Reinhardswald.

Gahrenberg Bearbeiten

2016 hat der Landesbetrieb Hessen-Forst im Rahmen einer Ausschreibung die erste Fläche Gahrenberg für Windkraftanlagen im Reinhardswald an eine südhessische Bietergemeinschaft aus GGEW und ABO Wind vergeben.[27][28] Nach zwei Jahren Planung und Windmessung lehnt die DFS Deutsche Flugsicherung die Genehmigung des Windparks allerdings ab. Die Windenergieanlagen würden die Flugrouten zum Flughafen Kassel-Calden beeinträchtigen.[29]

Farrenplatz und Langenberg Bearbeiten

Die Flächen Farrenplatz und Langenberg wurden an die nordhessische Betreibergesellschaft Windpark Reinhardswald GmbH & Co. KG mit Sitz in Grebenstein vergeben. Sie unterzeichnete im Mai 2019 mit dem dänischen Windkraftanlagenhersteller Vestas Wind Systems einen Liefervertrag über 20 Windenergieanlagen des Typs V150-5.6 MW mit je 5.600 Kilowatt Nennleistung, 166 m Nabenhöhe, 150 m Rotordurchmesser und 241 m Gesamthöhe.[30] An der Gesellschaft sind beteiligt: Energiegenossenschaft Reinhardswald, Städtische Werke (Kassel), EAM Natur und Stadtwerke Eschwege.

Die Bürgerinitiative Oberweser Bramwald e.V. und der Zusammenschluss Aktionsbündnis Märchenland/Rettet den Reinhardswald kämpfen weiterhin für ihr Ziel, den Reinhardswald frei von Windparks zu halten. Die Organisationen argumentieren mit der Bedrohung von Vögeln, Fledermäusen und anderen Tieren, Gefährdung des Trinkwassers, Verlust eines der letzten großen bisher weitgehend unzerschnittenen Waldgebiete in Deutschland, Zerschneidung von Lebensräumen durch die erforderlichen kilometerlangen schwerlastfähigen Zuwegungen, sowie der Inanspruchnahme und Verdichtung der Böden durch Fundamente, Zufahrtswege und Plattformen zum Aufstellen der Anlagen. Insgesamt werde das Ökosystem dauerhaft gestört.[31] Die Argumente der Betreibergesellschaft und der genehmigenden Behörden zugunsten des Windparks im Reinhardswald werden von den Bürgerinitiativen als „Greenwashing“ zurückgewiesen; der Hinweis auf den wichtigen Klimaschutz werde aus „Profitgier“ missbraucht.[32] Der Bürgermeister von Oberweser, Cornelius Turrey (SPD), fürchtet zudem um den Tourismus in seinem Ort.[33]

Im Oktober 2020 bestätigte das Regierungspräsidium Kassel den Eingang des Genehmigungsantrags nach Immissionsschutzrecht mit Umweltverträglichkeitsprüfung für 18 Windenergieanlagen in den Wind-Vorranggebieten Farrenplatz und Langenberg.[34] Zum veröffentlichten Antrag konnten bis zum 4. Januar 2021 Einwendungen erhoben werden, es kamen über 600 (darunter auch gleichartige) Einwendungen von Bürgern, Kommunen, Vereinen und Bürgerinitiativen zusammen.[35] Einwender und Behörden nahmen im Mai 2021 an einer nichtöffentlichen Konsultation teil.[36] Mit Genehmigungsbescheiden vom 1. Februar 2022 genehmigte das Regierungspräsidium schließlich die Errichtung und den Betrieb der 18 Windenergieanlagen und die Herstellung der Zuwegung.[37] Es ist das bis dato größte Windprojekt in Hessen.

Gegen die Genehmigungen des Windparks wurden Eilanträge beim VGH Kassel eingereicht. Die Arbeiten für den Holzeinschlag wurden von einer Demonstration begleitet. Zum Schutz der Haselmaus hat das Gericht im Mai 2022 die weiteren Arbeiten mit einer Zwischenentscheidung vorläufig gestoppt.[38] Im Januar 2023 gestatte das Gericht an sieben von 18 Standorten die Stubben zu roden.[39] Im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes wurden die forstrechtlichen Bedenken der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald gegen die Interessen des Windpark-Betreibers abgewogen und die Rodungsarbeiten für den Bau der Zuwegung im Februar 2023 bis zur Entscheidung im Hauptverfahren gestoppt. Außerdem fehle es an der Baugenehmigung durch den Landkreis Kassel.[40]

Nördlich Hombressen Bearbeiten

Im Sommer 2022 wurde das Vorhaben der UKA Meißen Projektentwicklung GmbH & Co. KG öffentlich bekannt gemacht. In Hofgeismar-Hombressen und im Gutsbezirk Reinhardswald sind neun Windkraftanlagen des Typs Vestas Wind Systems V162-6.0 MW mit je 6.000 kW Nennleistung, 169 m Nabenhöhe, 162 m Rotordurchmesser und 250 m Gesamthöhe geplant.[41]

Trivia Bearbeiten

Briefmarke Bearbeiten

Die Deutsche Post brachte am 2. November 2017 eine Sondermarke Reinhardswald zu 0,90 € heraus.[42]

Filmdokumentationen Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Der Reinhardswald und Bramwald nebst angrenzenden Gebieten. Augustins Reisehandbücher (Nr. 4). Kassel (o. J., um 1920)
  • Alfred Bonnemann: Der Reinhardswald. Verlag der Weserbuchhandlung, Hann. Münden 1984
  • Eberhard Michael Iba: Sagen und Geschichten aus Nordhessen – Von Weser, Diemel und Fulda. 7. Auflage. CW Niemeyer Buchverlage, Hameln 1998, ISBN 978-3-8271-9134-2
  • Hermann-Josef Rapp (Hrsg.): Reinhardswald – Eine Kulturgeschichte. Euregio, Kassel 2002, ISBN 3-933617-12-X
  • Literatur über Reinhardswald nach Register nach GND In: Hessische Bibliographie

Weblinks Bearbeiten

Commons: Reinhardswald – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikivoyage: Reinhardswald – Reiseführer

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Karten und Daten des Bundesamtes für Naturschutz (Hinweise)
  2. Jürgen Hövermann: Geographische Landesaufnahme: Die naturräumlichen Einheiten auf Blatt 99 Göttingen. Bundesanstalt für Landeskunde, Bad Godesberg 1963. Online-Karte (PDF; 4,1 MB);
    Hinweis: Die Hofgeismarer Rötsenke ist hier mit Nr. 343.0 ausgewiesen.
  3. Hans-Jürgen Klink: Geographische Landesaufnahme: Die naturräumlichen Einheiten auf Blatt 112 Kassel. Bundesanstalt für Landeskunde, Bad Godesberg 1969. Online-Karte (PDF; 6,9 MB);
    Hinweis: Die Hofgeismarer Rötsenke ist hier mit Nr. 343.4 ausgewiesen.
  4. a b c d e f g h i j Gewässerkartendienst des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Hinweise)
  5. Topographische Karte vom Geoportal Hessen
  6. Wandern und Freizeit im Naturpark Solling-Vogler, Topographische Karte (1:50.000; 1975), Hrsg.: Niedersächsisches Landesverwaltungsamt – Landesvermessung
  7. Eco Pfad Archäologie Sieburg, auf eco-pfade.de
  8. Freizeitkarte Naturpark Habichtswald / Reinhardswald (TF 50-HR; 1:50.000; 2003), Hrsg.: Hessisch-Waldeckischer Gebirgs- und Heimatverein e. V. und Hessisches Landesvermessungsamt, ISBN 3-89446-319-8
  9. Westfälische Zeitschrift. Band 90, 1934, S. 172, Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, auf books.google.de
  10. Albert Fraustadt: Geschichte des Geschlechtes von Schönberg Meissnischen Stammes. Band 1. 1869, S. 566 f, auf books.google.de
  11. Friedrich Pfaff: Geschichte der Stadt Hofgeismar. Selbstverlag der Stadt Hofgeismar (Hrsg.), 1938, S. 34
  12. Andreas Reuschel: Hagenhufensiedlungen oder „Hägerhufensiedlungen“ in der Ithbörde? Dissertation, Universität Bonn 2010, urn:nbn:de:hbz:5N-19781. S. 60 f.
  13. Andreas Reuschel: Hagenhufensiedlungen oder „Hägerhufensiedlungen“ in der Ithbörde? Dissertation, Universität Bonn 2010, urn:nbn:de:hbz:5N-19781. S. 244.
  14. Clemens Dasler: Forst und Wildbann im frühen deutschen Reich, 2001, S. 171, auf books.google.de
  15. Jacob Grimm, 1840, Über hessische Ortsnamen, Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde 2, S. 142ff
  16. Alfred Bonnemann: Der Reinhardswald, Verlag der Weserbuchhandlung, Hann. Münden, 1984, 2. Auflage: Selbstverlag Forstgutsbezirk Reinhardswald, 2016
  17. Oskar Hütteroth, Die Reinhardswalddörfer Holzhausen, Knickhagen, Wilhelmshausen in der Vergangenheit und Gegenwart, 1911
  18. Thomas Thiele: Mord im Reinhardswald: Alter Kriminalfall bewegt bis heute. HNA, 14. November 2020, abgerufen am 30. Juni 2023.
  19. Claudia Lieb: Rechtsvorstellungen in "Die Judenbuche". Annette von Droste-Hülshoff zum 175. Todestag. WWU Münster, 16. Mai 2023, abgerufen am 30. Juni 2023.
  20. Gerichtseiche Gahrenberg im Reinhardswald bei Holzhausen im Verzeichnis Monumentaler Eichen. Abgerufen am 30. Juni 2023.
  21. a b Der FriedWald Reinhardswald, auf friedwald.de
  22. Nabu Hofgeismar
  23. Hessischer Landtag, 5. September 2014. (PDF)
  24. Güven Purtul: Grimms Märchenwald wird Opfer der Energiewende. In: DIE WELT. 24. Juli 2018, abgerufen am 27. Juli 2019.
  25. Berichte über Windkraft im Reinhardswald: Vorwürfe gegen Regierungspräsidium. Hessische Niedersächsische Allgemeine, 25. Juli 2018, abgerufen am 27. Juli 2019.
  26. Teilregionalplan Energie - Text und Begründung. (PDF) Regierungspräsidium Kassel, Juni 2017, abgerufen am 4. Februar 2022.
  27. Windkraft im Wald: Gahrenberg an Bieter aus Südhessen vergeben. Hessische Niedersächsische Allgemeine, 26. Juli 2016, abgerufen am 4. Februar 2022.
  28. Windpark Gahrenberg. ABO Wind, abgerufen am 4. Februar 2022.
  29. Windpark Gahrenberg vor dem Aus. Hessische Niedersächsische Allgemeine, 12. Dezember 2018, abgerufen am 4. Februar 2022.
  30. Ein wichtiger Meilenstein für den Windpark. Windpark Reinhardswald GmbH & Co. KG, 15. Mai 2019, abgerufen am 27. Juli 2019.
  31. Siehe die Websites der besagten Naturschutzvereine: Bürgerinitiative Oberweser-Bramwald, Rettet den Reinhardswald
  32. So wörtlich bei Rettet den Reinhardswald(Aufruf 27. Juli 2019)
  33. ZDF-Sendung Drehscheibe: Windräder im Reinhardswald auf YouTube, 11. Juli 2019, abgerufen am 27. Juli 2019.
  34. Öffentliche Bekanntmachung - Vorhaben der EAM Natur GmbH. Erneute Öffentlichkeitsbeteiligung. RP Kassel, 13. Oktober 2020, abgerufen am 3. Mai 2021.
  35. Einwendungsfrist für 18 Windkraftanlagen im Reinhardswald beendet. Regierungspräsidium Kassel, 18. Januar 2021, abgerufen am 3. Mai 2021.
  36. Errichtung und Betrieb von 18 Windkraftanlagen (WKA) im Forstgutsbezirk Reinhardswald, Oberförstereien Karlshafen und Gottsbüren; Vorranggebiete KS 4a und 4b gemäß Teilregionalplan Energie Nordhessen. Regierungspräsidium Kassel, 19. April 2021, abgerufen am 3. Mai 2021.
  37. RP Kassel erteilt immissionsschutzrechtlichen Bescheid zur Errichtung von 18 Windkraftanlagen im Reinhardswald. Regierungspräsidium Kassel, 2. Februar 2022, abgerufen am 4. Februar 2022.
  38. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 11. Mai 2022, 9 B 234/22
  39. Haselmaus vertrieben - Arbeiten im Reinhardswald werden fortgesetzt. In: hessenschau. 6. Januar 2023, abgerufen am 10. Januar 2023.
  40. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 10. Februar 2023, 9 B 247/22.T
  41. Öffentliche Bekanntmachung - Vorhaben der UKA Meißen Projektentwicklung GmbH & Co. KG. RP Kassel, 29. Juni 2022, abgerufen am 28. Juli 2022.
  42. Reinhardswald, Briefmarke zu 0,90 € auf briefmarken.de, abgerufen am 16. Juni 2023.