Reality Winner

US-amerikanische Sprachwissenschaftlerin

Reality Leigh Winner (* 4. Dezember 1991 in Alice, Texas)[1][2] ist eine als US-amerikanische Whistleblowerin bekannt gewordene Sprachwissenschaftlerin.

Nachdem sie nachrichtendienstliche Informationen zur russischen Einflussnahme auf den US-Wahlkampf 2016 an die Nachrichtenwebseite The Intercept weitergeleitet hatte, wurde sie im August 2018 zu 5 Jahren und 3 Monaten Haft verurteilt.

Biografie Bearbeiten

 
Airman Reality L. Winner im Jahr 2010, kurz nach Einstellung bei der U.S. Air Force.

Reality Leigh Winner wuchs in Kingsville (Texas) auf. Ihr Vater gab ihr den Vornamen, da sie, wie er sagte, dadurch zu einer echten (real) Gewinnerin (Winner) würde.[3]

In der U.S. Air Force, die sie zur kryptologischen Linguistin in Farsi, Dari und Paschto ausbildete, diente sie von 2010 bis 2016, zuletzt im Rang eines Senior Airman, als Sprachanalystin. Für ihre Dienste, die unter anderem 1900 Arbeitsstunden an Verwertung geheimdienstlicher Informationen und das ortsbestimmende Geotargeting von 120 feindlichen Kombattanten umfassten, erhielt sie die Air Force Commendation Medal.[3][4] Danach arbeitete sie als Linguistin für die Pluribus International Corporation, die ihrerseits als Informationsdienstleister für den Geheimdienst National Security Agency (NSA) der US-Regierung fungiert.[3][5]

Eigener Aussage zufolge haben Gespräche mit ihrem Vater, mit dem sie „über das Leben reden“ konnte, sie geprägt. Mit dem Tod ihres Vaters im Jahr 2016 wurden ihre Essstörungen und Depressionen, unter denen sie zuvor Jahre gelitten hatte, schlimmer.[3]

Ab dem 13. Februar 2017 wurde sie als Regierungsbeauftragte mit Top-Secret-Freigabe an einer Nachrichtendienststelle in Georgia eingesetzt.[5]

Winner hat sich vor und nach der US-Präsidentschaftswahl 2016 auf Facebook und Twitter mehrmals kritisch zu Donald Trump geäußert. So kommentierte sie den mit der Präsidentschaft verbundenen Einzug Trumps ins Weiße Haus als „das Gefährlichste für die USA“.[6][7]

Leak, Ermittlung und Verurteilung Bearbeiten

Am 3. Juni 2017 wurde sie verhaftet. Zwei Tage später wurde sie unter dem Espionage Act angeklagt.[3] Am selben Tag veröffentlichte The Intercept einen sich auf geheimdienstliche Informationen der NSA berufenden Artikel über die mutmaßlichen russischen Eingriffe in die Präsidentschaftswahl 2016.[8] Das Dokument ist als „geheim“ eingestuft, enthält aber nach Einschätzung eines Whistleblower-Anwaltes keine Enthüllungen über Betrug, Verschwendung oder Missbrauch noch Informationen zu irgendeiner gesetzwidrigen Handlung der US-Regierung.[9]

Die ausgedruckten Dokumente, die The Intercept zugespielt wurden, scannte man dort ein und veröffentlichte sie als PDF-Datei. Der Scan enthielt jedoch noch Farbdruckermarkierungen.[10] Leser entdeckten die Markierungen kurz nach der Veröffentlichung,[10] das Magazin Vice interpretierte eine Stellungnahme des FBI so, dass sich Winner durch diese Markierungen verraten hätte.[11] Die Washington Post legte sich nicht fest, berief sich aber auf Experten, die überzeugt waren, dass das der einfachste Weg gewesen sei, denjenigen zu finden, der das Dokument gedruckt hätte.[10] WikiLeaks-Gründer Julian Assange warb öffentlich um Unterstützung für die Inhaftierte[6] und warb mit einer Belohnung von 10.000 US-Dollar um Hinweise zur Identifizierung eines vermutlich bei den Ermittlungen behilflichen Intercept-Journalisten.[12][13]

Die Staatsanwaltschaft führte zum Haftprüfungstermin am 8. Juni 2017 neben Winners Social-Media-Aktivitäten auch sichergestellte Notizen und eine Suchmaschinenanfrage von 2016 an, in der Winner sich nach der Funktion von Sicherheitssystemen in Hochsicherheitscomputern erkundigt haben soll. Das Gericht bestimmte, dass Winner, basierend auf einem Geständnis gegenüber dem FBI und den vorgelegten Beweisen, ohne die Möglichkeit auf Kaution freigelassen zu werden, bis zu ihrem Verfahren in Haft bleiben musste.[14] Der Haftrichter berief sich dabei auf Fluchtgefahr. Die Untersuchungshaft saß Winner im Lincoln County Jail ab.[3]

Ihre Mutter begann eine #FreeReality-Kampagne und schrieb unter anderem Petitionen und Gnadengesuche an Donald Trump und Joe Biden.[3]

Im Juni 2018 bekannte sich Winner schuldig.[3] Am 23. August 2018 wurde sie von einem Gericht in Augusta, Georgia, zu 63 Monaten Haft verurteilt.[15]

In der Haftzeit war sie eigener Aussage zufolge suizidal. Sie verbrachte die Haft unter anderem in Gefängnissen in Florida, Oklahoma und in Texas. In Texas war sie in einem Frauengefängnis in Fort Worth untergebracht, wo sie eigener Aussage zufolge neben Freundschaften auch sexuellen Missbrauch, Gewalt und Drogen unter den Insassinnen erlebte. Im Juni 2021 wurde Winner wegen guter Führung, aber unter der Auflage, eine elektronische Fußfessel zu tragen, vorzeitig aus der Haft in ein Übergangswohnheim entlassen. Ihre Bewährung gilt bis November 2024.[3][16]

Nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis zog sie nach Kingsville zurück ins Elternhaus, einen umgebauten Trailer, und begann in einem Fitnessstudio zu arbeiten. Zu ihren Hobbys, die sie bereits vor und während ihrer Haft ausübte, zählen CrossFit und Yoga.[3]

Filmische Rezeption Bearbeiten

2023 hatte bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin der Film Reality der Regisseurin Tina Satter Premiere, der auf den unveränderten Originaldialogen einer FBI-Tonaufzeichnung bei einer Hausdurchsuchung Winners basiert.[17] Eine weitere Filmbiografie namens Winner erschien im Januar 2024.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Jon Swaine: NSA contractor Reality Winner accused of leaking file on Russia election hacking. In: The Guardian. 6. Juni 2017, abgerufen am 6. Juni 2017.
  2. Reality Winner Affidavit for Application of Search Warrant. 3. Juni 2017, abgerufen am 31. Juli 2021 (S. 2).
  3. a b c d e f g h i j Marc Pitzke: (S+) US-Whistleblowerin: Reality Winner warnte vor Putin – und musste ins Gefängnis. In: Der Spiegel. 29. April 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 2. Mai 2022]).
  4. Madison Park, CNN: What we know about Reality Winner. In: KVIA. 7. Juni 2017, archiviert vom Original; abgerufen am 8. Juni 2017.
  5. a b Charlie Savage: Intelligence Contractor Is Charged in First Leak Case Under Trump. In: The New York Times. 5. Juni 2017, abgerufen am 6. Juni 2017.
  6. a b "Who is Reality Winner? Accused leaker wanted to 'resist' Trump. In: Fox News. 6. Juni 2017, abgerufen am 6. Juni 2017.
  7. Donie O’Sullivan: Accused leaker Reality Winner called Trump an 'orange fascist' on Twitter. In: CNN. 6. Juni 2017, abgerufen am 7. Juni 2017.
  8. Matthew Cole, Richard Esposito, Sam Biddle, Ryan Grim: Top-Secret NSA Report Details Russian Hacking Effort Days Before 2016 Election. In: The Intercept. 5. Juni 2017, abgerufen am 6. Juni 2017.
  9. "Reality Winner isn’t a whistleblower — or a victim of Trump’s war on leaks" Washington Post vom 8. Juni 2017
  10. a b c Derek Hawkins: How tech sleuths cracked the mysterious code that turns your printer into a spying tool. In: Washington Post. 9. Juni 2017, abgerufen am 6. Juni 2017.
  11. David Gilbert: NSA leak suspect was ratted out by an office printer. In: Vice News. 6. Juni 2017, abgerufen am 6. Juni 2017.
  12. WikiLeaks offers $10,000 to get Intercept reporter fired. In: The Hill. 6. Juni 2017, abgerufen am 6. Juni 2017.
  13. Wikileaks' Julian Assange tweets support for NSA 'whistleblower' Reality Leigh Winner. In: Daily Express. 6. Juni 2017, abgerufen am 6. Juni 2017.
  14. Alan Blinder: "N.S.A. Contractor May Have Mishandled Secrets Before, Prosecutor Says" New York Times vom 8. Juni 2017
  15. FAZ.NET mit epd: NSA-Whistleblowerin zu Haft verurteilt. In: FAZ.net. 24. August 2018, abgerufen am 13. Oktober 2018.
  16. Der Drucker hat sie verraten. In: republik.ch. 27. Juli 2021, abgerufen am 31. Juli 2021.
  17. Reality (2023). In: Kino-Zeit. Abgerufen am 19. Februar 2023.