Rainvilleterrasse

Wohnstraße und Gebäude in Hamburg-Ottensen

Die Rainvilleterrasse ist eine kleine Wohnstraße in Hamburg-Ottensen. Das namensgebende Gartenrestaurant Rainville bestand im 19. Jahrhundert in Hochlage über der Elbe 250 Meter stromabwärts des Altonaer Balkons. Das heutige Gebäude Rainvilleterrasse 4 wurde Anfang der 1930er Jahre als Seefahrtschule errichtet; seit etwa 2015 beherbergt es eine Hochschule sowie eine Fachschule für Kommunikationsdesign und im Erdgeschoss ein Restaurant.

Rainvilles Garten um 1815

Geschichte Bearbeiten

Gebäude und Garten Bearbeiten

Bereits im 17. Jahrhundert unterhielten reiche Kaufleute aus Hamburg in Neumühlen, Ottensen und Othmarschen Landhäuser und „Lustgärten“. Im Besonderen waren dies eingewanderte Niederländer und portugiesische Juden, die aus ihrer Heimat gewohnt waren, in den Sommermonaten in Landhäusern mit gepflegten Gärten zu leben.[1]

Als Voreigentümer des Geländes sind eine Reihe Politiker und Diplomaten bekannt: der Rechtsgelehrte Rutger Rulant[2] (1568–1630), 1652 der Leipziger Bürgermeister Christian Lorentz von Adlershelm (1608–1684), 1661 der spätere hannoversche Gesandte Johann Jacob von Hiebener (1623–1711) und 1677 der schwedische Resident Manuel Teixeira (1631–1705), einziger Sohn des Abraham Senior Teixeira und wie sein Vater Gesandter der abgedankten Königin Christina von Schweden. Der General Georg Ludwig von Köller-Banner,[3] kaufte es 1776.[4] Als er 1781 nach Stettin zog, vermietete er Haus und Garten „zum öffentlichen Gasthause“.[5] 1794 erwarb der Kaufmann (und ab 1795 Gesandte der Batavischen Republik) Balthasar Elias Abbema (1739–1805) das Anwesen für 40.000 Mark und ließ dort noch im selben Jahr von Christian Frederik Hansen ein Landhaus errichten.

Das aus Stichen und Lithographien überlieferte Haus war ein zweigeschossiger Putzbau auf einem rechteckigen Grundriss. Die Fassade zur Elbe wurde durch vier Säulen, die einen Dreiecksgiebel trugen, und eine Loggia ausgeführt.[6]

In der Folgezeit waren die Besitz- und Eigentumsverhältnisse wechselvoll und zeitweise nicht eindeutig, weshalb in der Literatur widersprüchliche Angaben zu finden sind. 1798 kaufte Constantin Joseph Banot das Haus und Gelände.[7] Möglicherweise war der Namensgeber César Rainville zu dieser Zeit bereits Mieter. 1799 kaufte er mit Louis de Beaumont das Anwesen. Ab 1802 war Rainville als Gastwirt eingetragen, soll aber schon vorher Gäste beherbergt haben.[8] Er betrieb dort ein vornehmes Wirtshaus und machte daraus in kurzer Zeit eine weithin bekannte Attraktion.[9] „Mit Rainvilles Finanzen scheint es nicht besonders gut gestanden zu haben.“ 1811 kaufte Rechtsanwalt Joh[ann] Chr[istoph] Georg Adler (1758–1815)[10] in öffentlicher Auktion für den wohlhabenden französischen Diplomaten de Bourrienne das Anwesen. Rainville wurde Pächter. 1835 wurde Frau Jeanne Rainville in einem öffentlichen Konkursverfahren neue Eigentümerin.[11]

 
Julius Gottheil: Rainville’s Garten, um 1850
 
Carl Reinhardt: Rainville’s Garten 1856

Mit der Industrialisierung des Elbufers verlor der Standort nun nach und nach sein romantisches Flair. Rainville starb 1845, seine Frau 1851. Der Baedeker vergab wie 1855 auch 1862 noch einen Stern für „Rainvilles Gasthof und Garten mit einem schönen Blick auf die Elbe, an hübschen Sommer-Nachmittagen, besonders Sonntag und Donnerstag, bei Harmonie-Musik von der Hamburger feinen Welt zahlreich besucht.“[12] 1867 wurde das von Christian F. Hansen errichtete Haus abgerissen. An der Verlängerung der Palmaille nach Westen, die auf der Rückseite des Gasthofes gelegen war, wurden nun Häuser gebaut. Am Elbhang kam es im Zuge des Ausbaus der Verkehrsverbindung vom Altonaer Bahnhof zu den Hafenanlagen an der Elbe 1868 und 1876 zu Erdrutschen, die sogar einen Teil der Neumühlener Kaianlagen beschädigten. Auf einer mächtigen Stützmauer entstand schließlich die Rainvilleterrasse, an der sich 1884 das Gesellschaftshaus Neu-Rainville mit Restauration à la carte und täglichem Gr. Garten-Concert etablierte. Infolge des Ersten Weltkrieges wurde der Betrieb aufgegeben. 1921 wurde das Haus von der Eisenbahndirektion übernommen und bis 1929 von verschiedenen Behörden genutzt.

Seefahrtschule Bearbeiten

 
Ehemalige Seefahrtschule 2017

Danach wurde es abgebrochen. An seiner Stelle errichtete die Preußische Staatshochbauverwaltung bis 1935 nach einem Entwurf des Architekten Hans Meyer die Altonaer Seefahrtschule,[13] einen langgestreckten, durch Fensterbänder in vier Geschosse gegliederten kubischen Baukörper im Stil des Neuen Bauens mit Betonung der Ostecke durch weit vorkragende Balkons.[14][15][16] Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Schule mit der 1749 gegründeten Hamburger Seefahrtschule vereinigt, deren prächtiges, von Albert Erbe geplante Gebäude Bernhard-Nocht-Straße 76 auf den Deutschen Wetterdienst überging.

2005 wurde die Seefahrtschule von der Stadt geschlossen und das Gebäude zum Verkauf gestellt. Im März 2009 billigte die Bezirksversammlung Altona einen Entwurf der Architekten Allmann Sattler Wappner für einen Neubau als Hauptverwaltung der Rickmers Reederei.[17] Nachdem sich die Reederei im Juni 2010 von diesen Plänen verabschiedet hatte, verkaufte die Stadt das Gelände an eine Investorengruppe um den Architekten Meinhard von Gerkan und die Projektentwicklung „Team Hamburg“ Peter Jorzick.[18][19] Die Seefahrtschule wird erhalten, unter Denkmalschutz gestellt und nach Renovierung von der Academy for Architectural Culture (aac) der gmp-Stiftung der Architekten Gerkan, Marg und Partner,[20] der Brand University of Applied Sciences und der Design-Factory International – College of Communication Arts and Interactive Media GmbH genutzt. Auf dem früheren Parkplatz der Schule sollen nach einem Entwurf des Parisers Büros Michel Kagan & Associés 32 Eigentumswohnungen gebaut werden.[21][22] Im Zusammenhang mit den Demonstrationen in Hamburg am 21. Dezember 2013 wurden 58 der inzwischen vollständig erneuerten Fenster eingeschlagen und Farbbeutel gegen die Fassade geworfen. Entsprechende Anschläge wurden auch auf das Büro GMP und das Wohnhaus Meinhard von Gerkans verübt.[23][24]

Die Hochschule sowie die Fachschule für Kommunikationsdesign haben ihre Arbeit aufgenommen. Im Erdgeschoss des Hauses eröffnete 2014 das Restaurant Rainvilles Elbterrassen mit Bar, privaten Dining-Rooms und Bankettsaal,[25] welches bereits 2019 wieder schließen musste.[26]

Literatur Bearbeiten

  • Gert Kähler: Über der Elbe. Die Seefahrtschule Hamburg. Von Rainville’s Garten zum Campus Rainvilleterrasse. Hrsg.: Meinhard von Gerkan. Dölling und Galitz, Hamburg/München 2014, ISBN 978-3-86218-055-4.
  • Wolfgang Retzlaff: Ottensen Chronik. Ottensener Bürgerverein, Hamburg-Ottensen 1994, S. 238.
  • Paul Th. Hoffmann: Die Elbchaussee: ihre Landsitze, Menschen und Schicksale. 7. Auflage, Verlag Broschek, Hamburg 1966, S. 50 ff.: Rainville, der „Weinberg“ und der Plangesche Gartenbesitz.
  • Renata Klee Gobert: Landhaus Abbéma, nachmals Rainville. In: Altona. Elbvororte (= Die Bau- und Kunstdenkmale der Freien und Hansestadt Hamburg. Band 2). 2. Auflage. Christians, Hamburg 1970, S. 168 (Enthält zahlreiche Literaturhinweise).
  • P. Piper: VIII. Die Franzosen an der Elbe. – Rainville, … In: Altona und die Fremden, insbesondere die Emigranten, vor hundert Jahren. Festschrift zum Stadtjubiläum am 23. August 1914. J. Harder, Altona 1917, S. 104–106 (Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3D%7B%7B%7B1%7D%7D%7D~GB%3D~IA%3Daltonaunddiefrem00eato~MDZ%3D%0A~SZ%3D104~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D).
  • Wilhelm Volckens, Peter Hoppe: Rainvilles Garten. In: Neumühlen und Oevelgönne. Historische Skizzen von Wilhelm Volckens und Mittheilungen aus dem Archive der Oevelgönner und Neumühlener Lootsen-Brüderschaft von Peter Hoppe. Schlütersche Buchhandlung, Altona 1895, S. 69 (online).
  • [Friedrich August von Aspern]: Der Rainville’sche Garten. In: Kleine Beiträge zur Geschichte und näheren Kenntniß der Stadt Altona. Altona 1849, S. 57 (Vorschau in der Google-Buchsuche ).
  • Johann Martin Lappenberg: Die Elbkarte des Melchior Lorichs vom Jahre 1568. Joh. Aug. Meissner, Hamburg 1847, S. 76 [88], urn:nbn:de:bvb:12-bsb10002960-4.
  • Friedrich Johann Lorenz Meyer: Skizzen zu einem Gemälde von Hamburg. Von dem Verfasser der Darstellungen aus Italien. Band 1. Friedrich Hermann Nestler, Hamburg 1801, S. 86 ff. (S. 86ff. in der Google-Buchsuche ).

Weblinks Bearbeiten

Commons: Gartenrestaurant Rainville in Ottensen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Wilhelm Volckens: Die Landhäuser der Flottbeker Chaussee auf Othmarschener und Övelgönner Gebiet im 19. Jahrhundert. In: Mitteilungen des Vereins für hamburgische Geschichte. Band 39, Nr. 1919. W. Mauke Söhne, 1920, S. [7] 200–201 (online).
  2. Otto Beneke: Rulant, Rütger I., II., III. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 29, Duncker & Humblot, Leipzig 1889, S. 635 f.
  3. Köller wurde 1772 infolge seiner Beteiligung an der Verhaftung der Königin Mathilde und am Sturz Johann Friedrich Struensee unter dem Namen Banner in die dänischen Adelsstand erhoben (Quelle: Johann Martin Lappenberg: Die Elbkarte des Melchior Lorichs ).
  4. Volkens, Hoppe: Neumühlen und Oevelgönne, S. 70
  5. Johann Martin Lappenberg nennt die Quelle, wann der Banner-Hof erstmals als Wirtshaus erwähnt wird.
  6. Renata Klee Gobert: Altona.Elbvororte.
  7. P. Piper: Altona und die Fremden, S. 104
  8. P. Piper: Altona und die Fremden, S. 105.
  9. Torhild Hinrichsen: César Rainville. In: Franklin Kopitzsch, Dirk Brietzke (Hrsg.): Hamburgische Biografie. Personenlexikon. Band 2. Wallstein Verlag, 2001, ISBN 3-7672-1366-4 (S. 333 f. in der Google-Buchsuche ).
  10. Er war ein Bruder von Jacob Georg Christian Adler.
  11. Volkens, Hoppe: Neumühlen und Oevelgönne, S. 73.
  12. 5. Von Hamburg nach Kiel. In: K. Baedeker: Deutschland; Zweiter Theil Mittel- und Nord-Deutschland, zehnte verb. Auflage, Karl Baedeker, Coblenz, 1862, S. 43 Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttps%3A%2F%2Fbooks.google.de%2Fbooks%3Fid%3DocINAAAAYAAJ%26pg%3DPA43%23v%3Donepage%26q%26f%3Dfalse~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D.
  13. Das bis dahin von der vormaligen Königlich Preußischen Navigationsschule genutzte Gebäude an der nordöstlichen Ecke der Kreuzung Allee (heute: Max-Brauer-Allee) / Große Bergstraße wurde im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört.
  14. Dehio-Handbuch Hamburg / Schleswig-Holstein (bearb. Johannes Habich), Deutscher Kunstverlag, München 1971, S. 45.
  15. Ralf Lange: Architekturführer Hamburg, Stuttgart 1995, ISBN 3-930698-58-7.
  16. Simone Wendorff: Ein Stück Altona: Die Seefahrtsschule Rainvilleterrasse. In: altona.info. 15. August 2014, archiviert vom Original am 24. Februar 2010; abgerufen am 20. Januar 2015.
  17. Raum für neue Architektur: Rainvilleterrasse. (PDF) In: Auslobung beschränkter, einstufiger, hochbaulicher Realisierungswettbewerb in Form eines Einladungswettbewerbs mit bis zu Teilnehmern. Rainvilleterrasse 4 GmbH & Co. KG, Juni 2007, abgerufen am 11. März 2017.
  18. Pressemeldung Neues Leben in die alte Seefahrtschule. In: hamburg.de. 17. Februar 2011, abgerufen am 20. Januar 2015.
  19. Olaf Dittmann: Neue Zukunft für die alte Seefahrtschule. In: welt.de. 25. Februar 2011, abgerufen am 20. Januar 2015.
  20. Aktuell - gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner. In: gmp-architekten.de. 3. Januar 1935, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 20. Januar 2015; abgerufen am 20. Januar 2015.
  21. Neubau einer Wohnanlage im Bereich der Rainvilleterrasse. In: [Wettbewerbs]Ergebnisse. competitionline Verlags GmbH, September 2011, abgerufen am 11. März 2017.
  22. Hochbaulicher Wettbewerb „Neubau einer Wohnanlage im Bereich der Rainvilleterrassen“. In: Planen, Bauen, Wohnen. hamburg.de, abgerufen am 11. März 2017.
  23. Olaf Wunder, Anastasia Iksanov: Bekennerschreiben: Nach Krawall-Demo: Anschlag auf Star-Architekten. In: mopo.de. 27. Dezember 2013, abgerufen am 20. Januar 2015.
  24. Olaf Wunder: Nach Attentat auf Villa: Star-Architekt: „Ihr habt euch den Falschen ausgesucht!“ In: mopo.de. 3. Januar 2014, abgerufen am 20. Januar 2015.
  25. Das Auge isst mit in Ottensen, welt.de, 27. Juli 2014, abgerufen am 21. März 2015
  26. Rainvilles schließt, Bericht auf abendblatt.de vom 17. April 2020, abgerufen am 12. August 2020

Koordinaten: 53° 32′ 44,7″ N, 9° 55′ 52,2″ O