RS-28 (Rakete)

russische Interkontinentalrakete

Die RS-28 „Sarmat“ (russisch РС-28 Сармат) ist eine Interkontinentalrakete aus russischer Produktion. Der NATO-Codename lautet SS-X-30 Satan 2.[1]

RS-28 (Rakete)
Allgemeine Angaben
Typ Interkontinentalrakete
Heimische Bezeichnung RS-28 Sarmat, 15A28
NATO-Bezeichnung SS-X-30 Satan 2
Herkunftsland Russland Russland
Hersteller Staatliches Raketenzentrum Makejew
Indienststellung in Entwicklung
Technische Daten
Länge 35,5 m
Durchmesser 3,00 m
Gefechtsgewicht 208,1 Tonnen
Antrieb
Erste Stufe
Zweite Stufe
Dritte Stufe

Flüssigkeitsraketentriebwerk
Flüssigkeitsraketentriebwerk
Flüssigkeitsraketentriebwerk
Reichweite 18.000 km
Ausstattung
Lenkung INS und GLONASS
Gefechtskopf 10–15 MIRV Nukleargefechtsköpfe
Waffenplattformen Raketensilo
Listen zum Thema

Entwicklung Bearbeiten

Name Bearbeiten

Der russische Name RS-28 „Sarmat“ ist eine Referenz an das Nomadenvolk der Sarmaten,[2] die NATO-Bezeichnung „Satan 2“ ergibt sich daraus, dass die RS-28 nicht nur als Nachfolgerin der R-36M mit dem NATO-Code „Satan“ gilt, sondern auch gleich aufgebaut ist.[3]

Nachfolgerin der R-36M Bearbeiten

Die RS-28 „Sarmat“ soll bei den Strategischen Raketentruppen Russlands die aus den 1980er-Jahren stammende R-36M (NATO-Codename: SS-18 Satan) ersetzen. Die Entwicklungsarbeiten werden vom Staatlichen Raketenzentrum Makejew in Miass durchgeführt. Die russische Nachrichtenagentur TASS meldete, dass die Entwicklung und Forschung in den 2000er Jahren begonnen habe und 2011 abgeschlossen wurde.[2] Im Jahr 2018 lag die RS-28-Produktion auf Basis eines 2011 unterzeichneten Produktionsvertrags etwa zwei Jahre hinter dem Zeitplan zurück,[4] im November 2019 sprach die Nuclear Threat Initiative (NTI) von vier Jahren Rückstand. Zu diesem Zeitpunkt war das System noch nicht als Ganzes getestet worden.[5] Der erste Prototyp der Rakete wurde 2015 fertiggestellt.[6]

Flugtests Bearbeiten

Video des russischen Verteidigungsministeriums, das den Test einer RS-28 „Sarmat“ im Kosmodrom Plessezk am 20. April 2022 zeigt.

Nachdem der erste Flugtest des Gesamtsystems für das Jahr 2017 angekündigt war, fand dieser fünf Jahre später am 20. April 2022 um 15:12 Moskauer Zeit statt.[7][8] Die Sprengkopfattrappen sollen laut russischen Angaben nach ihrem Start aus einem Raketensilo im Kosmodrom Plessezk in der Region Archangelsk ein Testziel auf Kamtschatka getroffen haben. Zuvor haben seit Dezember 2017 mindestens drei sogenannte „Ejection Tests“ (englisch „Auswurf-Test“) stattgefunden, bei denen der Abschussvorgang der Rakete getestet wird, ohne dass sie dabei eine lange Flugdistanz zurücklegt.[9][10][11]

Der Test im April 2022 erfolgte während des russischen Überfalls auf die Ukraine.[12] Der russische Präsident Wladimir Putin pries die Rakete als technologisch überlegen.[9] Das US-amerikanische Verteidigungsministerium schätzte den Test nicht als Bedrohung ein, Sprecher John Kirby nannte ihn „Routine“, Russland hatte die USA vorab informiert.[13] Die technische Überlegenheit wurde ebenfalls angezweifelt; die neue Rakete könne nichts, was ihr Vorgänger nicht auch beherrscht hätte; selbst die Ausrüstung mit möglicherweise zwei Awangard-Gleitflugkörpern müsse nicht ein Vorteil gegenüber den 10 Sprengköpfen der Vorgängerraketen sein.[3]

Ein zweiter Flugtest erfolgte laut US-amerikanischen Beamten Ende Februar 2023. Auch bei diesem Test sollen die USA vorab informiert worden sein. Der Flugtest soll mit einer Havarie geendet haben.[14][15]

Technischer Aufbau Bearbeiten

Die mit Flüssigtreibstoff angetriebene Sarmat soll eine Gesamtmasse von 208 Tonnen haben, 35 Meter lang sein und eine Maximalreichweite von 18.000 Kilometern besitzen und aus Raketensilos gestartet werden.[11] Verglichen mit der US-amerikanischen Minuteman III wäre die Sarmat damit ungefähr sechsmal so schwer und doppelt so lang.[6][16] Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, die Entwicklung sei unter anderem eine Reaktion auf das US-System Prompt Global Strike.[17]

Laut Generaloberst Sergej Karakajew (Befehlshaber der strategischen Raketentruppen des russischen Militärs) soll die Rakete mehrere Awangard-Stratosphären-Gleitflugkörper transportieren können.[18] Die russische Angabe, sie könne über 15 MIRV-Nuklearsprengköpfe befördern, wird von Nuklearwaffen-Forschern der Federation of American Scientists als übertrieben angesehen, sie gehen von maximal 10 Sprengköpfen aus.[19] Die RS-28 soll über eine leistungsstarke erste Raketenstufe verfügen. Somit soll sie schneller als bisherige Interkontinentalraketen die unteren Atmosphärenschichten durchqueren. Dadurch wird eine Lokalisierung durch weltraumbasierte Sensoren erschwert.[20][21]

Indienststellung Bearbeiten

Die Rakete soll laut einer Aussage im Jahr 2014 von einer ungenannten Quelle aus dem russischen Verteidigungsministerium bei den russischen Streitkräften in Uschur und Dombarowski in sieben Regimentern stationiert werden. Die Quelle sprach dabei von 46 Raketen.[8] Dmitri Rogosin, der damalige Chef der Raumfahrtbehörde Roskosmos, äußerte sich der Agentur Interfax zufolge am 22. Mai 2022, Russland beabsichtige bis Ende Herbst 2022 rund 50 neue Interkontinentalraketen vom Typ RS-28 in den Dienst zu stellen. Die Raketen sollen im sibirischen Krasnojarsk produziert werden.[22] Die Serienproduktion soll laut russischen Quellen angeblich im November 2022 begonnen haben.[23] Unter Berufung auf Roskosmos-Direktor Juri Borissow berichteten russische Medien Anfang September 2023, die RS-28 sei nun in Dienst.[24] Im Widerspruch dazu ließ der Verteidigungsminister Sergei Schoigu am 7. Oktober 2023 anlässlich eines Besuchs der Rüstungsfabrik Kramasch in der sibirischen Stadt Krasnojarsk verlauten, die Sarmat-Raketen würden „in naher Zukunft in den Dienst gestellt“.[25]

Siehe auch Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Новую тяжелую ракету „Сармат“ будут делать в Красноярске — Российская газета: Новую тяжелую ракету „Сармат“ будут делать в Красноярске — Российская газета, abgerufen am 31. Juli 2018
  2. a b Key facts about Russia’s advanced Sarmat ICBM system. TASS, 1. März 2018, abgerufen am 14. Mai 2022 (englisch).
  3. a b Хоть чучелом, хоть пушкой. Nowaja gaseta. Europa, 20. August 2022.
  4. Michael Kofman: Emerging Russian Weapons: Welcome to the 2020s (Part 1 – Kinzhal, Sarmat, 4202). In: russianmilitaryanalysis.wordpress.com. Russia Military Analysis, 4. März 2018, abgerufen am 31. Januar 2019 (englisch).
  5. Russia's New Nuclear Weapon Delivery Systems – An Open-Source Technical Review, Nuclear Threat Initiative, 13. November 2019
  6. a b RS-28 Sarmat. In: Missile Threat. Center for Strategic and International Studies, 31. Juli 2021, abgerufen am 21. April 2022 (amerikanisches Englisch).
  7. Russianforces.org: Sarmat deployment plans
  8. a b Источник: МБР „Сармат“ будут вооружены семь ракетных полков РВСН. In: ria.ru. RIA Novosti, 26. Dezember 2014, abgerufen am 30. April 2022 (russisch).
  9. a b Mathias Brüggmann: Sarmat-Raketen: Putin droht dem Westen mit neuer Atomwaffe – doch die USA winken ab. In: Handelsblatt.com. Handelsblatt, 20. April 2022, abgerufen am 22. April 2022.
  10. Mike Wall: Russia conducts 1st full flight test of new 'Sarmat' intercontinental ballistic missile. In: Space.com. Space.com, 22. April 2022, abgerufen am 22. April 2022 (englisch).
  11. a b Miko Vranic: Russia's Sarmat super-heavy ICBM undergoes first full flight test. In: Janes.com. Janes, 21. April 2022, abgerufen am 22. April 2022 (englisch).
  12. David E. Sanger: Russia’s Missile Test Fuels U.S. Fears of an Isolated Putin. In: The New York Times. 20. April 2022, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 21. April 2022]).
  13. Machtdemonstration: Russland testet Interkontinentalrakete. In: sueddeutsche.de. dpa, 20. April 2022, abgerufen am 22. April 2022.
  14. Russianforces.org: Failed flight test of Sarmat
  15. Oren Liebermann, Natasha Bertrand: US believes Russia had failed intercontinental ballistic missile test around when Biden was in Ukraine. In: cnn.com. 22. Februar 2023, abgerufen am 17. August 2023 (amerikanisches Englisch).
  16. Jörg Römer: (S+) Russland – Test von neuer Interkontinentalwaffe: Wie gefährlich ist die Sarmat-Rakete? In: Der Spiegel. 21. April 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 22. April 2022]).
  17. "Минобороны рассказало о тяжелой баллистической ракете - неуязвимом для ПРО ответе США". Das Russische Verteidigungsministerium spricht über eine schwere ballistische Rakete – als Antwort auf die US -Raketen Verteidigung. In: newsru.com. 31. Mai 2014, abgerufen am 22. April 2022.
  18. Ukraine-News am Sonntag: Sarmat-Rakete soll mehrere Hyperschallwaffen tragen können. In: Der Spiegel. 24. April 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 24. April 2022]).
  19. Bulletin of the Atomic Scientists: Hans M. Kristensen & Matt Korda: Russian nuclear forces, 2019
  20. Frank Herold: USA modernisieren Raketenabwehr. In: Der Tagesspiegel. Verlag Der Tagesspiegel GmbH, 18. Januar 2019, abgerufen am 2. Februar 2019: „Mit aufwändigen Computer-Simulationen präsentierte Putin damals die Interkontinentalrakete „RS 28 Sarmat“. Ihre Triebwerke hätten eine so kurze Brenndauer, erklärte der russische Präsident damals, dass sie kaum abzufangen sei“
  21. Alexandra Leistner: Video: Russland testet neue „Satan“-Interkontinentalrakete. In: euronews.com. 13. März 2018, abgerufen am 2. Februar 2019: „Der RS-28 Sarmat soll bis zu 10 oder 15 Atomsprengköpfe tragen und mit Überschallgeschwindigkeit fliegen können.“
  22. Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage. In: sueddeutsche.de. dpa, 22. Mai 2022, abgerufen am 22. Mai 2022.
  23. Russlands Hightech-Waffe: Interkontinentalrakete "Sarmat" geht in Serie. In: rtde.live. "TV-Novosti", 25. November 2022, abgerufen am 27. November 2022.
  24. https://english.pravda.ru/news/russia/157558-russa_sarmat/
  25. Moskau: Neue Interkontinentalrakete bald einsatzbereit orf.at, 7. Oktober 2023, abgerufen am 7. Oktober 2023.