Ein Prämaß ist eine spezielle Mengenfunktion in der Maßtheorie, die verwendet wird, um den intuitiven Volumenbegriff mathematisch zu präzisieren. Im Gegensatz zu einem Maß muss der Definitionsbereich eines Prämaßes keine σ-Algebra sein.

Definition Bearbeiten

Eine Mengenfunktion   von dem Mengensystem   heißt Prämaß, wenn sie die folgenden Eigenschaften erfüllt:

  • Es ist  
  • Sie ist σ-additiv, das heißt für jede Folge   abzählbar vieler paarweise disjunkter Mengen aus   mit   gilt:
 

Alternativ lässt sich ein Prämaß auch als ein  -additiver Inhalt definieren. Als Mengensystem   wählt man meist einen Halbring oder einen Ring. Ein Prämaß heißt endlich, wenn   für alle   gilt. Ein Prämaß heißt  -endlich, wenn es eine Zerlegung   von   in   gibt, so dass   für alle   gilt.

Eigenschaften Bearbeiten

Je nachdem, auf welchem Mengensystem ein Prämaß definiert ist, ändern sich die Eigenschaften. Zusätzlich zu allen hier genannten Eigenschaften gelten auch alle Eigenschaften von Inhalten auf dem entsprechenden Mengensystem.

Im Halbring Bearbeiten

Falls   ein Halbring ist, dann kann man zu jedem Prämaß   auf   ein eindeutiges Prämaß   auf dem von   erzeugten Ring   konstruieren. Siehe hierzu auch den Abschnitt über Fortsetzungen.

Im Ring Bearbeiten

Falls   ein Inhalt auf einem Ring   ist, dann gelten bei den folgende Eigenschaften die Implikationen:  

  1.   ist ein Prämaß.
  2. σ-subadditiv (Sigma-subadditiv), es gilt folglich:
      für jede Folge von Mengen   in   mit  
  3. Stetigkeit von unten: Ist   eine gegen   aufsteigende Folge von Mengen aus  , so ist  .
  4. Stetigkeit von oben: Ist   eine gegen   absteigende Folge von Mengen aus   mit  , so ist  .
  5. Stetigkeit gegen  : Ist   eine gegen   absteigende Folge von Mengen aus  , so ist  .

Diese Eigenschaften werden auch oft als Charakterisierung genutzt. Ist das Prämaß endlich, so gilt bei allen Eigenschaften Äquivalenz.

Fortsetzbarkeit Bearbeiten

Von Halbringen auf Ringe Bearbeiten

Man kann zu jedem Prämaß   auf dem Halbring   ein Prämaß   auf dem von   erzeugten Ring   konstruieren. Aufgrund der Eigenschaften eines Halbringes gibt es für alle   paarweise disjunkte Mengen   mit  . Indem man   durch

 

definiert, erhält man eine eindeutig bestimmte Fortsetzung  . Die Fortsetzung   ist genau dann  -endlich, wenn    -endlich ist.

Zu einem Maß Bearbeiten

Nach dem Maßerweiterungssatz von Carathéodory kann ein Prämaß auf einem Ring   zu einem Maß auf der vom Ring erzeugten σ-Algebra fortgesetzt werden. Dazu wird aus dem Prämaß zuerst ein äußeres Maß   konstruiert. Diejenigen Mengen, die bezüglich dieses äußeren Maßes messbar sind bilden eine σ-Algebra  . Die Einschränkung   des äußeren Maßes auf diese σ-Algebra ist dann ein Maß, dass auf   mit dem Prämaß übereinstimmt. Des Weiteren enthält   den Ring   und damit auch die von dem Ring erzeugte σ-Algebra  .

Außerdem ist   ein Vollständiger Maßraum und   ist die Vervollständigung von  .

Ist das Prämaß σ-endlich, so folgt mit dem Eindeutigkeitssatz für Maße die Eindeutigkeit der Fortsetzung.

Beispiele Bearbeiten

Lebesguesches Prämaß Bearbeiten

Das wichtigste Prämaß ist das sogenannte Lebesgue'sche Prämaß

 .

auf dem Halbring der halboffenen Intervalle   auf den reellen Zahlen. Es lässt sich auch auf höhere Dimensionen verallgemeinern. Aus ihm wird das Lebesgue-Maß und anschließend das Lebesgue-Integral konstruiert.

Lebesgue-Stieltjessches Prämaß Bearbeiten

Ein weiteres wichtiges Prämaß ist das Lebesgue-Stieltjesches Prämaß, aus dem sich das Lebesgue-Stieltjes-Maß und das Lebesgue-Stieltjes-Integral ableitet:

 ,

wobei   eine wachsende rechtsseitig stetige reellwertige Funktion ist. Ist   nicht rechtsseitig stetig, so handelt es sich um den Stieltjes’schen Inhalt. Für   stimmt es mit dem Lebesgueschen Prämaß überein. Jedes endliche Prämaß auf den Reellen Zahlen kann als Lebesgue-Stieltjessches Prämaß dargestellt werden mit einer passenden Funktion  .

Literatur Bearbeiten

  • Jürgen Elstrodt: Maß- und Integrationstheorie. 6. Auflage. Springer, Berlin/Heidelberg/New York 2009, ISBN 978-3-540-89727-9.
  • Achim Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2. Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2008, ISBN 978-3-540-76317-8