Phonochirurgie

medizinisches Spezialgebiet, welche sich mit stimmverbessernden Operationen befasst

Die Phonochirurgie ist ein medizinisches Spezialgebiet, welches sich mit stimmverbessernden Operationen beschäftigt. Sie wird überwiegend durch Phoniater und HNO-Ärzte praktiziert. Im Gegensatz zur klassischen HNO-Heilkunde, die sich mehr mit diagnostischen und allgemein-therapeutischen Eingriffen im Kehlkopf befasst, wird in der Phonochirurgie gezielt in Bezug auf Stimmstörungen operativ behandelt.

Erweiterte Definitionen Bearbeiten

Der Begriff Phonochirurgie wurde von Hans von Leden gemeinsam mit Gottfried Eduard Arnold erstmals 1963 verwendet. Sie bezeichneten "Phonochirurgie als diejenigen Eingriffe am Larynx, die primär und ausschließlich der Verbesserung oder Wiederherstellung der Stimmfunktion als Hauptindikation haben".[1] Die International Association of Phonosurgeons[2] erweiterte 2000 in Abano Terme die Beschreibung: "Phonochirurgie beschreibt ein funktionell-chirurgisches Vorgehen, das ausschließlich oder auch als Anteil der

  • Verbesserung und/oder
  • Wiederherstellung und/oder
  • Erhaltung der Stimme und des Sprechvermögens

dient".

Historie Bearbeiten

Der erste dokumentierte phonochirurgische Eingriff wurde 1860 in Tübingen vom Chirurgen Viktor von Bruns durchgeführt: ohne jegliche Anästhesie, die es damals nicht gab, entfernte er seinem Bruder einen Stimmlippenpolypen in indirekter Laryngoskopie mittels Kehlkopfspiegel.[3]

Einsatzgebiete Bearbeiten

Gutartige Veränderungen wie Stimmlippenknötchen, Stimmlippenpolypen, Kehlkopfgranulome oder Reinke-Ödeme beeinträchtigen durch Behinderung des Schwingungsablaufes der Stimmlippenschleimhaut die Phonation. Der Phonochirurg entfernt diese Veränderungen so, dass wieder eine Stimmnormalisierung eintreten kann. Ein weiteres Einsatzgebiet der Phonochirurgie besteht bei Glottisschlussinsuffizienzen durch z. B. Stimmlippenstillstände, nach Schädigungen durch Intubation, Muskel-/Schleimhautschäden der Stimmlippe nach Infekten etc. Durch Unterfütterungen mit z. B. Kollagenpräparaten seitlich neben die Stimmlippe wird der mangelnde Schluss beseitigt. Bei bleibenden Stimmlippenstillständen kann durch Phonochirurgen in einem operativen Eingriff von außen der Stimmlippenschluss wiederhergestellt werden: ein Fenster im Schildknorpel, und damit auch die betroffene Stimmlippe, wird zur Mitte verlagert, indem Knorpelstücke, Silikon oder Metallspangen eingesetzt werden. Ein weiteres Gebiet der Stimmverbesserung besteht in der Feminisierung der Stimme bei trans Frauen.

Üblicherweise werden diese phonochirurgischen Eingriffe über ein OP-Laryngoskop unter dem OP-Mikroskop in Vollnarkose durchgeführt. Viele dieser Eingriffe können auch in örtlicher Betäubung (Lokalanästhesie) erfolgen. Das hat den Vorteil, dass bereits intraoperativ beim wachen Patienten der OP-Erfolg durch auditive Stimmbeurteilung und vor allem unter stroboskopischer Kontrolle des Schwingungsverhaltens der Stimmlippenschleimhaut überprüft werden kann. Während früher dieser Eingriff über ein OP-Mikroskop und Kehlkopfspiegel durchgeführt wurde, erfolgen die phonochirurgischen Eingriffe in Lokalanästhesie heutzutage unter videolaryngostroboskopischer Kontrolle.

Organisation Bearbeiten

In Deutschland sind viele Phonochirurgen (Phoniater und HNO-Ärzte) in der Deutschen Gesellschaft für Phonochirurgie vertreten, in Europa über das Phonosurgery Committee of the European Laryngological Society (ELS)[4] und international über die International Association of Phonosurgeons (IAP).

Quellen Bearbeiten

  • Markus Hess, Susanne Fleischer, Ulrich Koch: Die Phonochirurgie. In: HÄB. Nr. 12, 2003, S. 546–550 (aerztekammer-hamburg.de [PDF; 1,5 MB; abgerufen am 1. Oktober 2012]).
  • M. Remacle, G. Friedrich, F. G. Dikkers, F. de Jong: Phonosurgery of the vocal folds, a classification proposal. In: Eur Arch Otorhinolaryngol. Band 260, Nr. 1, 2003, S. 1–6, doi:10.1007/s00405-002-0507-5, PMID 12520347.
  • Steven M. Zeitels, Gerald B. Healy: Laryngology and Phonosurgery. In: N Engl J Med. Nr. 9, 2003, S. 882–892, PMID 12944575.
  • G. Friedrich, M. Remacle, M. Birchall, J. P. Marie, C. Arens: Defining phonosurgery: a proposal for classification and nomenclature by the Phonosurgery Committee of the European Laryngological Society (ELS). In: Eur Arch Otorhinolaryngol. Band 264, Nr. 10, 2007, S. 1191–1200, PMID 17647008.
  • H. von Leden: The history of phonosurgery. In: W. J. Gould, R. T. Satalov, J. R. Spiegel (Hrsg.): Voice surgery. Mosby, St. Louis (USA) 1993, ISBN 0-8016-7454-9, S. 65–95.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. H. v. Leden: The history of phonosurgery. In: R. T. Sataloff (Hrsg.): Professional voice - the science and the art of clinical care. Singular Publ. Group, San Diego 1997.
  2. intasp.org: International Association of Phonosurgeons (IAP)
  3. V. Bruns: Die erste Ausrottung eines Polypen in der Kehlkopfshöhle durch Zerschneiden ohne blutige Eröffnung der Luftwege nebst einer kurzen Anleitung zur Laryngoskopie. Laupp+Siebeck, Tübingen 1862.
  4. elsoc.org: Phonosurgery Committee of the European Laryngological Society (ELS) (Memento des Originals vom 24. Dezember 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.elsoc.org