Paul Marchandeau

französischer Politiker, Mitglied der Nationalversammlung

Paul Marie Henri Joseph Marchandeau (* 10. August 1882 in Gaillac, Département Tarn; † 31. Mai 1968 in Paris) war ein französischer Politiker der Parti républicain, radical et radical-socialiste (PRRS), der unter anderem zwischen 1925 und 1942 Bürgermeister von Reims sowie von 1926 bis 1942 Mitglied der Nationalversammlung war. Er bekleidete zudem in den 1930er Jahren zahlreiche Ministerämter in verschiedenen Kabinetten.[1]

Paul Marchandeau (1933)

Leben Bearbeiten

Rechtsanwalt, Bürgermeister von Reims und Mitglied der Nationalversammlung Bearbeiten

Paul Marie Henri Joseph Marchandeau absolvierte nach dem Besuch des Lycée de Toulouse ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität von Paris und erwarb 1909 einen Doktor der Rechte mit der Arbeit De la Vérification des pouvoirs devant les Chambres françaises, in der er sich mit der Frage der Überprüfung von Beglaubigungen vor den französischen Kammern befasste. Nach seiner anwaltlichen Zulassung war er als Rechtsanwalt in Reims tätig sowie als juristischer Berater der Allgemeinen Vereinigung der Winzer (Syndicat général des vignerons). Daneben war er Redakteur für die Tageszeitung La Laterne sowie für die Zeitung L’Eclaireur de l'Est, deren Chefredakteur und Direktor er später war. Er engagierte sich des Weiteren als Ehrenpräsident der Republikanischen Pressevereinigung (Syndicat de la presse républicaine) des Département Marne.

Sein politisches Engagement begann Marchandeau für die Parti républicain, radical et radical-socialiste (PRRS) in der Kommunalpolitik und wurde 1919 Mitglied des Gemeinderates von Reims. Am 15. Mai 1925 wurde er als Nachfolger seines Parteifreundes Charles Roche erstmals Bürgermeister von Reims und bekleidete dieses Amt fünfzehn Jahre lang bis Juni 1940, woraufhin Georges Hodin in ablöste.[2] Als Bürgermeister setzte er sich insbesondere für den Wiederaufbau der Stadt nach dem Ersten Weltkrieg ein. Am 28. Februar 1926 wurde er zudem für die PRRS erstmals Mitglied der Nationalversammlung (Assemblée nationale) und vertrat in dieser bis zum 31. Mai 1942 das Département Marne. Er war des Weiteren Mitglied des Generalrates (Conseil général) des Département Marne sowie zeitweise dessen Präsident. 1934 wurde er zum Präsidenten der Vereinigung der Bürgermeister Frankreichs (Association des maires de France) gewählt.[1]

Unterstaatssekretär und Minister Bearbeiten

Am 23. Februar 1930 übernahm Paul Marchandeau sein erstes Regierungsamt als er für zwei Tage bis zum 25. Februar 1930 im Unterstaatssekretär im Innenministerium (Sous-secrétaire d’Etat à l’intérieur) war. Er war ferner vom 13. Dezember 1930 bis zum 22. Januar 1931 als Sous-secrétaire d’Etat à la présidence du Conseil Unterstaatssekretär im Amt von Premierministers Théodore Steeg. Den Posten des Unterstaatssekretärs im Amt des Premierministers hatte er zwischen dem 3. Juni und dem 14. Dezember 1932 abermals in der dritten Regierung von Premierminister Édouard Herriot inne.

Im zweiten Kabinett Chautemps übernahm Marchandeau am 26. November 1933 das Amt des Haushaltsministers (Ministre du budget) und hatte dieses bis zum 30. Januar 1934 inne. Im darauf folgenden zweiten Kabinett Daladier war er als Nachfolger von François Piétri zwischen dem 4. und dem 9. Februar 1934 erstmals Finanzminister (Ministre des finances). Im zweiten Kabinett Doumergue löste er am 13. Oktober 1934 Albert Sarraut als Innenminister (Ministre de l’intérieur) ab und verblieb in diesem Amt bis zum 8. November 1934. Anschließend bekleidete er zwischen dem 8. November 1934 und dem 31. Mai 1935 den Posten des Ministers für Handel und Industrie (Ministre du commerce et de l’industrie) im Kabinett Flandin.

Am 18. Januar 1938 wurde Paul Marchandeau abermals als Finanzminister in das vierte Kabinett Chautemps berufen und gehörte diesem bis zum 13. März 1938 an. Den Posten des Finanzministers bekleidete er erneut vom 10. April 1938 bis zu seiner Ablösung durch Paul Reynaud am 1. November 1938 im dritten Kabinett Daladier. Im Zuge der Regierungsumbildung vom 1. November 1938 übernahm er wiederum von Paul Reynaud das Amt des Justizministers (Ministre de la justice) und hatte dieses bis zum 11. Mai 1939 im dritten Kabinett Daladier sowie daraufhin zwischen dem 11. Mai und dem 13. September 1939 auch im vierten Kabinett Daladier inne. 1940 stimmte er für die weitgehenden Vollmachten für Marschall Pétain und damit für das Ende der Dritten Republik. Am 27. August 1940 wurde während des Vichy-Regimes die Loi Marchandeau, die eine antisemitische Presseberichterstattung unter Strafe gestellt hatte, abgeschafft.[3] Im November 1940 wurde er Nachfolger von Georges Hodin als Bürgermeister von Reims und behielt dieses Amt bis zum 15. April 1942, woraufhin sein Parteifreund Joseph Bouvier seine Nachfolge antrat.[4] Nach der Befreiung Frankreichs wurde er wegen seiner Unterstützung des Vichy-Regimes für unwählbar erklärt und zog sich aus dem politischen Leben zurück.[5] Für seine Verdienste erhielt er das Ritterkreuz der Ehrenlegion und das Croix de guerre 1914–1918 verliehen.[1]

Veröffentlichung Bearbeiten

  • De la Vérification des pouvoirs devant les Chambres françaises, Dissertation, Universität von Paris, 1909

Weblinks Bearbeiten

Commons: Paul Marchandeau – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c Paul, Marie, Henri, Joseph Marchandeau. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 5. Mai 2023 (französisch).
  2. Reims: Mayors in Rulers
  3. Loi concernant l’accès aux emplois dans les administrations publiques vom 17. Juli 1940, in: Journal officiel de la République Française (JO) vom 18. Juli 1940, S. 4537; Loi concernant l’exercice de la médicine vom 16. August 1940, in: JO vom 19. August 1940, S. 4735f.; Loi réglementant l’accès au barreau vom 10. September 1940, in: JO vom 11. September 1940, S. 4958 und Loi portant abrogation du décret-loi du 21 avril 1939 (loi Marchandeau) vom 27. August 1940, in: JO vom 30. August 940, S. 4844. Vgl. hierzu: Michael Mayer: Staaten als Täter. Ministerialbürokratie und „Judenpolitik“ in NS-Deutschland und Vichy-Frankreich. Ein Vergleich. Mit einem Vorwort von Horst Möller und Georges-Henri Soutou. In: Studien zur Zeitgeschichte. 80, Oldenbourg, München 2010, ISBN 978-3-486-58945-0 (zugl. Diss. München 2007), S. 28–30.
  4. Reims: Mayors in Rulers
  5. Un paradoxe français : antiracistes dans la Collaboration, antisémites dans la Résistance – par Simon Epstein. In: Les Crises. 30. April 2017, abgerufen am 5. Mai 2023 (französisch).
VorgängerAmtNachfolger

Abel Gardey
Französischer Minister für den Haushalt
26.11. 1933 – 27.01. 1934

François Piétri

François Piétri
Georges Bonnet
Léon Blum
Finanzminister
04.02. 1934 – 09.02. 1934
18.01. 1938 – 10.03. 1938
10.04. 1938 – 01.11. 1938

Louis Germain-Martin
Léon Blum
Paul Reynaud

Albert Sarraut
Innenminister
13.10. 1934 – 08.11. 1934

Marcel Régnier

Lucien Lamoureux
Minister für Handel und Industrie
08.11. 1934 – 31.05. 1935

Laurent Eynac

Paul Reynaud
selbst
Justizminister
01.11. 1938 – 11.05. 1939
11.05. 1939 – 13.09. 1939

selbst
Georges Bonnet

Charles Roche
Bürgermeister von Reims
1925–1942

Joseph Bouvier