Die Pareto-Verteilung, benannt nach dem italienischen Ökonom Vilfredo Pareto, ist eine stetige Wahrscheinlichkeitsverteilung auf einem rechtsseitig unendlichen Intervall . Sie ist skaleninvariant und genügt einem Potenzgesetz. Für kleine Exponenten gehört sie zu den endlastigen Verteilungen.

Die Häufigkeit der Einwohnerzahlen deutscher Städte (Histogramm in gelb) kann gut durch eine Pareto-Verteilung (blau) beschrieben werden

Die Verteilung wurde zunächst zur Beschreibung der Einkommensverteilung Italiens verwendet.[1] Pareto-Verteilungen finden sich charakteristischerweise dann, wenn sich zufällige, positive Werte über mehrere Größenordnungen erstrecken und durch das Einwirken vieler unabhängiger Faktoren zustande kommen. Verteilungen mit ähnlichen Eigenschaften sind die Zipfverteilung und das Benfordsche Gesetz.

Begriffsgeschichte Bearbeiten

Im zweiten Band des Cours d’économie politique von Vilfredo Pareto (1897)[1] legt dieser dar, dass die Anzahl der Personen, welche innerhalb eines Staates ein höheres Einkommen als ein Schwellenwert   besitzen, näherungsweise proportional zu   ist, wobei der Parameter   länderübergreifend etwa 1,5 beträgt. Diese Vorgabe definiert bis auf eine Skalierung die nach Pareto benannte Wahrscheinlichkeitsverteilung (über die kumulierte Verteilungsfunktion). Auch zahlreiche andere empirische Verteilungen lassen sich gut als Pareto-Verteilung beschreiben, zum Beispiel Stadtgrößen oder Schadenshöhen in der Versicherungsmathematik.[2]

Definition Bearbeiten

 
Pareto-Wahrscheinlichkeitsdichte f(x) mit xmin = 1
 
Kumulative Verteilungsfunktion F(x)

Eine stetige Zufallsvariable   heißt Pareto-verteilt   mit den Parametern   und  , wenn sie die Wahrscheinlichkeitsdichte

 

besitzt.

Dabei ist   ein Parameter, der den Mindestwert der Verteilung beschreibt. Dieser ist auch gleichzeitig der Modus der Verteilung, also die Maximalstelle der Wahrscheinlichkeitsdichte. Mit steigendem Abstand zwischen   und   sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass   den Wert   annimmt. Der Abstand zwischen den beiden Werten wird als Quotient, das heißt als Verhältnis zwischen beiden Größen, bestimmt.

  ist ein Parameter, der das Größenverhältnis der Zufallswerte in Abhängigkeit von ihrer Häufigkeit beschreibt. Mit   wird der Quotient potenziert. Bei einem größeren   verläuft die Kurve deutlich steiler, das heißt, die Zufallsvariable   nimmt große Werte mit geringerer Wahrscheinlichkeit an.

Die Wahrscheinlichkeit, mit der die Zufallsvariable   einen Wert kleiner oder gleich   annimmt, errechnet sich damit mit der Verteilungsfunktion   für alle  :

 .

Damit errechnet sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Zufallsvariable   Werte größer als   annimmt, durch:

 .

Die Verteilung gehört somit zu den endlastigen Verteilungen.

Eigenschaften Bearbeiten

Erwartungswert Bearbeiten

Der Erwartungswert ergibt sich zu

 

Quantile Bearbeiten

Median Bearbeiten

Der Median ergibt sich zu

 

Überprüfung des Paretoprinzips Bearbeiten

Analog erhält man für das beim Paretoprinzip gefragte 4. Quintil

 .

Der Erwartungswert  , eingeschränkt auf Werte größer als das 4. Quintil, genügt für   der Gleichung

 .

Für  , den von Pareto als typisch angesehenen Wert, ergibt sich ein Erwartungswert, der  , d. h. ca. 58 %, des gesamten Erwartungswertes ausmacht. Würde das Einkommen einer Bevölkerung also einer Pareto-Verteilung mit dem Parameter 1,5 entsprechen, so würden die 20 % mit den höchsten Einkommen nur 58 % des gesamten Einkommens verdienen – nicht 80 %, wie es das Paretoprinzip suggeriert. Dagegen gilt für   die 80-%-20-%-Regel.

Varianz Bearbeiten

Die Varianz ergibt sich zu

 

Standardabweichung Bearbeiten

Aus der Varianz ergibt sich für   die Standardabweichung

 

Variationskoeffizient Bearbeiten

Aus Erwartungswert und Standardabweichung erhält man für   sofort den Variationskoeffizienten

 

Schiefe Bearbeiten

Für die Schiefe erhält man für  

 

Für   ist die Pareto-Verteilung rechtsschief entsprechend der Definition über das zentrale Moment 3. Ordnung. Für   divergiert das 3. Moment, auch wenn die Verteilung wie eine typische rechtsschiefe Verteilung aussieht. Für   ist der Median stets kleiner als der Erwartungswert, im Sinne der Pearsonschen Definition ist die Verteilung rechtsschief; für   sind die Quantilskoeffizienten positiv, d. h. auch im Sinne der Definition über die Quantile ist die Verteilung rechtsschief.

Momente Bearbeiten

Allgemein erhält man für das  -te Moment

 

Charakteristische Funktion Bearbeiten

Die charakteristische Funktion ergibt sich zu:

 

Dabei ist   die unvollständige Gammafunktion.

Momenterzeugende Funktion Bearbeiten

Die momenterzeugende Funktion ist für die Pareto-Verteilung nicht in geschlossener Form angebbar.

Entropie Bearbeiten

Die Entropie ergibt sich zu:  .

Zipfsches Gesetz Bearbeiten

Das Zipfsche Gesetz ist mathematisch mit der Pareto-Verteilung identisch ( - und  -Achse sind vertauscht). Während die Pareto-Verteilung die Wahrscheinlichkeit bestimmter Zufallswerte betrachtet, fokussiert das Zipfsche Gesetz die Wahrscheinlichkeit, mit der Zufallswerte eine bestimmte Position in der Rangfolge der Häufigkeit einnehmen.

Beziehung zu anderen Verteilungen Bearbeiten

Beziehung zur Exponentialverteilung Bearbeiten

Wenn   eine Pareto-verteilte Zufallsvariable   mit den Parametern   und   ist, dann ist   exponentialverteilt   mit dem Parameter  .

Beziehung zur verschobenen Pareto-Verteilung Bearbeiten

Wenn   eine Pareto-verteilte Zufallsvariable ist, dann genügt   einer verschobenen Pareto-Verteilung.

Ungleichverteilungsmaße und das Pareto-Prinzip Bearbeiten

 
Lorenz-Kurve der Masse kleiner Städte und ihrer Einwohnerzahl. Die 80 % kleinsten Städte stellen zusammen nur 38 % der Gesamtbevölkerung. Der Theil-Index beträgt 0,8329315.

Da die (Wahrscheinlichkeitsdichte der) Pareto-Verteilung ein einzelnes Maximum beim kleinsten Wert   hat, weisen Pareto-verteilte Größen das aus dem Pareto-Prinzip (auch 80-zu-20-Regel) bekannte Phänomen der Ungleichverteilung auf: Kleinere Werte sind recht häufig, große Werte hingegen sehr selten. Wie stark dieser Effekt ausgeprägt ist, hängt vom Parameter   ab.

Im Städte-Beispiel (siehe Abbildung in der Einleitung) tragen wenige Großstädte überproportional zur Gesamtbevölkerung bei, während eine sehr große Zahl kleiner Städte nur wenige Einwohner stellt.

Zur Quantifizierung dieses Phänomens existieren verschiedene Ungleichverteilungsmaße. Für die Berechnung von Ungleichverteilungsmaßen beschreiben Verteilungen der Form „  zu    zwei Quantile, wobei die Breite des ersten Quantils der Höhe des zweiten Quantils und die Höhe des ersten Quantils der Breite des zweiten Quantils gleicht. Ein Beispiel für diese Art, Verteilungen darzustellen, ist das oft zitierte „80-20-Prinzip“. Es gilt beispielsweise, wenn 80 % einer Gruppe über 20 % der Ressourcen der Gruppe verfügen, und 20 % dieser Gruppe 80 % der Ressourcen nutzen können.

In der Lorenz-Kurve stellt sich dieser Sachverhalt in der Gestalt eines „stehenden“ und eines „liegenden“ Quantils dar.   und   müssen dabei jeweils im Bereich von 0 bis 1 liegen und es gilt:  . Der Gini-Koeffizient und die Hoover-Ungleichverteilung sind in diesem Fall gleich:

 

Für eine 80:20-Verteilung ergibt sich somit ein Gini-Koeffizient bzw. ein Hoover-Koeffizient von 0,6 bzw. 60 %.

 

Für diese Zwei-Quantile-Verteilungen ist dann auch der Theil-Index (ein Entropie-Maß) einfach zu berechnen:

 

Das Paretoprinzip kann als Merkhilfe für den Wertebereich des Theil-Index dienen. Der Index hat bei einer Gleichverteilung von 0,5:0,5 (50 % zu 50 %) einen Wert von 0 und nimmt bei etwa 0,82:0,18 (82 % zu 18 %) den Wert 1 an.[3] Das liegt ganz in der Nähe der Verteilung von 80 % zu 20 %. Oberhalb der Verteilung von 82 % zu 18 % ist der Theil-Index größer als 1.

Erkennen von Pareto-Verteilungen Bearbeiten

 
Verteilung der Einwohnerzahl deutscher Städte und Gemeinden

Ob eine Verteilung eine Pareto-Verteilung ist, kann man grafisch anhand doppelt-logarithmischer Darstellungen der Verteilungen abschätzen.

Die Wahrscheinlichkeitsdichte der Pareto-Verteilung kann man als Potenzgesetz   schreiben:

 

Auch   kann man in die Form   bringen:

 

Der (einfach) logarithmierte Graph   solcher Potenzgesetze ist

 

Nach Logarithmieren der  -Achse mit   (d. h., der tatsächliche  -Wert beträgt  , häufig wird die Achse jedoch direkt mit den  -Werten beschriftet) erhält man

 

was eine Gerade mit Anstieg   ist.

 
Doppeltlogarithmische Darstellung der Verteilung

Im nebenstehenden Diagramm ist   für das Städtebeispiel doppelt-logarithmisch dargestellt. Man erkennt gut, dass der Graph über weite Teile tatsächlich gerade verläuft, mit einem Anstieg  , woraus sich der Parameter   ergibt.

Folglich lautet der Exponent der Dichtefunktion  , in guter Übereinstimmung mit der Literatur.

Für die Darstellung wurde   verwendet, weil es ein kumulatives Maß ist, das durch Aufsummierung (in der Theorie: Integrieren) vieler Einzelwerte entsteht, wodurch die Streuung einzelner Werte weniger stark ins Gewicht fällt. Bei Verwendung des Histogramms hingegen ist eine Summierung vieler Werte nur mit einer verringerten Anzahl der Intervalle zu realisieren, wodurch die Verteilung unrealistisch grob würde.

Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Pareto distribution – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Pareto, Vilfredo, Cours d'Économie Politique: Nouvelle édition par G.-H. Bousquet et G. Busino, Librairie Droz, Geneva, 1964, pp. 299–345. archiviertes Originalwerk
  2. Frederik M. Dekking, Cornelis Kraaikamp, Hendrik P. Lopuhaä, Ludolf E. Meester: A modern introduction to probability and statistics. Understanding why and how. Springer, London 2005, ISBN 1-85233-896-2, S. 63. (Auszug in der Google-Buchsuche).
  3. 17.6,82.4 On-Line-Rechner: Ungleichverteilung, abgerufen am 29. Juli 2018.