Norrie May-Welby

eine schottisch-australische Person, die gerichtlich erstritt, weder als Mann noch als Frau registriert zu sein

Norrie May-Welby (geb. 23. Mai 1961 in Paisley, Renfrewshire, Schottland[1] als Bruce Norrie Watson[2]) ist britisch-australischer Nationalität, gestaltet Cartoons und erstritt 2014 in Australien gerichtlich, weder als Mann noch als Frau personenstandsrechtlich registriert zu sein.

Norrie May-Welby (Sydney 2013)

Leben Bearbeiten

Norrie wurde als Junge in Schottland geboren. Sieben Jahre später wanderten die Eltern mit ihrem Sohn nach Australien aus. Im Jahr 1989 unterzog sich Norrie einer geschlechtsangleichenden Operation und wurde amtlich als Frau registriert. Nach einiger Zeit aber lehnte Norrie ab, weiterhin entsprechende Hormone einzunehmen. In Norrie reifte der Entschluss, fortan weder als Frau noch als Mann zu leben. Die Hamburger Zeit schrieb 2010: „Als Neutrum sieht Norrie May-Welby sich nicht: ‚Ich trete weiblichen Freunden als weiblich gegenüber, schwulen Freunden als eine Queen wie sie.‘“[3] Norrie selbst möchte, dass keine Geschlechtsangabe erfolgt (oder nichtbinär) und bezeichnet sich als „androgyn anarchistisch“ (vergleiche Postgenderismus).[2] Der Nachname May-Welby klingt wie may-well be: „könnte auch sein“, entsprechend ist ein eigener Blog übertitelt: „I who may well be…“.[4]

Norrie wohnt in Sydney, Australien. Nach den bevorzugten Fürwörtern gefragt, erklärt Norrie im März 2019, sowohl mit weiblichen als auch mit dem singularen they (im Deutschen unübersetzbar) einverstanden zu sein.[5]

Amtliches Bearbeiten

Zunächst hatte Norrie May-Welby unter diesem Namen im Jahr 2010 beim Melderegister des australischen Bundesstaates New South Wales (NSW Registry of Births, Deaths and Marriages) ein Formular auf Änderung des Geschlechtseintrags für Eingewanderte eingereicht, nachdem die Regierung zuvor eine solche schließlich auch für Einwanderer zugelassen hatte (gedacht für transgeschlechtliche Personen). Norries Wunsch, den Eintrag ausdrücklich leer zu lassen, hatte die Behörde entsprochen und ein Dokument ausgestellt mit dem Text sex not specified („Geschlecht nicht spezifiziert“). Im Anschluss wollte Norrie auch einen entsprechenden Eintrag im Reisepass erreichen.[6][3] Doch einige Monate später korrigierte das Registeramt die Maßnahme, es sei ein Fehler unterlaufen und Norrie müsse sich entscheiden: Ohne Einordnung als „männlich“ oder „weiblich“ könne nicht am allgemeinen Rechtsverkehr teilgenommen werden.[2][6][7]

Nach jahrelangen Klagen durch mehrere Instanzen urteilte der Oberste Gerichtshof Australiens in der Hauptstadt Canberra im März 2014 abschließend, die Zuordnung als Mann oder Frau sei nicht zwingend notwendig, zulässig sei auch ein Geschlechtseintrag als non-specific („unspezifisch“). In fast allen rechtlichen Angelegenheiten habe das Geschlecht keine Bedeutung – außer in Bezug auf das australische Eherecht, nach dem nur Männer und Frauen heiraten können (2018 wurden auch gleichgeschlechtliche Ehen erlaubt). Die geforderte eigene, dritte Kategorie von Geschlecht als „intersexuell“ oder „transgender“ lehnte das Gericht allerdings ab.[8][9][2] Dennoch erklärten die Richter: „nicht alle Menschen können geschlechtlich entweder als Mann oder Frau eingeordnet werden“ (not all human beings can be classified by sex as either male or female). Durch diese Entscheidung – obwohl zunächst nur für New South Wales verbindlich – entfiel auch der Zwang, im Falle eines Wechsels der Geschlechtszuordnung eine geschlechtsangleichende Operation nachweisen zu müssen.[8]

Heiratswunsch

In Oktober 2015 wollten Norrie und Sam Choy heiraten, wurden aber vom Standesamt abgewiesen; schriftlich wurde auf das Eherecht verwiesen, in dem es hieße: „Eine Ehe ist die Verbindung von einem Mann und einer Frau“ (marriage is the union of a man and woman). Norrie plante, sich zur Möglichkeit des geschlechtsunabhängigen Heiratens an die Vereinten Nationen zu wenden.[10] Im November 2017 beschloss das Australische Parlament mit der Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe eine geänderte Definition von Ehe: „die Verbindung zweier Personen“ (the union of two people).[11]

Erste Person mit unbestimmten Geschlecht Bearbeiten

Obwohl Norrie noch im Sommer 2019 beansprucht, die erste Person weltweit zu sein, deren Geschlecht offiziell als „unspezifisch“ anerkannt sei,[12] hat Alex MacFarlane einen australischen Geschlechtseintrag als „X“ nachweislich seit 2003.[13][7][14] Einige Zeit vor Norrie hat Tony Briffa nach einem Wechselantrag ein australisches Dokument mit offengelassenem Geschlechtseintrag ausgestellt bekommen (siehe auch Rechtliche Anerkennung nichtbinärer Personen).[14]

Werk Bearbeiten

  • Unter der Künstlerbezeichnung „norrie mAy-welby“ gestaltet Norrie Cartoons für die Stadtviertelzeitung South Sydney Herald.[15]
  • Im August 2019 erschien die Autobiografie im Selbstverlag unter dem Namen Norrie: UltraSex: (Beyond Division).[16]

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Norrie May-Welby. Internet Movie Database, abgerufen am 30. November 2019 (englisch).
  2. a b c d Helene Bubrowski: Intersexualität: Unten Barbie, oben Ken. In: FAZ.net. 2. April 2014, abgerufen am 30. November 2019.
  3. a b Hellmuth Vensky: Geschlechtsidentität: Weder Mann noch Frau. In: Zeit Online. 17. März 2010, abgerufen am 30. November 2019.
  4. Norrie May-Welby: I who may well be… In: may-welby.blogspot.com. 2019, abgerufen am 30. November 2019 (englisch).
  5. Norrie May-Welby, interviewt von Katherine Wolfgramme: “You will live through heaven and hell, but you will live”: non-binary advocate Norrie. In: StarObserver.com.au. Sydney, 20. März 2019, abgerufen am 30. November 2019 (englisch).
    Anmerkung: Der Star Observer ist Australiens ältestes LGBT-Magazin (seit 1979) und beansprucht, 200.000 Leser zu haben.
  6. a b Joel Gibson: Sexless in the city: a gender revolution. In: SydneyMorningHerald.com.au. 12. März 2010, abgerufen am 30. November 2019 (englisch).
    Eine Woche später: Joel Gibson: Government backtracks on gender ruling. 19. März 2010 (englisch).
  7. a b Steve Dow: Neither man nor woman. In: SydneyMorningHerald.com.au. 27. Juni 2010, abgerufen am 30. November 2019 (englisch).
  8. a b Paul Bibby, Dan Harrison: Neither man nor woman: Norrie wins gender appeal. In: SydneyMorningHerald.com.au. 2. April 2014, abgerufen am 30. November 2019 (englisch).
  9. Meldung (dpa): Intersexualität: Norrie darf endgültig ein Neutrum sein. In: Spiegel Online. 2. April 2014, abgerufen am 30. November 2019.
  10. Emma Reynolds: Marriage: Norrie’s battle to get married despite being neither man nor woman. In: News.com.au. 11. Februar 2016, abgerufen am 30. November (englisch).
  11. Damien Cave, Jacqueline Williams: Australia Makes Same-Sex Marriage Legal. In: NYtimes.com. 7. Dezember 2017, abgerufen am 30. November (englisch).
  12. Kanal-Information zum Video von Real Folk Stories: Norrie: An intimate portrait of the world’s first legally recognised genderless person auf YouTube, 13. Juni 2019 (englisch; 6 Minuten; Dokumentation von Chi Chi Menendez und Paul van Kan).
    Zitat: „Norrie became the world’s first legally recognised genderless person. As a result, Australia was the first western country in the world to legally recognise a non-specific gender status.“
  13. Julie Butler: X Marks the Spot for Intersex Alex. In: Western Australian newspaper. Perth, 11. Januar 2003 (englisch; PDF: 119 kB, 2 Seiten auf bodieslikeours.org (Memento vom 10. November 2013 im Internet Archive)).
  14. a b Morgan Carpenter: Ten years of ‘X’ passports, and no protection from discrimination. In: IHRA.org.au. Intersex Human Rights Australia (IHRA), 12. Januar 2013, abgerufen am 30. November 2019 (englisch).
  15. Übersicht: norrie mAy-welby: 71 posts. In: SouthSydneyHerald.com.au. 4. November 2019, abgerufen am 30. November 2019 (englisch).
  16. Norrie May-Welby (Vorabveröffentlichung): Norrie releases autobiography, “Ultrasex: (Beyond Division)”. In: StarObserver.com.au. Sydney, 26. November 2019, abgerufen am 30. November 2019 (englisch; die Autobiografie erschien im Selbstverlag unter der ISBN 978-1-68957-331-3).