Nibelungenmuseum Worms

Museum in Deutschland

Das Nibelungenmuseum Worms ist der Nibelungensage gewidmet. Das 2001 eröffnete Museum in der Stadt Worms integriert einen Abschnitt der historischen Stadtmauer sowie zwei Türme aus dem 12. Jahrhundert. Die audiovisuelle Dauerausstellung beleuchtet den mythischen Charakter der Nibelungensage. Daneben finden in den Räumlichkeiten kulturelle Veranstaltungen sowie Vorträge und Fachtagungen statt.

Nibelungenmuseum Worms

Logo des Nibelungenmuseums
Daten
Ort Worms Welt-IconKoordinaten: 49° 37′ 45,8″ N, 8° 22′ 1,3″ O
Art
Literaturmuseum zur Nibelungensage
Architekt Bernd Hoge (Architekt), Olivier Auber (Ausstellung)
Eröffnung 18. August 2001
Besucheranzahl (jährlich) 23.288 (2010/11)[1]
Betreiber
Stadt Worms
Leitung
Olaf Mückain (wissenschaftliche Leitung), Ulrich Mieland (Verwaltung)
Website
ISIL DE-MUS-741815
Nibelungenmuseum an der Wormser Stadtmauer

Geschichte des Museums Bearbeiten

Vorgeschichte und Planung Bearbeiten

In der Stadt Worms sowie deren Umgebung spielt ein Großteil der Szenen des Nibelungenliedes. Die Stadt spielt daher auch in der Rezeption des Nibelungenliedes seit Jahrhunderten eine besondere Rolle.

Langjährige Überlegungen, die Bedeutung der Stadt Worms als wichtigsten Handlungsort der Sage durch einen Museumsneubau zu würdigen, führten im Juni 1996 zu einem von der Stadt in Auftrag gegebenen Wettbewerbsgutachten. Dabei bot sich für das Projekt der gut erhaltene Abschnitt der mittelalterlichen Wehranlage aufgrund seiner Authentizität und der günstigen Lage zwischen dem Wormser Dom und der Rheinpromenade mit dem Hagendenkmal an.

Die Entscheidung des Stadtrates fiel im Februar 1997 für das Konzept der Pariser Agentur Auber + Huge & associés (A+H), der Planungsauftrag wurde im Juli 1997 erteilt.[2]

Realisierung Bearbeiten

Einem Baubeginn des mit 4,5 Millionen Euro Gesamtkosten bezifferten Museums stand nach archäologischen Ausgrabungen im Aushubbereich Anfang 1999 zunächst nichts mehr im Wege. Das Projekt sah sich jedoch zwischenzeitlich zunehmender Kritik von Teilen der Wormser Öffentlichkeit ausgesetzt, die sich in einer monatelangen polarisierenden Debatte in den Lokalmedien niederschlug.

Eine Bürgerinitiative führte mittels eines erfolgreichen Bürgerbegehrens einen Baustopp herbei. Im anschließenden Bürgerentscheid am 12. September 1999 verneinte zwar eine Mehrheit der Abstimmenden die Frage „Wollen Sie, dass in Worms ein Nibelungenmuseum an der Stadtmauer gebaut wird, für das öffentliche Mittel in vielfacher Millionenhöhe eingesetzt werden, die damit für andere, sinnvolle Projekte nicht mehr zur Verfügung stehen?“. Mit 22 % verfehlte die Beteiligung jedoch das in Rheinland-Pfalz erforderliche Quorum.

Daher konnten die Arbeiten mit dem ersten Spatenstich am 18. November 1999 begonnen werden. Nach knapp zweijähriger Bauzeit fand die Eröffnung des Wormser Nibelungenmuseums am 18. August 2001 statt.

Das Gesamtkonzept Bearbeiten

Da es sich bei der Nibelungensage um ein mythisches, nicht historisches Motiv handelt, sind Originalexponate äußerst rar, eine Handschrift des Nibelungenliedes hätte schwerlich ein Museum füllen können. Zudem hätte der streckenweise problematischen Rezeptions- und Wirkungsgeschichte zwar durch eine distanzierte Kommentierung begegnet werden können, jedoch entsprach es nicht der Absicht der Initiatoren, die bestehende Distanz weiter zu vergrößern.

Das Konzept des Medienkünstlers Olivier Auber und des Architekten Bernd Hoge bietet den Besuchern daher Einblicke in die mittelalterliche Sage mittels einer „phantastisch-fiktionalen“ Darstellung, die im Kontrast zu den alten Gemäuern der Wehranlage steht.

„Ein Mythos ist ein ganzheitliches Phänomen. Keine einzelne, äußere Perspektive könnte ihn jemals objektiv beschreiben. [Deshalb ist das Nibelungenmuseum] kein traditionelles wissenschaftliches Museum, sondern eine künstlerische Schöpfung. Es liefert einen Überblick über [die über die Jahrhunderte entstandenen Interpretationen] und fügt ihnen eine weitere hinzu.“

Die Projektentwickler A+H: Die Bleibe des unbekannten Dichters[3]

Durch weite Teile des Museums wird der Besucher von Tonaufnahmen auf einem tragbaren Audiosystem geführt. Als fiktiver Erzähler tritt der unbekannte Dichter des Nibelungenlieds auf.

„Wenn der Autor unter die Lebenden zurückgekehrt war, dann deshalb, um seinen Text zu rehabilitieren, sein unverstandenes, entfremdetes […] Werk. […] Möge es dem Dichter, in seinem eigenen Haus, gelingen, Sie mit dem Lied und mit seiner Vorstellungswelt zu versöhnen!“

Die Projektentwickler A+H: Die Bleibe des unbekannten Dichters[3]

In deutscher Sprache verlieh ihm hierfür der Schauspieler Mario Adorf die Stimme, in französischer Sprache Marc-Henri Boisse, in englischer Sprache David Stanley.

Die Themenräume Bearbeiten

Das ursprüngliche Raumkonzept umfasste drei Themenräume: Sehturm, Hörturm und Schatzraum[4]. Der unterirdische Schatzraum wurde im Sommer 2007 aus technischen Gründen geschlossen. In diesem Raum besteht seit Mitte 2008 ein „Mythenlabor“, in dem die Besucher noch einmal den Rundgang durch das Museum rekapitulieren können. Vor allem Besucher, denen es aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist, die Audioführung durch die hohen Türme mitzumachen, können hier – da das Mythenlabor barrierefrei erreichbar ist – die gesamte Führung von Monitoren aus miterleben und nachvollziehen. Mit crossmedialer Technik und einer Großleinwand bietet der Raum auch für Gruppen museumspädagogische Möglichkeiten.

Der Sehturm Bearbeiten

Im „Sehturm“ wird das literarische Werk in seinen Grundzügen und historischen Rahmenbedingungen nachgezeichnet. Zugleich wird die Mythifizierung des Werkes in der Rezeptionsgeschichte bis hin zur Verklärung zum „Nationalmythos“ aufgezeigt. Der Erzähler hilft dabei, „die unsichtbaren Fäden zu erfassen, die sich über die Jahrhunderte hinweg miteinander verknüpften“.[5]

Der Sehturm befindet sich in einem der mittelalterlichen Wehrtürme. Es wird von einer 12 Meter hohen frei pendelnden Eisenspindel dominiert, um die eine Wendeltreppe führt. Die goldglänzende Spindel, auf deren Rippen 1200 leuchtende Bilder befestigt sind, symbolisiert das „Rütelin“, den Talisman aus dem Nibelungenschatz. Unter den Bildern befinden sich über tausend Darstellungen von Gemälden, Stichen, Propagandaplakaten und Operninszenierungen, die – von den Nibelungen inspiriert – einen Teil des Mythos transportieren.

Der Hörturm Bearbeiten

Der „Hörturm“ ist als „Schreibstube des Erzählers“ angelegt. Die Besucher können dort auf einer Reihe von „Hörsesseln“ Passagen des Originalliedes anhören, die auf mittelhochdeutsch gesprochen und simultan übersetzt werden. Zugleich erfährt der Besucher mehr über die zeitgenössische Alltags- und Hochkultur, die den Autor des Nibelungenlieds beeinflusst haben.

Als Illustration der Textpassagen kehren hier auch einige der Bilder, denen der Besucher bereits im Sehturm begegnen konnte, wieder und werden nunmehr eingehender erläutert.

Das Mythenlabor Bearbeiten

Das in einem unterirdischen Raum untergebrachte „Mythenlabor“ gibt dem Besucher des Museums nach dem etwa zweistündigen Rundgang die Möglichkeit der Reflexion. Der gesamte Text des Sprechers, des anonymen Dichters, kann an dieser Stelle noch einmal abgerufen werden und der im Sehturm untergebrachte Rütelin, das 17,5 m hohe Bildzeptar, ist noch einmal graphisch dargestellt und lässt sich nun auch nach Belieben drehen und wenden. Für Schulklassen bietet eine Internetsuchfunktion die Möglichkeit gleich an Ort und Stelle Recherchen für Referate oder dergleichen anzustellen und unter dem Motto: „Es müssen ja nicht immer die Nibelungen sein“, lassen sich im Mythenlabor zahlreiche Flashfilme und Kurzdokumentationen abrufen. Diese befassen sich mit dem Themen Worms, Moderne Sagen, klassische Mythen (siehe Mythos) und das Nibelungenlied. Über den „Masterterminal“ und einem an der Decke angebrachten Beamer können Referenten, zusätzlich zu den oben genannten Funktionen, eigene Inhalte einfügen und präsentieren.

Das „Mythenlabor“ wird auch für wechselnde Sonderpräsentationen genutzt.

Internationales Echo Bearbeiten

Bereits vor der Museumseröffnung wurde der „virtuelle Schatz“ auf Einladung des Goethe-Institutes auf zwei Symposien im Dezember 2000 in Paris sowie im April 2001 in Boston präsentiert und fand ein internationales Medienecho in Frankreich, Kanada, den Vereinigten Staaten und Japan:

“A high-tech, cutting-edge interpretation of the Nibelungen myth…”

Boston Digital Industry: Treasure of the Nibelungs (May 2001)[6]

« Au-delà de la performance technique qui sait se faire oublier, les auteurs ont réussi une œuvre d'une grande poésie… »

Libération: Tragédies en sous-sol (8. Dezember 2000)[7]

« Sitôt que l'on y entre, en sentira son rhythme, sa joie ou ses tourments. »

Le Devoir: Un trésor virtuel sous la ville (20. Januar 2001)[8]

Auch die Eröffnung des Museums wurde von zahlreichen überregionalen Medien positiv aufgenommen:

„Im neuen Nibelungen-Museum zu Worms wird die nebulöse Sage sichtbar gemacht. Aus tausenden Bildern, Texten und Tönen ergibt sich ein phantastisches Bild des mittelalterlichen Heldenepos.“

Frankfurter Rundschau: Siegfried, verzweifelt gesucht (11. August 2001)[9]

„… eine Einlassung, die aller Beachtung wert ist.“

Frankfurter Rundschau: Was sind und sagen uns die Nibelungen? (21. August 2001)[10]

„Das Nibelungen-Museum in Worms lässt ein deutsches Stück Weltliteratur virtuell wieder aufleben.“

Süddeutsche Zeitung: Im Ozean der Bilder (20. August 2001)[11]

Projektgruppe Bearbeiten

  • Olivier Auber (A+H): inhaltliche Planung, Museum & Schatz
  • Bernd Hoge (A+H): Architektur & Ausstellung
  • Thierry Fournier: Musik, Klangkomposition und Echtzeitprogramm (Ton)
  • Emmanuel Mâa Berriet: Echtzeit-VR Programm (Bild)
  • Joachim Heinzle und Olivier Auber: Text des Erzählers
  • Ursula Kraft: Bildkomposition 'Rütelin'
  • Susanne Wernsing: Ikonografie und Themenrecherche

Die Kontroverse über den Schatz Bearbeiten

Bis 2007 befand sich im heutigen „Mythenlabor“ des Museums ein virtueller „Schatzraum“[12], eine in Echtzeit berechnete Bildprojektion des Nibelungenschatzes und der Stadt Worms mit ihren Gebäuden und Denkmälern. Im darunterliegenden „Weltengrund“ wurden laufend neue Bilder und Klänge freigesetzt. Die Bilder und Strukturen, aus denen sich der „Weltengrund“ zusammensetzt, gehen auf Olivier Aubers Idee des Poietic Generator[13] zurück. Die Installation wurde von der Museumsverwaltung entfernt, ohne den Künstler zu informieren.[14][15]

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Volker Gallé: Kulturbericht 2011. (PDF) 27. September 2012, abgerufen am 28. Februar 2016.
  2. Grün: Die Stadtmauer, S. 32.
  3. a b aus: Die Bleibe des unbekannten Dichters, Das Nibelungenmuseum in Worms aus der Sicht der Museumsmacher
  4. Olivier Auber: The Nibelungen Museum, a virtual museum for a myth. In: UNESCO Cultural Heritage. (academia.edu [abgerufen am 28. Mai 2021]).
  5. aus: Ein Meer von Bildern, Das Nibelungenmuseum in Worms aus der Sicht der Museumsmacher
  6. aus: Treasure of the Nibelungs, Boston Digital Industry vom Mai 2001
  7. aus: Tragédies en sous-sol, Libération vom 8. Dezember 2000
  8. aus: Un trésor virtuel sous la ville, Le Devoir vom 20. Januar 2001
  9. aus: Siegfried, verzweifelt gesucht, Frankfurter Rundschau vom 11. August 2001
  10. aus: Was sind und sagen uns die Nibelungen?, Frankfurter Rundschau vom 21. August 2001
  11. aus: Im Ozean der Bilder, Süddeutsche Zeitung vom 20. August 2001
  12. Virtueller Schatzraum : Szenario, Video, Musik Auszüge
  13. vgl. en:Poietic Generator
  14. "Der Schatz, erneut im Rhein versenkt" Offener Brief an die Bürger von Worms und Umgebung, und ihrer Vertreter. Olivier Auber (A+H)
  15. VRM GmbH & Co KG: Nibelungenmuseum ohne Schatzkammer - Erfinder Olivier Auber ist entsetzt. 16. Dezember 2017, abgerufen am 28. Mai 2021.