Naturwald Knetzberge-Böhlgrund

Waldschutzgebiet in Unterfranken

Der Naturwald Knetzberge-Böhlgrund ist ein Naturwald im nördlichen Steigerwald. Er liegt in Knetzgau und Sand am Main, beides Gemeinden im unterfränkischen Landkreis Haßberge, südlich des Ortes Zell am Ebersberg und erstreckt sich über eine Fläche von etwa 847 Hektar. Dieses Gebiet verbindet die beiden Naturwaldreservate Böhlgrund und Mordgrund. Ausgewiesen im Jahr 2020, zählt es zu den größten, zusammenhängenden und bedeutendsten Schutzgebieten Bayerns.[1]

Naturwald Knetzberge-Böhlgrund

IUCN-Kategorie none – ohne Angabe

Blick in den Naturwald Knetzberge-Böhlgrund

Blick in den Naturwald Knetzberge-Böhlgrund

Lage Steigerwald

Bayern Bayern

Fläche 847,35 Hektar
Kennung 0004
Natura-2000-ID 6029-371
FFH-Gebiet Buchenwälder und Wiesentäler des Nordsteigerwalds
Vogelschutzgebiet Oberer Steigerwald
Geographische Lage 49° 58′ N, 10° 31′ OKoordinaten: 49° 57′ 36″ N, 10° 31′ 2″ O
Naturwald Knetzberge-Böhlgrund (Bayern)
Naturwald Knetzberge-Böhlgrund (Bayern)
Meereshöhe von 269 m bis 488 m
Einrichtungsdatum 2020
Verwaltung Bayerische Staatsforsten
Rechtsgrundlage Art. 12a

Naturwaldreservate und Naturwaldflächen // Bayerisches Waldgesetz

Besonderheiten Buchenmischwald

Geographische Lage Bearbeiten

Das Waldschutzgebiet erstreckt sich an der nordöstlichen Abdachung des Steigerwaldes und umfasst einen Großteil des Bachverlaufs des Stöckigsbachs, welcher nordöstlich nach nordöstlichem Lauf in den Main mündet. Der Naturwald liegt zwischen den Orten Zell am Ebersberg, Eschenau, Fabrikschleichach, Oberschleichach und Neuschleichach, und umfasst mehrere Waldgebiete. Darunter fallen der Neuhauser Forst, der Zeller Forst-West sowie der Fabrik-Schleichacher Forst-Nordost, ehemals gemeindefreie Gebiete. Der Neuhauser Forst in der Gemeinde Knetzgau sowie die Gemarkung Zell am Ebersberg liegen innerhalb des Naturwaldes. Das gesamte Gebiet gehört zum FFH-Gebiet Buchenwälder und Wiesentäler des Nordsteigerwalds sowie zum Vogelschutzgebiet Oberer Steigerwald. In diesem Schutzgebiet befinden sich markante Berge wie der Große Knetzberg (488 m ü. NHN), der Kleine Knetzberg (447 m ü. NHN), der Hollacher Berg (409 m ü. NHN) und der Treuberg (383 m ü. NHN). Neben dem Stöckigsbach fließen auch der Marsbach, der Torwiesenbach, der Eisenbach, der Farnbach und das Schwarzbächlein durch das Gebiet. Südlich grenzen die Naturwälder Wotansborn und Kleinengelein sowie das Naturschutzgebiet Weilersbachtal an den Naturwald an. Östlich des Gebiets entspringt die Aurach, ein Zufluss der Regnitz, und westlich liegt das Forsthaus Neuhaus. Der höchste Punkt im Naturwald Knetzberge-Böhlgrund markiert der Große Knetzberg mit einer Höhe von 488 m ü. NHN. Der niedrigste Punkt liegt nahe dem Waldende kurz vor Zell am Ebersberg auf einer Höhe von 269 m ü. NHN.[1]

Schutzstatus und Einordnung Bearbeiten

In Naturwaldreservaten und Naturwäldern wird außer für notwendige Maßnahmen des Waldschutzes und der Verkehrssicherung keine Bewirtschaftung oder Holzentnahme betrieben. Die Initiative des Volksbegehrens „Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern“ im Jahr 2019 führte dazu, dass die Bayerische Staatsregierung beschloss, 10 % des Staatswaldes aus der Nutzung zu nehmen. Als Folge dieser Initiative kündigte die Regierung die Ausweisung eines ca. 1000 Hektar großen Schutzgebiets im Steigerwald an. Vor der Ausweisung wurden bereits viele kleine Teilflächen des heutigen Naturwalds Knetzberge-Böhlgrund als Klasse-1-Wald aus der Nutzung genommen. Dies geschah aufgrund des Vorhandenseins alter naturnaher Eichen- und Buchenwälder in einzelnen Waldabteilungen, wie der Walabteilung Knetzberg im Norden des Naturwaldes. Die Wahl fiel aus ökonomischen Gründen auf den Böhlgrund für die Ausweisung als Naturwald, da dieser forstwirtschaftlich schwierig bis kaum nutzbar ist. Im Juni 2020 wurde dieses Großprojekt umgesetzt.[2] Der Naturwald Knetzberge-Böhlgrund ist Teil der bundesweiten Flächenkulisse der natürlichen Waldentwicklung und trägt zum Ziel langfristig fünf Prozent der Wälder aus der Nutzung zu nehmen, bei. International lässt sich das Gebiet schwierig einordnen, da das Gebiet nicht an die IUCN gemeldet und wahrscheinlich auch nicht deren Größenkriterien erfüllt. Der Naturwald ist aber ein theoretisches Potenzialgebiet für ein Wildnisgebiet der Kriterien des Bundesamtes für Naturschutz, da das Schutzgebiet Teil eines großflächigen Waldgebietes im nordöstlichen Teil des Steigerwaldes ist.[1]

Charakteristik Bearbeiten

Der Naturwald Knetzberge-Böhlgrund ist ein besonders artenreicher Wald, der zahlreichen Baumarten wie Buche, Traubeneiche, Hainbuche, Winterlinde, Sommerlinde, Esche, Bergahorn, Spitzahorn oder Vogelkirsche Platz bietet. Darüber hinaus sind auch Raritäten wie Elsbeere, Speierling und Flatterulme vertreten. Der Wald beherbergt verschiedene Waldtypen wie Hainsimsen-Buchenwälder, Waldmeister-Buchenwälder, Labkraut-Eichen-Hainbuchenwälder, bachbegleitende Erlen-Eschenwälder, Schluchtwälder und Quellwälder. In dem Wald leben zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, darunter der seltene Samtige Pfifferling, Feuersalamander, Gelbbauchunke, Netz-Rotdeckenkäfer, Pechfüßiger Rindenschmalkäfer, die seltene Kleine Bernsteinschnecke, die Wildkatze, verschiedene Waldfledermäuse wie die Mopsfledermaus, Bechsteinfledermaus, Großes Mausohr und viele andere, die Hohltaube, der Schwarz-, Mittel-, Grau- und Grünspecht, der Halsband- und Trauerschnäpper, der Pirol, der Eisvogel, der Wespenbussard, der Schwarzstorch und seltene Waldmoose wie das Grüne Besenmoos.[3]

Forschung Bearbeiten

Im Rahmen des Eichen-Ringelprojektes wurden im Naturwald Knetzberge-Böhlgrund an den beiden Knetzbergen insgesamt 10.595 Exemplare xylobionter Käfer nachgewiesen. Diese Anzahl entspricht etwa 50 % der bekannten Fauna im Nordsteigerwald. Unter den 301 identifizierten Arten wurden 22 Arten entdeckt, die zuvor im Nordsteigerwald nicht verzeichnet waren. Eine davon ist die geschützte FFH-Anhang-Art Lucanus cervus (Hirschkäfer). Zusätzlich wurden neun "Urwaldreliktarten" im Naturwald gefunden, von denen eine Art zuvor als ausgestorben galt. Des Weiteren wurden drei Arten erstmals für Ebrach dokumentiert. Darüber hinaus konnten 41 gefährdete Arten identifiziert werden, die in der Roten Liste Deutschlands aufgeführt sind. Die neun Urwaldrelikte sind: Breitschulterbock, Bluthalsschnellkäfer, Oxylaemus variolosus, Aeletes atomarius, Cerophytum elaterolides, Gasterocercus depressirostris, Ipidia binotata, Hesperus rufipennis und Quedius truncicola Fairm. Außerdem wurde auch der Große Goldkäfer nachgewiesen. Ebenfalls nachgewiesen wurde der streng geschützte Scharlachrote Plattkäfer. Der Knetzberg ist ein bedeutender Standort für xylobionte Käferarten auf Landes- und Bundesebene. Besonders hervorzuheben sind die Vorkommen von Reliktarten lichter Wälder, die in den dichten Rotbuchenwäldern nicht vorhanden sind. Schätzungsweise können bis zu 600 xylobionte Arten im Knetzberg vorkommen. Die dominierenden Käferarten am Knetzberg sind Borkenkäfer, Nutzholzborkenkäfer und Eichenkernkäfer. Sie prägen maßgeblich das Käferinventar des Gebiets. Im Gegensatz dazu haben Prachtkäfer eine geringere Bedeutung und sind in diesem Ökosystem weniger präsent. Die Vielfalt der xylobionten Käferarten am Knetzberg unterstreicht die ökologische Bedeutung und den Wert dieses Standorts. Die spezifischen Lebensbedingungen und das Vorhandensein von Reliktarten machen den Knetzberg zu einem einzigartigen Lebensraum für diese Käfergruppe.[4]

Naturschutzgebiet und Naturwaldreservat Bearbeiten

Teil des Naturwald Knetzberg-Böhlgrunds ist das Naturschutzgebiet Mordgrund sowie die beiden Naturwaldreservate Böhlgrund und Mordgrund. Das Naturwaldreservat Böhlgrund ist für den naturnahen Verlauf des Stöckigsbach (Böhlbach) bekannt. Es war 2010 bei der Ausweisung das größte Naturwaldreservat außerhalb der Alpen. Die Wälder im Naturwaldreservat sind nahezu gleich alt und dürften auf umfangreiche Abholzungen vor etwa 100 Jahren zurückzuführen sein. Aufgrund der schwierigen Bodenverhältnisse wurden Teile des Reservats in den letzten 50 Jahren nur selten bewirtschaftet. In regelmäßigen Abständen finden im Reservat forstliche Bestandsaufnahmen statt, um die Entwicklung des Holzvorrats, das für viele Tier- und Pilzarten wichtige Totholz und die Verjüngung zu untersuchen. Die jüngste Bestandsaufnahme im Jahr 2010 ergab einen durchschnittlichen Holzvorrat von 352 Festmetern pro Hektar. Die Menge an Totholz betrug 25 Festmeter pro Hektar.[5] Das Naturwaldreservat Mordgrund wurde 2002 ausgewiesen und beinhaltet die dicksten Buchen des Großschutzgebietes.

Kritiker und Befürworter Bearbeiten

Diverse Naturschutzverbände wie z. B. der Bund Naturschutz oder die örtlichen nationalparkfreundlichen Vereine begrüßten die Ausweisung des Schutzgebietes im nördlichen Steigerwald, da sich dieses Gebiet gut in einen Nationalpark integrieren lassen würde.[6] Gegner des Naturwaldes sehen in ihm einen Kompromiss der nun seit Jahren anhaltenden Nationalpark-Diskussionen rund um dem nördlichen Steigerwald.[7] Der Forstbetrieb Ebrach präferiert nach wie vor die Umsetzung von Trittsteingebieten, die sich max. über 20 Hektar erstrecken und bereits jetzt über ganz Bayern verteilt sind.[8] Laut diversen Medienberichten eignet sich der Naturwald Knetzberge-Böhlgrund nicht für ein Buchenwald-Weltnaturerbe, da es sich hierbei um einen 100–200 Jahre alten Buchenmischwald handelt. Viele Naturschutzverbände fordern daher umgehend, den Hohe Buchener Wald bei Ebrach, der bereits ein Naturschutzgebiet war, wieder als eines auszuweisen, um ein Weltnaturerbe im Steigerwald zu realisieren. Das Gebiet des Naturwaldes würde sich in einen möglichen Nationalpark Steigerwald integrieren lassen.[9]

Geschichte Bearbeiten

Im Naturwald Knetzberge-Böhlgrund gibt es viele historische Stätte. Auf dem Großen und Kleinen Knetzberg wurden Überreste von Höhensiedlungen und Wallanlagen aus der Bronzezeit gefunden. Der Große Knetzberg war wahrscheinlich ein religiöses Zentrum und einer der wichtigsten Fundorte für die Urnenfelderzeit. Auf dem Kleinen Knetzberg diente die Höhenbefestigung wahrscheinlich zur Überwachung des Handelsweges Main. Im Naturwaldreservat Mordgrund gibt es sechs Grabhügel der Hallstattzeit. Im Tal des Böhlbachs gibt es das mittelalterliche Heidenschloss, das als Fundort von Schachfiguren aus dem 12. Jahrhundert bekannt ist. Die mittelalterliche Burgruine Ebersberg wurde als Wachturm für berittene Boten erbaut und später als Sitz der Amtsmänner des Bamberger Bischofs genutzt, bevor sie während der Bauernkriege zerstört und später abgerissen wurde.[3] Innerhalb des Großschutzgebietes befinden sich fünf verschiedene Bodendenkmäler. Am Großen Knetzberg liegt das Denkmal D-6-6029-0019 "Wallanlage "Großer Knetzberg" mit Höhensiedlungen der Bronzezeit, der Urnenfelderzeit, der späten Hallstattzeit, der älteren und jüngeren Latènezeit sowie der älteren römischen Kaiserzeit". Auf dem Kleinen Knetzberg befindet das Denkmal D-6-6029-0023 "Wallanlage "Kleiner Knetzberg" mit Höhensiedlungen der Urnenfelderzeit, der späten Hallstattzeit und der älteren Latènezeit". Zwischen dem Hollacher und Trauberg liegt mit der Nummer D-6-6029-0020 ein "Burgstall des Mittelalters". Im östlichen Teil des Naturwaldes sowie im Naturschutz Mordgrund befindet sich das Denkmal D-6-6029-0022. Hierbei handelt es sich um einen "Bestattungsplatz mit Grabhügeln der Hallstattzeit". Nördlich von dem ehemaligen Bestattungsplatz liegt eine "Abschnittsbefestigung vor- und frühgeschichtlicher Zeitstellung und mittelalterlicher Burgstall "Ebersberg". Dieses Denkmal hat die Nummer D-6-6029-0001.[1]

Tourismus und Erreichbarkeit Bearbeiten

Der Naturwald Knetzberge-Böhlgrund bietet aufgrund der vorhandenen Forstwegen die Möglichkeit für verschiedene Wanderungen. Der Fernwanderweg Steigerwald-Panoramaweg sowie der Schlangenweg führen durch das Großschutzgebiet. Außerdem liegt am Parkplatz Marswald ein kleiner vom Naturwald umgebener Spielplatz. Des Weiteren führt vom Gemeindewald Eschenau ein Baumlehrpfad a nach Neuhaus, einem Gehöft, wo der Naturwald Knetzberge-Böhlgrund beginnt.[3] Erreichbar ist das Großschutzgebiet von nahezu allen Seiten. Südlich des Gebietes befindet sich der Parkplatz Wotansborn, der zwischen den Naturwäldern Wotansborn und Knetzberge-Böhlgrund liegt. Westlich liegen die Parkplätze Knetzberge sowie Großer Knetzberg. Östlich des Schutzgebietes befindet sich der Parkplatz Marswald und im Norden der Parkplatz Sportplatz Zell am Main. Der Naturwald Knetzberge-Böhlgrund ist an den Wanderwegen beschildert.[1]

Siehe auch Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Naturwald Knetzberge-Böhlgrund – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c d e BayernAtlas. Abgerufen am 25. Juni 2020.
  2. Bürgerservice - BayWaldG: Art. 12a Naturwaldreservate und Naturwaldflächen. Abgerufen am 7. Dezember 2023.
  3. a b c Naturwald "Knetzberge-Böhlgrund". In: stmelf.bayern.de. Abgerufen am 25. Juni 2020.
  4. Heinz Bussler, Peter Kriegel & Simon Thorn: Eichen-Ringelprojekt 2021 und 2022 am Knetzberg. Abgerufen am 17. Juni 2023.
  5. Naturwaldreservat Böhlgrund. Abgerufen am 18. Mai 2023.
  6. Redaktion: Verbände begrüßen neues Schutzgebiet im Steigerwald: "Nationalpark Steigerwald weiterhin oberstes Ziel". 30. Mai 2020, abgerufen am 25. Juni 2020.
  7. Steigerwald : Jahrelanger Streit über Nationalpark. Abgerufen am 25. Juni 2020.
  8. Steigerwald: Forstamtsleiter hält kleine Schutzgebiete für besser. 23. Juni 2020, abgerufen am 25. Juni 2020.
  9. NOSGROUP GmbH: Meilenstein auf dem Weg zum Weltnaturerbe. In: DAS ECHO // Das Anzeigenblatt für den Landkreis Haßberge. 19. Juni 2020, abgerufen am 25. Juni 2020.