Methohexital

chemische Verbindung

Methohexital, auch Methohexiton, ist ein sehr kurz wirksames Hypnotikum (Schlafmittel) aus der Reihe der Barbiturate ohne analgetische (schmerzstillende) Wirkung. Es wird als Anästhesiemittel eingesetzt.

Strukturformel
Strukturformel von Methohexital
Strukturformel ohne Stereochemie
Allgemeines
Freiname Methohexital
Andere Namen
  • Methohexiton
  • 5-Hex-3-yn-2-yl-1-methyl-5-prop-2-enyl-1,3-diazinan-2,4,6-trion
  • 1-Methyl-5-(1-methylpent-2-yn-1-yl)-5-prop-2-en-1-ylpyrimidin-2,4,6(1H,3H,5H)-trion
  • 5-Allyl-5-(3-hexin-2-yl)-1-methyl-2,4,6(1H,3H,5H)-pyrimidintrion (IUPAC)
  • (±)-5-Allyl-1-methyl-5-(1-methylpent-2-inyl)barbitursäure
Summenformel
  • C14H18N2O3 (Methohexital)
  • C14H17N2NaO3 (Methohexital-Natriumsalz)
Kurzbeschreibung

weißliches, geruchloses, hygroskopisches Pulver, löslich in Wasser(Methohexital-Natriumsalz)[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer 205-798-6
ECHA-InfoCard 100.005.272
PubChem 9034
ChemSpider 8683
DrugBank DB00474
Wikidata Q851813
Arzneistoffangaben
ATC-Code

N01AF01

Wirkstoffklasse

Barbiturate, Injektionsnarkotika

Wirkmechanismus

Inhibition der Formatio reticularis

Eigenschaften
Molare Masse
  • 262,30 g·mol−1 (Methohexital)
  • 284,29 g·mol−1 (Methohexital-Natriumsalz)
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

60–64 °C (Methohexital-Natriumsalz)[1]

Löslichkeit

Fettlöslich, wasserlöslich als Methohexital-Natriumsalz[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[2]

Gefahr

H- und P-Sätze H: 301
P: ?
Toxikologische Daten

35,6 mg·kg−1 (LD50Mausi.v., Na-Salz)[3]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Indikationen und Verwendung Bearbeiten

Methohexital wird primär für die kurze Narkose genutzt oder bei einer verlängerten Anästhesie, gefolgt von der Verabreichung anderer Arzneimittel (wie dem heute auch zur Narkoseeinleitung weit häufiger verwendeten Propofol[4]).[5][6] Die intravenöse Injektion kann schmerzhaft sein, bei Kindern kommt auch die rektale Anwendung in Frage.[7] Es wird arzneilich in Form des wasserlöslichen Natriumsalzes verwendet. Die Wirkung setzt bei einer Dosierung von 1–3 mg/kg Körpergewicht innerhalb von bis zu 30 Sekunden nach intravenöser Injektion ein und hält für fünf bis zehn Minuten an. In seinen Eigenschaften ist Methohexital mit denen des Thiopental, das ebenfalls ein kurzwirkendes Barbiturat darstellt, vergleichbar, es kann aber stärkere exzitatorische Unruhe verursachen und die kürzere Aufwachphase nach Methohexital wird als Vorteil gesehen.[8]

Die Substanz wird nur im Krankenhaus oder ähnlichen Einrichtungen unter fachlich qualifizierter personeller und apparativer Überwachung verwendet. Sie wird auch für eine tiefe Sedierung oder für eine Vollnarkose bei einem chirurgischen Eingriff oder bei Zahnbehandlungen eingesetzt.[9][10][11][12][13] Eine weitere Indikation ist wegen ihrer hirndrucksenkenden Wirkung die Dauersedierung von Patienten mit einem Schädel-Hirn-Trauma[14] oder einem Hirnödem. Eine zu starke Senkung des arteriellen Blutdrucks durch Barbiturate muss hier aber vermieden oder mit anderen Medikamenten kompensiert werden, da sie zu einem Abfall des zerebralen Perfusionsdrucks (CPP) und damit zu einer weiteren Verschlechterung der Hirndurchblutung führen würde.[15] Da es sich bei Methohexital um das einzige Barbiturat handelt, das die Krampfschwelle nicht erhöht, sondern im Gegenteil senkt,[7] eignet es sich gut für die Anästhesie bei der Elektrokrampftherapie (EKT),[16] bei der ja gerade ein generalisierter Krampfanfall ausgelöst werden soll. Die Patienten erlangen ihr Bewusstsein innerhalb von drei bis sieben Minuten wieder und sind nach etwa einer halben Stunde wieder im Ausgangszustand, was einen weiteren Vorteil bei diesem kurzen Eingriff bedeutet.[17]

Das Medikament wird auch als Beruhigungsmittel für die Ausführung einer Computer- und Kernspintomografie eingesetzt, um für Notaufnahmen angemessene Bilder zu erhalten.[18][19]

Kontraindikationen Bearbeiten

Kontraindiziert ist Methohexital bei Überempfindlichkeit gegen Barbiturate und bei Vorerkrankungen wie Epilepsie. Das Medikament sollte nicht bei Asthma oder Stoffwechselerkrankungen eingesetzt werden. Ebenso wenig bei einer gleichzeitigen Therapie mit Warfarin oder Blutgerinnungshemmern.

Pharmakodynamik und Pharmakokinetik Bearbeiten

Pharmakodynamik: Methohexital verlängert die Öffnungszeiten der GABAA-Rezeptoren. Das Barbiturat Methohexital ist in der Lage, den GABAA-Rezeptor zu aktivieren, wodurch es als Sedativum in der Anästhesie zum Einleiten der Narkose benutzt werden kann. Geöffnet werden Ionenkanäle und kanalbildende Ionophoren mit Poren, welche für Chloridionen durchlässig sind. Dabei werden Poren oder Transmembrankanäle gebildet, durch die die entsprechenden Chloridionen diffundieren können (Ionenkanäle).[20]

Durch das Öffnen dieser Ionenkanäle kommt es zu einem Chlorid-Ionen-Einstrom in die Nervenzelle. Es kommt dadurch zu einer (zunächst lokalen) Hyperpolarisation der postsynaptischen Membran (Inhibitorisches postsynaptisches Potential).[21]

Pharmakokinetik: Der schnelle Abfall des Serumspiegels ist auf den schnellen Abbau des lipophilen Methohexital in der Leber und (weniger)[22] auf Umverteilungsprozesse innerhalb des Körpers zurückzuführen. Die Elimination der entstehenden Substanzen erfolgt über die Niere.[7] Ebenso wie andere Barbiturate (Durchschnitt: 85 %) wird es überwiegend (67–91 %)[22] an Plasmaproteine gebunden, hauptsächlich an Albumin.[14] Die Eliminationshalbwertszeit liegt bei vier Stunden,[14] wird aber auch mit 3,22 Stunden und einer Variationsbreite von ± zwei Stunden angegeben.[22] Sie ist aber kontextsensitiv, also abhängig davon, in welcher Dosis das Medikament gegeben wird und ob dies einmalig, repetitiv oder kontinuierlich geschieht.[14]

Der Hauptstoffwechselweg von Methohexital beinhaltet die Oxidation der Pentinyl-Seitenkette unter Bildung von 4-Hydroxymethohexital. Es ist nicht bekannt, ob Methohexital in die Muttermilch übergeht. Wahrscheinlich wird die Plazentaschranke überquert.[23][24][25]

Nebenwirkungen Bearbeiten

Wie bei anderen Barbituraten können bei intravenöser Verabreichung von Methohexital Nebenwirkungen eintreten. Methohexital kann Schluckauf und Husten verursachen. Möglich sind auch unwillkürliche Kontraktionen der Muskeln oder ein Stimmritzenkrampf.[26] Es kann auch die Lungenventilation beeinträchtigt werden. Weitere Nebenwirkungen können Atemdepression, Atemstillstand,[27] Atemnot und Kreislaufstillstand sein, die auch als Folge von Schüttelkrämpfen auftreten können,[28][29][30] oder arterielle Hypotonie sowie Tachykardie.

Mögliche Nebenwirkungen sind auch Bluthochdruck, postnarkotisches Zittern, vermehrter Speichelfluss, Hyperaktivität der Skelettmuskulatur, Krampfanfälle, Unruhe, Angst (wegen möglicher postoperativer Schmerzen), Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Verwirrung, Rötungen, Juckreiz, Nesselsucht, Heuschnupfen und andere akute allergische Reaktionen. Bei der Verabreichung können auch eine akute Thrombose oder Schmerzen an der Injektionsstelle[31][32] und die Schädigung benachbarter Nerven auftreten.

Synthese Bearbeiten

Methohexital kann aus N-Methylharnstoff und einem zweifach C-substituierten Malonsäureester hergestellt werden.

Durch Alkylierung von Malonsäurediethylester, beginnend mit 2-Brom-3-hexin, entsteht der (1-Methyl-2-pentinyl)-malonsäureester. Anschließend wird mit Allylbromid erneut alkyliert. Die schließlich Umsetzung mit N-Methylharnstoff führt zum Methohexital.[33]

 
Synthese von Methohexital

W. J. Doran ließ sich 1959 in den USA das Syntheseverfahren patentieren. Seit 2001 existiert eine enantioselektive Synthese.[34]

Handelsnamen Bearbeiten

Brevimytal (Deutschland), Brietal (Österreich), Brevital (Vereinigte Staaten, Kanada)

Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Methohexital – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c Eintrag zu Methohexital Natrium. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 23. April 2016.
  2. Vorlage:CL Inventory/nicht harmonisiertFür diesen Stoff liegt noch keine harmonisierte Einstufung vor. Wiedergegeben ist eine von einer Selbsteinstufung durch Inverkehrbringer abgeleitete Kennzeichnung von Methohexital im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 26. April 2016.
  3. Eintrag zu Methohexital sodium in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM) (Seite nicht mehr abrufbar)
  4. Otto Mayrhofer: Gedanken zum 150. Geburtstag der Anästhesie. In: Der Anaesthesist. Band 45, Nr. 10, Oktober 1996, S. 881–883, hier: S. 883.
  5. E. Jessop, RM. Grounds; M. Morgan; J. Lumley: Comparison of infusions of propofol and methohexitone to provide light general anaesthesia during surgery with regional Blockade. In: Br J Anaesth, Band 57, Nr. 12, Dezember 1985, S. 1173–1177, PMID 3878718.
  6. N. Mackenzie, IS. Grant: Comparison of propofol with methohexitone in the provision of anaesthesia for surgery under regional Blockade. In: Br J Anaesth, Band 57, Nr. 12, Dezember 1985, S. 1167–1172, PMID 3878717.
  7. a b c Hans Walter Striebel: Anästhesie – Intensivmedizin – Notfallmedizin. Schattauer Verlag, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-7945-2890-5, S. 51 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche ).
  8. Lothar Ullrich (Hrsg.): Thiemes Intensivpflege und Anästhesie. Georg Thieme Verlag, 2005, ISBN 978-3-13-130910-5, S. 475 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche ).
  9. AO. Hubbell: Methohexital sodium anesthesia for oral surgery. In: J Oral Surg Anesth Hosp Dent Serv, Band 18, Juli 1960, S. 295–298, PMID 14403670.
  10. V. De Ocampo: Methohexital sodium anesthesia in oral surgery. In: Dent Mirror (Quezon City), Band 3, Nr. 2, 1966, S. 9–11, PMID 5228034.
  11. GC. Lantz: Regional anesthesia for dentistry and oral surgery. In: J Vet Dent, Band 20, Nr. 3, Sep 2003, S. 181–186, PMID 14705435.
  12. D. McDonald: Methohexitone in dentistry. In: Aust Dent J, Band 25, Nr. 6, Dezember 1980, S. 335–342, PMID 6940532.
  13. D. McDonald: Methohexitone in dentistry. Scientific results of 4,379 administrations. 5: Complications. In: Dent Anaesth Sedat, Band 11, Nr. 2, Aug 1982, S. 51–57, PMID 6962091.
  14. a b c d Michael Freissmuth, Stefan Böhm: Pharmakologie und Toxikologie: Von den molekularen Grundlagen zur Pharmakotherapie. Hrsg.: Stefan Offermanns. Springer Verlag, Heidelberg 2012, ISBN 978-3-642-12354-2, S. 249–250 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche ).
  15. Lothar Ullrich (Hrsg.): Thiemes Intensivpflege und Anästhesie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 978-3-13-130910-5, S. 387 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche ).
  16. P. Lihua, M. Su, W. Ke, P. Ziemann-Gimmel: Different regimens of intravenous sedatives or hypnotics for electroconvulsive therapy (ECT) in adult patients with depression. In: The Cochrane database of systematic reviews. Band 4, 2014, S. CD009763, doi:10.1002/14651858.CD009763.pub2, PMID 24723301.
  17. H. Schulgasser, A. Borowitz: Methohexital anaesthesia in electroconvulsive therapy. In: The South African Medical Journal (SAMJ). Band 37, Cape Town (Kapstadt) 1963, S. 870 (online).
  18. ES. Pomeranz, CR. Chudnofsky; TJ. Deegan; MM. Lozon; JC. Mitchiner; JE. Weber: Rectal methohexital sedation for computed tomography imaging of stable pediatric emergency department patients. In: Pediatrics, Band 105, Nr. 5, Mai 2000, S. 1110–1114, PMID 10790471.
  19. MA. Manuli, L. Davies: Rectal methohexital for sedation of children during imaging procedures. In: Am J Roentgenol, Band 160, Nr. 3, März 1993, S. 577–580, PMID 8430557.
  20. A. Arduini, MG. Arduini: Effect of drugs and metabolic alterations on brain stem arousal mechanism. In: J Pharmacol Exp Ther, Band 110, Nr. 1, Januar 1954, S. 76–85, PMID 13118481.
  21. Bertram George Katzung: Basic and Clinical Pharmacology, 10. Auflage, Lange Medical Books/McGraw-Hill, New York 2007, S. 406–407 (online)
  22. a b c Eintrag zu Methohexital bei Vetpharm, abgerufen am 20. April 2016.
  23. B. Bally, JF. Payen; F. Serre-Debeauvais; B. Tranchand; M. Gavend; P. Stieglitz: Pharmacokinetics of methohexital given by constant rate intravenous infusion In: Ann Fr Anesth Reanim, Band 11, Nr. 2, 1992, S. 136–140, PMID 1503284.
  24. BN. Swerdlow, FO. Holley: Intravenous anaesthetic agents. Pharmacokinetic-pharmacodynamic relationships., In: Clin Pharmacokinet, Band 12, Nr. 2, Februar 1987, S. 79–110, PMID 3549105.
  25. JW. Sear: General kinetic and dynamic principles and their application to continuous infusion anaesthesia., In: Anaesthesia, 38 Beilage, Juli 1983, S. 10–25, PMID 6346936.
  26. H. Phillips, A. Brown; IH. Koven: Coincidental laryngospasm and duodenal perforation during general anaesthesia for exodontia. Report of case. In: J Can Dent Assoc (Tor), Band 35, Nr. 11, November 1969, S. 603–605, PMID 5259696.
  27. TA. Yemen, J. Pullerits; R. Stillman; M. Hershey: Rectal methohexital causing apnea in two patients with meningomyeloceles. In: Anesthesiology, Band 74, Nr. 6, Juni 1991, S. 1139–1141, PMID 2042766.
  28. MA. Rockoff, NG. Goudsouzian: Seizures induced by methohexital. In: Anesthesiology, Band 54, Nr. 4, April 1981, S. 333–335, PMID 7212335.
  29. K. Metriyakool: Seizures induced by methohexital. In: Anesthesiology, Band 55, Nr. 6, Dezember 1981, S. 718, PMID 7305065.
  30. T. Loddenkemper, G. Möddel; SU. Schuele; E. Wyllie; HH. Morris: Seizures during intracarotid methohexital and amobarbital testing. In: Epilepsy Behav, Band 10, Nr. 1, Februar 2007, S. 49–54, PMID 17049312.
  31. JM. Millar, AM. Barr: The prevention of pain on injection. A study of the effect of intravenous lignocaine before methohexitone. In: Anaesthesia, Band 36, Nr. 9, September 1981, S. 878–880, PMID 7030121.
  32. KH. Simpson, PJ. Halsall; CA. Sides; JF. Keeler: Pain on injection of methohexitone. The use of lignocaine to modify pain on injection of methohexitone during anaesthesia for electroconvulsive therapy. In: Anaesthesia. Band 44, Nr. 8, Aug 1989, S. 688–699, PMID 2782576.
  33. R.S. Vardanyan und V.J. Hruby: Synthesis of Essential Drugs, Elsevier 2006, S. 10 (online (Memento des Originals vom 26. Februar 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/rum.prf.jcu.cz).
  34. H. Brunner: Narcotic drug methohexital: synthesis by enantioselective catalysis. In: Chirality. Band 13, Nummer 8, August 2001, S. 420–424, doi:10.1002/chir.1054, PMID 11466761.