Meteora (Albertus Magnus)

Schrift des mittelalterlichen Gelehrten und Dominikaners Albertus Magnus

Meteora ist eine Schrift des mittelalterlichen Gelehrten und Dominikaners Albertus Magnus. Es handelt sich um einen Teil der umfangreichen Bearbeitung der Werke des Aristoteles, die er zwischen 1250 und 1270 erstellte[1]. Seine lateinische Schrift beruhte auf den erst seit einigen Jahrzehnten vorliegenden Übersetzungen aus dem Altgriechischen oder Arabischen. Albertus Magnus wurde damit in einer Zeit, in der um die Vereinbarkeit des aristotelischen Weltbildes mit dem tradierten christlichen gerungen wurde, zum Mitbegründer der mittelalterlichen christlichen Aristotelik.[2]

Quellen und Inhalt Bearbeiten

Das Werk bearbeitet weitgehend die Meteorologica des Aristoteles. Dabei werden nach Art einer Paraphrase Textteile der Vorlage mit eigenen Kommentaren verbunden[3]. Dadurch kann die verwendete Textvorlage identifiziert werden. Es handelt sich für die Bücher 1-3 um die vetus translatio, die Übersetzung des Gerhard von Cremona aus dem Arabischen[4] (ASL = Aristoteles Semitico-Latinus; im Folgenden wird – wie in der Albertus-Magnus-Edition von Paul Hossfeld – die vetus translatio mit der Seitenzahl in der Edition des Pieter L. Schoonheim zitiert). Buch 4 folgt der Übersetzung des Henricus Aristippus aus dem Griechischen[5]. Albertus Magnus verändert und erweitert diesen Text aber erheblich, verwendet Kommentare der arabischen und persischen Naturphilosophen Albumasar, Avicenna, Algazel, Alkindi, Alpetragius, Averroes und in den drei ersten Büchern umfangreiche, teilweise wortwörtliche Zitate aus den Naturales Quaestiones des Seneca.[6]

Die drei ersten Bücher behandeln verschiedene (rätselhafte) naturkundliche Themen, wie Kometen, Blitze, Erdbeben, Regenbogen ... Das vierte Buch enthält – davon abweichend – allgemeine Überlegungen über das Werden und Vergehen, bzw. die Wandlung von Stoffen (qualitates, subiecti).

Kometen Bearbeiten

In (Buch 1, Traktat 3) behandelt Albertus Magnus das Thema Kometen – in der Meteorologica des Aristoteles (Buch 1, Kapitel 6, 7) – allerdings in der Fassung der vetus translatio (ASL22-26). Es werden die Theorien verschiedener Naturphilosophen zu Wesen und Entstehen der Kometen dargestellt und zum teil auch kritisiert: nach Anaximander und Demokrit die Verbindung mehrerer Planeten oder Fixsterne (Buch 1, Traktat 3, Kapitel 1), nach Avicenna und Algazelis Feuerwirbel (Buch 1, Traktat 3, Kapitel 5), nach Aristoteles entzündliche Erdausdünstung (Buch 1, Traktat 3, Kapitel 9) usw.

In (Buch 1, Traktat 3, Kapitel 5) berichtet Albertus Magnus von seiner eigenen Beobachtung. 1240 sah er in Saxonia einen Kometen nahe dem Nordpol, der Strahlen nach Süden und Osten aussandte. Damit verbindet er einen Tadel an einer der vorangehenden Theorien, denn der Komet war nicht in der Nähe der Planetenbahnen. Auch die Überlieferung Senecas, dass Kometen mit Kriegen und dem Tod von Königen und Imperatoren verbunden seien[7], lehnt er ab. Allerdings spricht er sich nicht generell gegen eine astrologische Deutung der Himmelserscheinungen aus. Vielmehr geht er in (Buch 1, Traktat 3. Kapitel 11) auf die Rolle der Planeten Mars und Jupiter bei solchen Katastrophen ein und verweist dabei auf die Schriften Albumasars und Aristoteles’.

Erdbeben Bearbeiten

(Buch 3, Traktat 2) ist dem Thema Erdbeben gewidmet, auch hier eng der Meteorologica des Aristoteles (Buch 2, Kapitel 7, 8) und der vetus translatio (ASL98-108) folgend. Aristoteles vertritt die pneumatische Theorie, dass Erdbeben durch Erdausdünstung und Wind entstehen[8]. Daher behandelt auch Albertus Magnus Themen wie (Buch 3, Traktat 2, Kapitel 13, ... dessen Grund der Wind sei), (Buch 3, Traktat 2, Kapitel 16, ...woher kommt der Wind, der Erdbeben bewirkt), (Buch 3, Traktat 2, Kapitel 17, ... Wasserfluten, die Wind erzeugen ...). Aber auch ältere Naturforscher werden zitiert, so Anaxagoras, der Erdbeben auf entflammte Luft zurückführt, oder Demokrit, den die bebende Erde an einen überfüllten Magen erinnert.

Viele der umfangreichen Themen und Erfahrungen, die Seneca in den Naturales Quaestiones im Erdbebenbuch darstellt, werden von Albertus Magnus – zum teil wörtlich – zitiert. Seneca berichtet von den Erdbeben in Kampanien, bei denen auf den Ebenen von Pompeji eine Herde von 600 Schafen umgekommen sei, wegen der tödlichen Gifte, die bei Erdbeben aus den Tiefen der Erde frei werden[9]. Albertus Magnus ergänzt das mit seiner eigen Erfahrung. Er habe in der Lombardei erlebt, dass tiefe, lange ungenutzte Brunnen mit giftigen Dämpfen erfüllt waren. Generell folge auf Erdbeben häufig eine pestilentia (Buch 3, Traktat 2, Kapitel 12).

Blitz, Donner, Wirbelwind Bearbeiten

In (Buch 3, Traktat 3) behandelt Albertus Magnus die Themen Blitz, Donner, Wirbelwinde... – in der Meteorologica des Aristoteles (Buch 2, Kapitel 9) – ebenfalls in der Fassung der vetus translatio (ASL110-122). Bei Aristoteles wird die, durch die intensive Wolkenbildung bei Gewittern angeregte, Theorie als „wahr“ vorgestellt, dass Blitz und Donner fast gleichzeitig durch trockene, heiße Ausdünstung innerhalb nasser, kalter Ausdünstung – beide aufgestiegen von der Erde – entstehen. Dies wird übernommen und umfangreich erörtert. Dabei fließen auch eigene – teils kritische – Beobachtungen ein. Wenn der Donner durch starken Wind hervorgerufen wird, warum gibt es dann im windreichen Winter weniger Gewitter (Buch 3, Traktat 3, Kapitel 6) ? Erinnert das Aufflammen der Blitze durch starken Wind nicht an das Aufflackern einer vorsichtig angeblasenen Kerze (Buch 3, Traktat 3, Kapitel 4) ?

Es taucht die Frage auf, warum der Blitz früher zu sehen ist, als der Donner zu hören. Die vetus translatio führt als Grund nur knapp die Feinheit (subtilitas) des Blitzes an (ASL112). Die ergänzende Verdeutlichung bei Aristoteles, dass bei weit entfernten Ruderbooten auch Rudergeräusch und -bewegungssicht nicht synchron sind, ist nicht übernommen worden. Albertus Magnus entwickelt eine eigene Theorie (Buch 3, Traktat 3, Kapitel 7, Warum der Blitz schneller gesehen wird als der Donner gehört), für die sich keine Quelle gefunden hat[10]: während sich der Klang (langsam) in der Materie Luft bewegt, ist die Sicht nur die Form einer Sache, ja nur die Absicht der Form einer Sache (intensio formae rei) und damit schneller.

In Buch 3, Traktat 3, Kapitel 22 (... welche Kraft hat Jupiter im Donner) zitiert der Autor wesentliche Aussagen Senecas[11][12]. Danach ist Jupiter der Herr des Donners, der unter Hinzuziehung des Rates der Götter nutzt und schadet, was durch die Auguren gedeutet wird. Albertus Magnus nimmt zwar diese antiken Lesefrüchte in seine Schrift auf, weist aber natürlich die Augurenaussagen als inventa, frivola, absque consideratione physica (erfunden, wertlos, gegen naturwissenschaftliche Überlegungen) zurück.

Überlieferung Bearbeiten

Es haben sich zahlreiche Handschriften vom 13. bis 15. Jahrhundert erhalten, u. a.in wichtigen Bibliotheken in London, Padua, Paris, Erfurt und Rom[13]. Das spricht für die Bedeutung und Weitverbreitung der Schrift. Die ersten Editionen stammen aus den Jahren 1517/1519 in Venedig und 1651 in Lyon.[14] Eine Übersetzung in die deutsche Sprache liegt nicht vor.

Editionen und Literatur Bearbeiten

  • Manfred Entrich OP (Hrsg.): Albertus Magnus. Sein Leben und seine Bedeutung, Graz/Wien/Köln 1982.
  • Paulus Hossfeld (Hrsg.): Alberti Magni, Ordinis Fratrum Praedikatorum, Meteora, Achendorff 2003.
  • Paul Hoßfeld: Albertus Magnus als Naturphilosoph und Naturwissenschaftler, Bonn 1983.
  • Pieter L. Schoonheim (Hrsg.): Aristotle's Meteorology in the Arabico-Latin tradition. A critical edition of the texts, with introduction and indices. 2000, ISBN 90-04-11760-1

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. James A. Weisheipl OP: Albert der Große - Leben und Werke in Manfred Entrich OP : Albertus Magnus. Sein Leben und seine Bedeutung, S. 25f
  2. Isnard Wilhelm Frank OP: Albertus Magnus - der Wissenschaftler und Dominikaner in Manfred Entrich OP : Albertus Magnus. Sein Leben und seine Bedeutung, S. 69
  3. Paul Hoßfeld: Albertus Magnus als Naturphilosoph und Naturwissenschaftler, S. 7
  4. Pieter L. Schoonheim: Aristotele's Meteorology in the Arabic-Latin tradition, S. XVIII
  5. James A. Weisheipl: Albert's Works on Natural Science in Probable Chronological Order in Albertus Magnus and the Sciences, Toronto 1980
  6. Paul Hoßfeld: Albertus Magnus als Naturphilosoph und Naturwissenschaftler, S. 4, 10
  7. Seneca: Naturales Quaestiones, Buch 7, 15 und 17
  8. Nikolaus Gross: Senecas Naturales Quaestiones, Stuttgart 1989, Erdbebenbuch
  9. Seneca: Naturales Quaestiones, Buch 6, 27
  10. Paulus Hossfeld (Hrsg.): Alberti Magni, Ordinis Fratrum Praedikatorum, Meteora, S. 158, Anmerkungen
  11. Paulus Hossfeld (Hrsg.): Alberti Magni, Ordinis Fratrum Praedikatorum, Meteora, S. 172, Anmerkungen
  12. Seneca: Naturales Quaestiones, Buch 2, 34,41-46
  13. Paulus Hossfeld (Hrsg.): Alberti Magni, Ordinis Fratrum Praedikatorum, Meteora, S. VI-IX
  14. Paulus Hossfeld (Hrsg.): Alberti Magni, Ordinis Fratrum Praedikatorum, Meteora, S.XII