Messe Nr. 2 (Bruckner)

Die Messe Nr. 2 in e-Moll, WAB 27, ist eine Vertonung der Messe für achtstimmigen gemischten Chor und fünfzehn Blasinstrumente, die Anton Bruckner 1866 komponierte. Er komponierte in seinem Leben mehrere geistliche Werke, unter diesen geistlichen Werken befinden sich auch einige Messen, von denen drei nummeriert werden: d-Moll (Nr. 1), e-Moll (Nr. 2) und f-Moll (Nr. 3).

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EntstehungBearbeiten

Die Messe in e-Moll entstand im Jahr 1866 anlässlich der Eröffnung der Votivkapelle des Mariä-Empfängnis-Doms und wurde am 29. September 1869 uraufgeführt.[1] Da die Aufführung im Freien stattfand, musste Bruckner ein Bläserensemble verwenden, das damals von der örtlichen Militärmusik gestellt wurde.

Der Bischof von Linz, Franz Joseph Rudigier, hatte bereits eine Festliche Kantate von Anton Bruckner| Bruckner im Jahr 1862 zur Feier der Grundsteinlegung des neuen Doms. 1866 bat er Bruckner um eine Messe zur Feier des Baus der Votivkapelle des neuen Doms. Wegen einer Verzögerung bei der Fertigstellung des Baus fand die Einweihungsfeier erst drei Jahre später, am 29. September 1869, auf dem Neuen Domplatz statt. Die Interpreten waren die Liedertafel „Frohsinn“, der „Sängerbund“ und der „Musikverein“ von Linz und die Blaskapelle des „k.k. Infanterieregiments“ „Ernst Ludwig, Großherzog von Hessen und bei Rhein Nr. 14“.[2] Das Manuskript und die Widmungspartitur sind im Episkopat Linz archiviert.[3]

Das WerkBearbeiten

Die Messe fußt stark auf altkirchlicher Musiktradition mit einer Thematik, die sich nachhaltig an die Intonation des gregorianischen Gesanges anlehnt. Das Stück ist komponiert für achtstimmige gemischte Chor und 15 Blasinstrumente in folgender Besetzung: 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten und 3 Posaunen.[4]

Es basiert stark auf der Tradition der alten Kirchenmusik und insbesondere auf dem Gesang im alten gregorianischen Stil. Das „Kyrie“ besteht fast ausschließlich aus achtstimmigem Gesang für acht Stimmen. Das „Gloria“ endet mit einer Fuge, wie in Bruckners anderen Messen.[5] Im Sanctus verwendet Bruckner ein Thema aus Palestrina's Missa Brevis. Verglichen mit den anderen Messen, ist es das heikelste seiner großen Chorwerke. Große Abschnitte sind ohne Begleitung zu singen und Bruckner fordert von den Singstimmen viele langsame, extrem anstrengende Passagen. Besonders das Sanctus, das a cappella beginnt, und das Bruckner besonders langsam wünschte, kann in der Tonhöhe leicht absinken, was beim Einsatz der Bläser (T. 26.) schmerzhaft bemerkt wird. Im Erstdruck wurden hier deshalb durchgängig Bläser hinzugezogen, was auch heute oft als Notlösung gemacht werden muss.

Wie bei der Missa solemnis und der d-Moll-Messe und anders als bei der f-Moll-Messe, die Eingangssätze des "Gloria" und des "Credo" - "Gloria in excelsis Deo" bzw. "Credo in unum Deo" - nicht mitkomponiert sind. Man muss dabei bedenken, dass in der katholischen Messtradition es der Priester ist, der diese beiden Sätze spricht bzw. singt, in einem der gregorianischen Modi. Dass Bruckner beide Sätze nicht komponierte, lässt den Schluss zu, dass die d-Moll- und die e-Moll-Messe in erster Linie für den liturgischen Gebrauch gedacht waren und Bruckner die einleitenden Sätze von Gloria und Credo also nicht zu komponieren brauchte. Bei einer Konzert-Aufführung der Messe oder einer Aufnahme müssen beide Sätze aber gesungen werden, etwa von einem der Sänger des Chores, oder von einer Gruppe von Sängern.[6]

Fassungen und AusgabenBearbeiten

Bruckner unterzog das Werk in den Jahren 1869, 1876 und 1882 einer tiefgreifenden Überarbeitung. Die Masse ist in zwei Fassungen erhältlich: Die beiden Ausgaben in Gesamtausgabe der zweiten Fassung sind fast identisch. Schon 1941 hatten Robert Haas und sein damaliger Assistent Leopold Nowak gemeinsam die Partitur herausgegeben. Die 1. Fassung legte Nowak erst 1977 vor. Sie wird aber nur sehr selten aufgeführt. Erwähnenswert ist die Orgelstimme von Vincenz Goller, die auch Chören ohne Bläser eine stilvolle Aufführung ermöglicht. Der Erstdruck ist nicht ganz in Praxis verschwunden, noch Fritz Rieger verwendete ihn gerne.

  • 1. Fassung von 1866, herausgegeben von Nowak im Jahr 1977
  • 2. Fassung von 1882
    • Erstausgabe (Doblinger, 1896), überarbeitet von Franz Schalk
      Der Erstdruck ließ den Chorsatz fast unverändert, die im Sanctus vorgenommene taktweise Vertauschung der Sopranstimmen ist sogar sehr sinnvoll; er nahm aber einige Veränderungen am Orchestersatz vor, die Bruckner nicht abgesegnet hatte.
    • Haas-Ausgabe (1940, 1949)
    • Nowak-Ausgabe (1959)

Die zweite Fassung ist etwas (26-Takt) länger: 753 versus 727 Takte. Die Unterschiede zwischen den beiden Fassungen betreffen sowohl die Phrasierung als auch die Begleitung, vor allem während des Credo und des Benedictus. Was die Sinfonien betrifft, so bildet die erste Fassung das Rohmaterial und klingt vor allem während der Orchesterübergänge weniger ausgefeilt als die spätere Fassung.[7] Die etwa 150 Unterschiede zwischen den beiden Fassungen sind am Ende der Partitur der Fassung von 1882 ausführlich beschrieben.[8] Die zweite Fassung von 1882 wurde am 4. Oktober 1885 im Alten Dom, Linz von der Liedertafel Frohsinn, dem Sängerbund und dem Musikverein der Stadt Linz unter der Leitung von Adalbert Schreyer.[2]

Die Messe ist in sechs Teile gegliedert:

  1. Kyrie – Ruhig Sostenuto, e-Moll. Großteils a cappella gesungen. Es fängt zart an in den Frauenstimmen und steigert sich stufenartig zum Forte und Fortissimo im achtstimmigen Chor.
  2. Gloria – Allegro, C-Dur. In choralartiger Einfachheit gesungen und durch eine Fuge abgeschlossen.
  3. Credo – Allegro, C-Dur. Einfach gehalten.
  4. Sanctus – Andante, G-Dur. Im Sanctus benutzt Bruckner ein Thema der Missa Brevis von Palestrina. In keinem seiner geistlichen Werke hat Bruckner je wieder ein fremdes Thema aufgegriffen.
  5. Benedictus – Moderato, C-Dur
  6. Agnus Dei – Andante, e-Moll. Im Agnus Dei klingt das Werk wie ein Gebet des Friedens aus.

Gesamtdauer: ca. 40 Minuten[4]

Zuvor war Bruckner dafür kritisiert worden, dass er „einfach Sinfonien mit liturgischem Text schrieb“, und obwohl die Cäcilianische Bewegung war mit der Einbeziehung von Blasinstrumenten nicht ganz zufrieden, „Franz Xaver Witt liebte es und rationalisierte zweifellos die Verwendung von Blasinstrumenten als notwendig unter den Umständen der Aufführung im Freien, für die Bruckner das Stück schrieb.“[9]

The Mass in E minor ... is a work without parallel in either 19th- or 20th-century church music. … Even as Bishop Rudigier was laying the foundation stone for a new cathedral, Bruckner too was beginning to raise a cathedral in music.
(Übersetzung) Die Messe in e-Moll ... ist ein Werk, das in der Kirchenmusik des 19. und 20. Jahrhunderts seinesgleichen sucht. ... Noch während Bischof Rudigier den Grundstein für eine neue Kathedrale legte, begann auch Bruckner, eine Kathedrale in der Musik zu errichten.[4]

Anmerkung

Takte 53–61 der Coda des Christus factus est, WAB 10 sind ein klares Zitat der Coda des Kyrie dieser Messe.

Diskografie (Auswahl)Bearbeiten

1. FassungBearbeiten

Es gibt nur eine Aufnahme einer Musikschulaufführung:[7]

  • Hans Hausreither, Chor- und Instrumentalensemble des BORG Wien 1[10] – CD: Ausgabe des BORG, 1996

Ein Live-Aufführung von Hans-Christoph Rademann mit dem RIAS Choir (23. Juni 2013) wird in das Bruckner-Archiv aufgenommen (CD - Charter Oak COR-1904).[11]

2. FassungBearbeiten

Er sind ca. 100 Aufnahmen der 2. Fassung erschienen.[7] Die Ersteinspielung der Messe erfolgte 1930 von Hermann Odermatt mit dem Gregorius-Chor und dem Orchester der Liebfrauenkirche, Zürich (78-rpm Christschall 37-41).

Von den Aufnahmen aus der LP-Ära wurde Eugen Jochums Aufnahme mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und Chor bei Deutsche Grammophon[12] auf CD remastert. Matthew Bests neuere Aufnahme mit den Corydon Singers wurde von der Kritik hoch gelobt.[13] Weitere hervorragende Aufnahmen sind laut Hans Roelofs u. a. die von Roger Norrington, Hellmut Wormsbächer, Philippe Herreweghe, Simon Halsey, Frieder Bernius, Ingemar Månsson, Helmuth Rilling, Marcus Creed, Winfried Toll und Otto Kargl.

EinzelnachweiseBearbeiten

  1. Gräflinger 1921, S. 90.
  2. a b C. van Zwol, S. 588
  3. U. Harten, S. 284
  4. a b c Anton Bruckner –Kritische Gesamtausgabe: Requiem, Messen & Te Deum
  5. P. Hawkshaw, S. 50
  6. Diskografie der Messe Nr. 2 e-Moll
  7. a b c Kommentierte Diskografie der Messe Nr. 2 von Hans Roelofs
  8. Leopold Nowak, Messe e-Moll Fassung 1866, Studienpartitur, S. 3–11, Wien 1977
  9. N. Strimple, S. 48
  10. Bundes-Oberstufenrealgymnasium Wien I
  11. Das Bruckner-Archiv
  12. L.T. Lovallo, S. 28
  13. S. Johnson, S. 361

LiteraturBearbeiten

  • Anton Bruckner, Sämtliche Werke, Kritische Gesamtausgabe – Band 13: Messe e-Moll (Fassung 1882), Musikwissenschaftlicher Verlag, Robert Haas (Editor), Leipzig, 1940
  • Anton Bruckner: Sämtliche Werke: Band XVII: Messe e-Moll (1866–1882), Musikwissenschaftlicher Verlag der Internationalen Bruckner-Gesellschaft, Leopold Nowak (Editor), Vienna
    • XVII/1: 1. Fassung 1866, 1977
    • XVII/1: 2. Fassung 1882, 1959
  • Max Auer, Anton Bruckner als Kirchenmusiker, Gustav Bosse Verlag, Regensburg, 1927, S. 111–136
  • Uwe Harten, Anton Bruckner. Ein Handbuch. Residenz Verlag, Salzburg, 1996. ISBN 3-7017-1030-9
  • Paul Hawkshaw, „Bruckners große geistliche Kompositionen“, „The Cambridge Companion to Bruckner“, herausgegeben von John Williamson, Cambridge University Press, Cambridge, 2004
  • Stephen Johnson, „Anton Bruckner, Masses Nos. 1–3“ 1001 Classical Recordings You Must Hear Before You Die, Rye Matthew (Herausgeber), Universe, New York, 2008
  • Lee T. Lovallo, „Messe Nr. 2 in e-Moll“ - „Anton Bruckner: eine Diskographie“, Rowman & Littlefield, New York, 1991
  • Nick Strimple, „Chormusik im neunzehnten Jahrhundert“, Hal Leonard, New York, 2008
  • Cornelis van Zwol, „Anton Bruckner - Leven en Werken“, Thot, Bussum (Niederlande), 2012. ISBN 90-6868-590-2
  • Alfred Beaujean: Messe e-Moll Nr. 2. In: Hans Gebhard (Hrsg.): Harenberg Chormusikführer. Harenberg, Dortmund 1999, ISBN 3-611-00817-6, S. 177.
  • Franz Gräflinger: Anton Bruckner. Sein Leben und seine Werke. Gustav Bosse Verlag, Regensburg 1921, Kapitel „E-Moll-Messe“ auf S. 89–93 (PDF auf abruckner.com).
  • Angela Pachovsky: Messe in e-moll WAB 27. In: Silke Leopold, Ullrich Scheideler: Oratorienführer. Metzler, Stuttgart 2000, ISBN 3-476-00977-7, S. 104–106.

WeblinksBearbeiten