Mehmet Eymür

türkischer Geheimdienstmitarbeiter

Mehmet Eymür (* 5. September 1943 in Istanbul; † 13. Januar 2024 ebenda) war ein türkischer Geheimdienstmitarbeiter.[1] Er war Leiter der Antiterror-Abteilung des MİT Mitte der 1990er-Jahre. Seine Karriere begann im Jahr 1965 als Verfolgungsbeamter (takip memuru).[2] Er war Assistent des Stellvertretenden Leiters des MİT, Hiram Abas.[3][4][5]

Leben Bearbeiten

Eymür wurde 1943 als Sohn von Mazhar Eymür, einem führenden Mitglied des MİT (unter dem alten Namen MAH für Millî Emniyet Hizmeti Riyâseti), geboren. Mazhar Eymür nahm an der Niederschlagung des Dersim-Aufstands teil.[6]

Vor seiner Karriere beim MİT absolvierte er sein Abitur am englischsprachigen Gymnasium TED Ankara Koleji.[7] Er besuchte die İstanbul Academy of Economic and Financial Sciences (türkisch İstanbul İktisadi ve Ticari İlimler Yüksek Okulu).[8]

Eymür war verheiratet und hatte zwei Kinder.[9][10]

Er starb am 13. Januar 2024 im Alter von 80 Jahren in Istanbul.[11]

Karriere Bearbeiten

MİT (1966–1988) Bearbeiten

Eymür arbeitete bereits als Schüler 1965 beim MİT.[2] Er war nach dem Militärputsch in der Türkei 1971 zusammen mit Hiram Abas an den Ziverbey-Verhören beteiligt.[12] Beide arbeiteten unter dem Befehl des Kommandeurs der 1. Armee, des Vier-Sterne-Generals Faik Türün.

Ab 1975 war er Direktor des Regionalbüros für Fahndung des MİT in Ankara. Zwischen 1980 und 1982 verbrachte Eymür seine Dienstzeit in Bulgarien. Nach seiner Rückkehr wurde er unter anderem mit der Bekämpfung der Terrororganisation ASALA beauftragt.[13]

Bekanntheit erlangte Eymür, als er in der Operation „Die Bosse“ 1984 mehrere Mafiosi hinter Gittern brachte. Unter anderem wurde bei dieser Operation der Mafiaboss Dündar Kılıç festgenommen.[14][15]

Eymür verfasste den kontrovers diskutierten 1987 MIT Report und beschuldigte darin hochrangige Beamte in der Polizei und in der Politik, wie z. B. Nevzat Ayaz, Ünal Erkan und Mehmet Ağar, Verbindungen zur Unterwelt zu haben.[16][17][18] Der besagte Report sickerte durch und wurde in der Zeitschrift 2000'e Doğru im Januar 1988 veröffentlicht. Daraufhin war er gezwungen, am 10. Juni 1988 zurückzutreten, da den Beschuldigungen kein Wahrheitsgehalt nachgewiesen werden konnte.[7][19] Sein ehemaliger Vorgesetzter Hiram Abas hatte sich ebenfalls kritisch dazu geäußert, dass er die Informationen durchsickern ließ.[20]

MİT (1993–1999) Bearbeiten

Nachdem Mitte 1993 Tansu Çiller Ministerpräsidentin wurde, berief sie Eymür im Mai 1994 zum Chef der Spezial-Nachrichtendienstlichen Abteilung des MİT.[21] Danach leitete er die „Operations-Abteilung“ unter dem Sekretär Şenkal Atasagun. Da sich beide vergangenheitsbedingt nicht verstanden, bat er beim Untersekretär Sönmez Köksal um Versetzung.[22]

Anti-Terror-Abteilung (1995–1996) Bearbeiten

Am 31. Januar 1995 wurde Eymür in die neugegründete Anti-Terror-Abteilung des MİT versetzt.[7] Dabei übernahm er eine wichtige Rolle im Kampf gegen die PKK.

Laut Eymür wurde ihm während dieser Zeit der Auftragskiller Mahmut Yıldırım (Codename: Yeşil) vorgestellt, nachdem Yeşil nach Ankara zu JİTEM (Geheimdienst der Gendarmerie; Gladio-Organisation in der Türkei) wechselte. Demnach wusste er nichts von dessen Fahndungsstatus und nutzte Yeşil wohl für mehrere Operationen außerhalb der Türkei. Yeşil war angeblich nie offizieller Mitarbeiter des MİT.[23] Gegenüber einer Zeitung tätigte er jedoch folgende Aussage, da es ihm unangenehm war, immer mit Mahmut Yıldırım in Verbindung gebracht zu werden: „Es gibt Hunderte Yeşil unter den Mitgliedern der Organisation. Yeşil gab es auch schon vorher, was auch immer die Behörden sagen, es wird danach sein.“ Laut eigener Aussage hatte er bei der Anti-Terror-Abteilung fast einen erfolgreichen Anschlag auf den PKK-Führer Abdullah Öcalan verübt,[24] jedoch sei es am schlechten Finanzmanagement und an Sabotage gescheitert (sowohl externe als auch Sabotage innerhalb der Organisation).[25]

Als Mesut Yılmaz im März 1996 Ministerpräsident wurde, löste er die Abteilung auf.[26] Yılmaz hielt die Gruppe um Eymür für illegal, fortan sollten die Aufgaben von der Polizei übernommen werden. Zudem sei Eymürs Abteilung dem Sektenführer Fethullah Gülen treu ergeben.[27] Laut Aussage von Hanefi Avcı, dem Polizeipräsidenten des Polizeigeheimdienstes, gegenüber der Untersuchungskommission des Susurluk-Skandals war Eymürs Organisation illegal.[9]

Letzte Jahre Bearbeiten

Nach dem ersten MİT-Report 1987 fertigte Eymür einen zweiten MİT-Report an. Der Inhalt war bezüglich der Mordanschläge auf Askar Simitko, Lazım Esmaeili und Tarık Ümit zusammengestellt aus den Akten seiner Anti-Terrorabteilung. Dieser Report wurde scharf kritisiert, da er ohne Autorisierung seiner Vorgesetzten erfolgte und im September 1996 geleakt wurde.[28]

Im August des Jahres 1997 wurde er zum Repräsentant des MİT in Washington, D.C., berufen.[22] Im August 1998 wurde er wieder abberufen[14] und kehrte in die Türkei zurück, um Untersuchungen gegen den ehemaligen 2. Sekretär Şenkal Atasagun voranzutreiben.[9]

Letztendlich verließ Eymür den MİT 1999 und zog nach McLean, Virginia, wo sich in Langley der Hauptsitz der CIA befindet.[29] Im März 2000 startete er eine Website, auf der Verbindungen zwischen dem türkischen Staat und der türkischen Mafia dokumentiert wurden. Er wurde strafrechtlich verfolgt, weil er Staatsgeheimnisse preisgegeben hatte.[30]

Literatur Bearbeiten

  • Ferhat Ünlü: Eymür’ün aynası: eski MİT yöneticisi anlatıyor. Metis Yayınları, Beyoğlu, İstanbul, 2001, ISBN 975-342-301-2.
  • Talat Turhan, Orhan Gökdemir: Mehmet Eymür: Ziverbey’den Susurluk’a bir MİT’çinin portresi. Sorun, Istanbul, 1999, ISBN 975-431-090-4.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Eski Milli İstihbarat Teşkilatı (MİT) Kontraterör Dairesi Başkanı Mehmet Eymür kimdir? 13. Januar 2024, abgerufen am 12. Januar 2024 (türkisch).
  2. a b Mehmet Eymür’den şok iddialar.. In: Milliyet. 28. Oktober 2008, abgerufen am 1. Dezember 2020 (türkisch).
  3. Serdar Çelik: Turkey’s Killing Machine: The Contra-Guerrilla Force. In: Kurdistan Report. Band 17, February/March 1994, ISSN 0966-9892 (englisch, hartford-hwp.com – Der Autor, eigentlich Selahattin Çelik, steht in Verbindung zu PKK).
  4. Mehmet Akif Beki: Whose gang is this? In: Turkish Daily News. 17. Januar 1997, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 9. Februar 2021 (englisch): „Mehmet Eymur, the present branch chairman of the counterespionage department in the MIT, was amongst Hiram Abas' team.“
  5. @1@2Vorlage:Toter Link/tdnarchives.blogspot.com (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2021. Suche in Webarchiven) Alt URL
  6. Ferhat Ünlü: MİT'te iç çekişme entrikaya yol açtı. In: Sabah. 19. Juli 2007, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 18. Februar 2008; abgerufen am 1. Dezember 2020 (türkisch): „Mazhar Eymür de bir subaydı ve cumhuriyetin ilk yıllarında Dersim isyanının bastırılmasında rol almıştı.“
  7. a b c MİT'i sarsacak suçlama. In: Hürriyet. 24. August 1998, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 27. Februar 2009; abgerufen am 1. Dezember 2020 (türkisch).
  8. Eymür, Mehmet: Hukuk Mücadelem. In: Anadolu Türk Interneti. 25. Oktober 2008, abgerufen am 1. Dezember 2020 (türkisch).
  9. a b c State gangs are being cleaned out. In: Turkish Daily News. 25. August 1998, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 9. Februar 2021.@1@2Vorlage:Toter Link/www.turkishdailynews.com.tr (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  10. @1@2Vorlage:Toter Link/tdnarchives.blogspot.com (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2021. Suche in Webarchiven) Alt URL
  11. Todesnachricht. In: birgun.net. 13. Januar 2024, abgerufen am 13. Januar 2024 (türkisch).
  12. Necati, Yılmaz Güney’in MİT’teki köstebeğiydi. In: Sabah. 20. Juli 2007, abgerufen am 1. Dezember 2020 (türkisch).
  13. Doğan Yurdakul and Soner Yalçın (2012): Bay Pipo – Bir MİT Görevlisinin Sıradışı Yaşamı: Hiram Abas, Doğan Kitap. ISBN 978-975-991-430-1.
  14. a b MİT’le özdeşleşen isim. In: Milliyet. 1. Dezember 2011, archiviert vom Original; abgerufen am 24. März 2024 (türkisch).
  15. Mehmet Eymür'ün inişli-çıkışlı öyküsü. In: Haberturk. 30. November 2011, abgerufen am 24. März 2024 (türkisch).
  16. Mercan, Faruk: Özel Dostalar/Mehmet Eymür-İstihbaratçının dava dosyası. In: Zaman. 12. April 2000 (türkisch, Online [abgerufen am 1. Dezember 2020]).
  17. Faruk Mercan: ÖZEL DOSYALAR/Mehmet Eymür. 12. April 2000, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 15. September 2023 (türkisch).
  18. The Susurluk Report Produces a Mouse. In: Hürriyet Daily News. 1. Februar 1998, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 24. März 2024.
  19. Sedef Şenkal Demir: Ergenekon dosyasındaki 15 MİT raporu sahte çıktı. In: Gazeteport. 13. August 2008, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 23. August 2008; abgerufen am 1. Dezember 2020 (türkisch): „Müsteşarlığımıza atfedilen 1987 tarihli MİT Raporu şeklinde bir belgeye kayıtlarımızda rastlanmadığı, ancak raporun, eski mensubumuz Mehmet Eymür tarafından, Teşkilat metot ve prensiplerine aykırı olarak ve hiyerarşik yapı içerisinde hiç bir emir ve izne dayanmaksızın hazırlanan 1987 tarihli etüt olduğunun değerlendirildiği...“
  20. Ferhat Ünlü: Abas: Başımıza ne geldiyse geveze Mehmet yüzünden geldi. In: Sabah. 16. Juli 2007, abgerufen am 1. Dezember 2020 (türkisch): „Başımıza ne geldiyse bu geveze Mehmet'in (Eymür) yüzünden geldi.“
  21. Former MİT official Eymür puts blame on former police chief Ağar for extrajudicial killings. In: Today’s Zaman. 7. Dezember 2011, archiviert vom Original; abgerufen am 15. September 2023.
  22. a b Tolga Akiner: Güney, Mehmet Eymür’ün elemanı mı? In: Radikal. 27. November 2008, abgerufen am 1. Dezember 2020 (türkisch).
  23. MİT official says he ‘knows much’ about past atrocities. In: Today’s Zaman. 2. Dezember 2011, archiviert vom Original; abgerufen am 12. Januar 2024 (englisch).
  24. Eymür: Deniz Feneri case retaliation for Ergenekon probe. In: Today’s Zaman. 29. Oktober 2008, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 12. Juni 2012; abgerufen am 1. Dezember 2020.
  25. Faruk Mercan: Asala operasyonlarını Kenan Evren'in kızı yönetti. In: Aksiyon. (com.tr [abgerufen am 1. Dezember 2020]).
  26. Soner Gurel: İşte Kontrterör'ün tartışmalı tarihi. In: Hürriyet. 28. November 2008, abgerufen am 1. Dezember 2020 (türkisch).
  27. Meltem Yılmaz: Yasadışı oluşum Emniyet’e kaydı. In: Cumhuriyet. 28. November 2008, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. Juli 2011; abgerufen am 1. Dezember 2020 (türkisch).
  28. MİT, Eymür için ‘başına buyruk’ dedi. In: Gazeteport. 31. Oktober 2008, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 5. Dezember 2008; abgerufen am 1. Dezember 2020 (türkisch).
  29. Atar, Ersan, Sik, Barsin: Eymur'un acik adresi elcilikte. In: Milliyet. 23. Mai 2000, abgerufen am 1. Dezember 2020 (türkisch).
  30. Amberin Zaman: Ex-Spy Spins Web of Collusion in Turkey’s War Against Kurds. In: Los Angeles Times. 19. August 2000, S. A-2, abgerufen am 1. Dezember 2020.

Weblinks Bearbeiten