Malte Brinkmann

deutscher Pädagoge und Professor für Pädagogik

Malte Brinkmann (geboren 1966) ist ein deutscher Pädagoge und Professor für Allgemeine Erziehungswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er ist Vertreter einer phänomenologisch orientierten Pädagogik und Erziehungswissenschaft.

Leben Bearbeiten

Nach Abitur an der Fürst-Johann-Ludwig-Schule in Hadamar sowie Zivildienst in Köln folgte von 1987 bis 1994 das Studium in Deutscher Philologie, Geschichte, Pädagogik und Musik mit dem Studienziel Lehramt an der Universität zu Köln. Von 1992 bis 1998 war Brinkmann Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Egon Schütz, seinerseits Schüler von Eugen Fink.

Der Promotion zum Dr. phil. im Jahre 1997 – mit einer Arbeit über Das Verblassen des Subjekts bei Foucault – schloss sich das Referendariat in Köln und Leverkusen sowie eine fünfjährige Betätigung als Lehrkraft (in den Fächern Deutsch, Geschichte, Musik und Ethik) an der Bundespräsident-Theodor-Heuss-Schule in Homberg (Efze) an. Danach kehrte Brinkmann zurück in die Wissenschaft. Er arbeitete zunächst an der PH Freiburg als Studienrat bzw. Akademischer Rat und wurde 2010 auf seine erste Professur für Allgemeine Pädagogik an die PH Ludwigsburg berufen. Mit einer Arbeit über Pädagogische Übung habilitierte sich Brinkmann im Jahre 2011. Seit 2012 ist er Professor für Allgemeine Erziehungswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin.[1]

Brinkmann ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft und Beirat in der 2010 gegründeten Gesellschaft für Bildung und Wissen. Er ist ebenfalls Initiator und Organisator einer internationalen Reihe von Symposia zur phänomenologischen Erziehungswissenschaft[2] sowie Herausgeber einer gleichnamigen wissenschaftlichen Reihe[3]. Auch ist er Mitherausgeber der Erziehungswissenschaftlichen Revue und betreibt einen zweisprachigen Blog zur phänomenologischen Erziehungswissenschaft.

Er ist Sprecher der Kommission Bildungs- und Erziehungsphilosophie der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE)[4] sowie Geschäftsführender Direktor des Interdisziplinären Zentrums für Bildungsforschung (IZBF) an der Humboldt-Universität.[5]

Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit liegt im Gebiet der interkulturellen Unterrichtsforschung. Dazu arbeitet er unter anderem mit der Capital Normal University in Peking sowie mit der East China Normal University Shanghai zusammen.[6] Im Zuge dessen wurde er im Oktober 2019 zum Honorarprofessor an der Capital Normal University in Peking, ernannt. Er ist zudem Foreign Chief Expert of Educational Video and Image Analysis Lab an der Zhejiang Normal University in Jinhua.[7]

Wissenschaftliche Schwerpunkte Bearbeiten

Im Werk Brinkmanns finden sich konstante Themen wie Pädagogische Anthropologie, Pädagogische Übung, Theorie und Empirie des Lehrens und Lernens und der Übung, kontemporäre Bildungspolitik und Bildungsreform (post PISA), Macht und Alterität in Erziehungsverhältnissen sowie die grundlagenreflexive Auseinandersetzung mit Theorien des Lernens, der Bildung und Erziehung.

Brinkmann vertritt eine Position der Phänomenologie als Denk- und Forschungsstil, die grundlagen- und erfahrungstheoretische Pädagogik als theoretische und praktische Wissenschaft versteht.  Er steht in der Tradition Edmund Husserls, Martin Heideggers und Eugen Finks sowie an leibphänomenologischen Positionen von Helmuth Plessner, Maurice Merleau-Ponty und Bernhard Waldenfels. In seinen Arbeiten versucht er im Anschluss an Egon Schütz, Käte Meyer-Drawe und Wilfried Lippitz die phänomenologische Erziehungswissenschaft[8] als Teildisziplin zu profilieren und interdisziplinär sowie international zu vernetzen. Brinkmann setzt sich ebenfalls für die Entwicklung einer theoretischen Empirie innerhalb der Erziehungswissenschaften ein.

Auf der Basis einer videografischen Unterrichtsforschung versucht Brinkmann, qualitativ verschiedene pädagogische Phänomene wie (Un-)Aufmerksamkeit, Zeigegesten, Wiederholung und Übung zu erfassen. Neuere Forschungen beschäftigen sich mit pädagogischen Perspektiven auf Embodiment (Verkörperungen)[9], Emotionen[10], pädagogischer Ethosforschung (Projekt ELBE[11]), Digitalität und Fach- und Sachlichkeit im Unterricht (Projekt PAU[12])[13].

Schriften (Auswahl) Bearbeiten

  • Die Wiederkehr des Übens. Praxis und Theorie eines pädagogischen Grundphänomens. Kohlhammer, Stuttgart 2021.
  • Das Verblassen des Subjekts bei Foucault. Anthropologische und bildungstheoretische Studien. (= Schriften zur Erziehungsphilosophie. Band 16). Dissertation. Deutscher Studienverlag, Weinheim 1999.
  • Üben: Wissen – Können – Wiederholen. Zeitphänomenologische Überlegungen zur pädagogischen Übung. In: Vierteljahrschrift für wissenschaftliche Pädagogik. 85. Jg., H. 4/2009. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2009, S. 413–434.
  • Fit für PISA? Bildungsstandards und performative Effekte im Testregime. Vorschläge zur theoretischen und pädagogischen Differenzierung von Bildungsforschung und Aufgabenkultur. In: Johannes Bilstein, Jutta Ecarius (Hrsg.): Standardisierung – Kanonisierung. Erziehungswissenschaftliche Reflexionen. (= Schriftenreihe der Kommission Allgemeine Erziehungswissenschaft der DGFE). Springer VS, Wiesbaden 2009, S. 97–116.
  • Pädagogische Erfahrung – Phänomenologische und ethnographische Forschungsperspektiven. In: Ines Breinbauer u. a. (Hrsg.): Orte des Empirischen in der Bildungstheorie. (= Einsätze theoretischer Erziehungswissenschaft. Band II). Königshausen & Neumann, Würzburg 2011, S. 61–78.
  • Pädagogische Übung. Praxis und Theorie einer elementaren Lernform. Habilitationsschrift. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2012.
  • Verstehen, Auslegen und Beschreiben zwischen Hermeneutik und Phänomenologie. Zum Verhältnis und zur Differenz von hermeneutischer Rekonstruktion und phänomenologischer Deskription am Beispiel von Günther Bucks Hermeneutik und Erfahrung. In: Sabrina Schenk, Torben Pauls (Hrsg.): Aus Erfahrung lernen. Anschlüsse an Günther Buck. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2014, S. 199–222.
  • Pädagogische Empirie – Phänomenologische und methodologische Bemerkungen zum Verhältnis von Theorie, Empirie und Praxis. In: Zeitschrift für Pädagogik. 61. Jg., H. 4/2015. Beltz Juventa, Weinheim 2015, S. 527–545.
  • Übungen der Aufmerksamkeit: Phänomenologische und empirische Analysen zum Aufmerksamwerden und Aufmerksammachen. In: Sabine Reh, Jörg Dinkelaker, Kathrin Berdelmann (Hrsg.): Aufmerksamkeit. Geschichte – Theorie – Empirie eines pädagogischen Phänomens. Springer, Wiesbaden 2015, S. 199–220.
  • Allgemeine Erziehungswissenschaft als Erfahrungswissenschaft. Versuch einer sozialtheoretischen Bestimmung als theoretisch-empirische Teildisziplin. In: Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Pädagogik. 92. Jg., H. 2/2016, Ferdinand Schöningh, Paderborn 2016, S. 215–231.
  • Egon Schütz – Existentialkritische Pädagogik. Band 2 der Reihe "Phänomenologische Erziehungswissenschaft", Hrsg. v. Brinkmann, Malte Springer VS, Wiesbaden, 2017.
  • Aufgaben der Schule – systematischer Versuch einer Phänomenologie der Schule. In: Reichenbach, Roland/Bühler, Patrick (Hrsg.): Fragmente zu einer pädagogischen Theorie der Schule: Erziehungswissenschaftliche Perspektiven auf eine Leerstelle. Beltz/Juventa, Weinheim 2017, S. 88–110.
  • mit Marc Fabian Buck, Sales Severin Rödel (Hrsg.): Pädagogik – Phänomenologie. Verhältnisbestimmungen und Herausforderungen. (= Phänomenologische Erziehungswissenschaft. Band 3). Springer VS, Wiesbaden 2017. doi:10.1007/978-3-658-15743-2
  • Didaktische Relationen: Geteilte Aufmerksamkeit als unterrichtliche Praxis des Zeigens und Aufmerkens. Ergebnisse aus der pädagogisch-phänomenologischen Videographie des Unterrichts. In: Benner, Dietrich/ Meyer, Hilbert/ Peng, Zhengmei/ Li, Zhengtao (Hrsg.): Beiträge zum chinesisch-deutschen Didaktik-Dialog (Perspectives on Sino-German Didactics Dialogue), Verlag Julius Klinkhar, Bad Heilbrunn 2018:, S. 114–133.
  • Phänomenologische Erziehungswissenschaft. Grundlagentexte von den Anfängen bis heute. Band 4 der Reihe "Phänomenologische Erziehungswissenschaft". Springer VS, Wiesbaden 2018.
  • mit Sales Severin Rödel: Pädagogisch-phänomenologische Videographie. Zeigen, Aufmerken, Interattentionalität. In: Moritz, Christine/ Corsten, Michael (Hrsg.): Handbuch qualitativer Videoanalyse. Method(olog)ische Herausforderungen – forschungspraktische Perspektiven. Springer VS, Wiesbaden 2018, S. 521–547.
  • Günther Buck: Lernen und Erfahrung. Epagoge, Beispiel und Analogie in der pädagogischen Erfahrung. (Neuauflage) Band 5 der Reihe "Phänomenologische Erziehungswissenschaft". Hrsg. v. Brinkmann, Malte, Springer VS, Wiesbaden 2019.
  • zusammen mit Johannes Türstig u. Martin Weber-Spanknebel (Hg.): Leib – Leiblichkeit – Embodiment. Pädagogische Perspektiven auf eine Phänomenologie des Leibes. Band 7 der Reihe "Phänomenologische Erziehungswissenschaft". Springer VS, Wiesbaden 2019.
  • Wilfried Lippitz: Phänomene der Erziehung und Bildung. Phänomenologisch-pädagogische Studien. Band 8 der Reihe "Phänomenologische Erziehungswissenschaft". Hrsg. v. Brinkmann, Malte, Springer VS, Wiesbaden 2019.
  • Verkörperungen. (Post-) Phänomenologische Untersuchungen zwischen erziehungswissenschaftlicher Theorie und leiblichen Praxen in pädagogischen Feldern. Band 9 der Reihe "Phänomenologische Erziehungswissenschaft". Hrsg. v. Brinkmann, Malte, Springer VS, Wiesbaden 2019.
  • Forschendes Lernen. Pädagogische Studien zur Konjunktur eines hochschuldidaktischen Konzepts. Band 10 der Reihe "Phänomenologische Erziehungswissenschaft". Springer VS, Wiesbaden 2020.
  • Verstehen und Beschreiben. Zur phänomenologischen Deskription in der qualitativen Empirie. In: Schwarz, J. F./Symeonides, V. (Hrsg.): Erfahrungen verstehen – Nicht-Verstehen erfahren. Innsbruck: StudienVerlag, 2020, S. 29–46.
  • Purposes of school – a phenomenological analysis via Hegel, Langeveld and Fink. In: Journal of curriculum studies, 2020.
  • Verkörperungen und Aufmerksamkeit in pädagogischen Relationen – der Beitrag der phänomenologischen Unterrichtsforschung für die qualitative erziehungswissenschaftliche Forschung. In: Demmer, Christine/ Fuchs, Thorsten/ Kreitz, Robert/ Wiezorek, Christine: Das Erziehungswissenschaftliche qualitativer Forschung, Schriftenreihe der DGfE-Kommission Qualitative Bildungs- und Biographieforschung, Leverkusen: Budrich. 2020, S. 17–38.

Videos Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Fanny-Lynne Isensee: Vita — Allgemeine Erziehungswissenschaft. Abgerufen am 9. Mai 2017.
  2. Ann-Kathrin Hoffmann: Internationale Symposien Phänomenologische Erziehungswissenschaft — Allgemeine Erziehungswissenschaft. Abgerufen am 17. Dezember 2019.
  3. Ann-Kathrin Hoffmann: Wissenschaftliche Reihe "Phänomenologische Erziehungswissenschaft" — Allgemeine Erziehungswissenschaft. Abgerufen am 17. Dezember 2019.
  4. DGFE: Kommission Bildungs- und Erziehungsphilosophie. Abgerufen am 26. November 2019.
  5. Zentrumsleitung — Interdisziplinäres Zentrum für Bildungsforschung. Abgerufen am 26. November 2019.
  6. Internationale Kooperationen — Allgemeine Erziehungswissenschaft. Abgerufen am 17. Dezember 2019.
  7. Forschungsschwerpunkte — Allgemeine Erziehungswissenschaft. Abgerufen am 26. November 2019.
  8. Malte Brinkmann: Was ist Phänomenologische Erziehungswissenschaft? 12. März 2021, abgerufen am 25. Mai 2023.
  9. Verkörperungen. In: Phänomenologische Erziehungswissenschaft. 2019, ISSN 2512-126X, doi:10.1007/978-3-658-27491-7.
  10. Emotion – Feeling – Mood. In: Phänomenologische Erziehungswissenschaft. 2021, ISSN 2512-126X, doi:10.1007/978-3-658-34124-4.
  11. Ethos im Lehrberuf (ELBE): Manual zur Übung einer professionellen Haltung, auf erziehungswissenschaften.hu-berlin.de
  12. PAU: Praxen der Aufmerksamkeit im Unterricht (2018-2020), auf erziehungswissenschaften.hu-berlin.de
  13. Videografische Unterrichtsforschung — Allgemeine Erziehungswissenschaft. Abgerufen am 17. Dezember 2019.