Die Luftseilbahn Jerusalem ist ein projektiertes Nahverkehrsmittel, das einen neuen Zugang zur Jerusalemer Altstadt und zur Klagemauer schaffen soll. Die Seilbahn sollte 2021 in Betrieb gehen, die Eröffnung und der Bau stehen aufgrund von Protesten allerdings noch aus.[1]

Geografische Lage Bearbeiten

Die geplante Strecke soll in der Nähe des historischen, ersten Bahnhofs von Jerusalem beginnen, eine Mittelstation auf dem Zionsberg erhalten und dann weiter zum Dungtor, dem Hauptzugang zur Klagemauer, fahren. Die Trasse verliefe direkt vor dem südöstlichen Abschnitt der Stadtmauer von Jerusalem, ohne die Altstadt oder deren Stadtmauer zu queren, um unmittelbar davor enden.[2] Abgesehen von der Talstation liegt der Rest der Strecke überwiegend in Ostjerusalem, das formal nach internationaler Betrachtung besetztes Gebiet ist.

Stationen

Die Tabelle enthält die zurzeit diskutierten Standorte, eine genaue Planung liegt noch nicht vor[3]:

Station Ort Lage
Talstation Alter Bahnhof Jerusalem („First Station“) 31° 46′ 1″ N, 35° 13′ 29″ O
Betriebsstation Abu Tor 31° 45′ 49″ N, 35° 13′ 58″ O
Erste Mittelstation Kedem Besucherzentrum (Davidsstadt, archäologische Stätte) 31° 46′ 18″ N, 35° 14′ 6″ O
Bergstation Berg Zion 31° 46′ 18″ N, 35° 13′ 43″ O

Ziele Bearbeiten

Das Projekt wird vornehmlich von der Jerusalemer Stadtverwaltung, deren früheren Bürgermeister Nir Barkat und seinem Nachfolger, Mosche Lion, sowie dem israelischen Tourismusminister, Yariv Levin, betrieben.[2] Die Befürworter des Projekts argumentieren, dass damit der Zugang zur Jerusalemer Altstadt und zur Klagemauer verbessert wird, die bestehenden Verkehrsverbindungen entlastet werden und die Fahrt mit einer Luftseilbahn schneller und angenehmer ist, als mit Pkw, Bus oder zu Fuß durch die engen Gassen der Altstadt, wo es keine Parkmöglichkeiten und kaum Öffentlichen Personennahverkehr gibt.[2]

Konflikte Bearbeiten

Die Gegner des Projekts sehen es vor allem als politische Maßnahme, Ostjerusalem enger an Israel anzubinden und den rechtlichen Status des „besetzten Gebietes“, das von Israel einseitig annektiert wurde, weiter zu schwächen. Darüber hinaus gibt es denkmalschützerische Bedenken wegen der Nähe zur Jerusalemer Altstadt.[4]

Daraus ergeben sich eine Reihe von Konflikten:

  • Die vorgesehene Streckenführung überquert die Grenze zwischen West- und Ostjerusalem, die Bahn würde auch über ostjerusalemer Territorium führen und den israelischen Anspruch auf Ostjerusalem stärken. Die Bergstation soll in einem Gebäudekomplex untergebracht werden, der der rechtsgerichteten Siedlergruppe „Elad“ gehört, die dort ihre Sicht auf die Geschichte von Jerusalem präsentieren möchte.[4]
  • die Trasse verliefe unmittelbar vor der historischen Stadtmauer. Das könnte den Umgebungsschutz für die Ansicht der historischen Altstadt, ein UNESCO-Welterbe[5], beeinträchtigen.[4]
  • die betroffenen Anwohner, die eine Verletzung ihrer Privatsphäre fürchten, wurden aus dem Planungsprozess ausgeschlossen, indem das Projekt per Gesetz zu einem national bedeutenden Infrastrukturprojekt erklärt wurde.[2]

In der Zivilgesellschaft gibt es erheblichen Widerstand gegen das Projekt.[6] Gegen das Projekt haben sich Anwohner ausgesprochen, über deren Friedhof, die Trasse verläuft und eine Reihe Prominenter, darunter die Architekten Daniel Libeskind, Ron Arad, Moshe Safdie und Santiago Calatrava, der Archäologe Meir Ben-Dov, die Israelische Vereinigung der Stadtplaner, Moreschet Derech (einer der beiden Verbände der Stadtführer in Jerusalem), die Gesellschaft für den Erhalt historischer israelischer Stätten, die Gesellschaft für Naturschutz in Israel und eine Reihe weiterer Verbände.[7]

Befürwortet wird das Projekt vom Verband der Israelischen Fremdenführer.

Suez Environnement hat es aus politischen Gründen abgelehnt, sich an dem Projekt zu beteiligen.[2]

Umsetzung Bearbeiten

Mittel für die Planung in Höhe von 3,6 Mio. Euro wurden bereitgestellt. Die Baukosten werden mit etwa 50 Mio. Euro veranschlagt.[8] Das Projekt ist als touristisch wichtig eingestuft, was es nach einer Änderung des Planungsgesetzes 2016 ermöglicht, die lokalen und regionalen Planungsverfahren zu umgehen und die Planfeststellung durch das nationale Planungskomitee vornehmen zu lassen, das dem israelischen Finanzministerium zugeordnet ist, was das Verfahren erheblich beschleunigt. Eine Inbetriebnahme wird bereits für 2021 anvisiert.[9] Die Frist, Einwendungen gegen die Planung zu erheben, lief am 3. April 2019 ab.[10] Am 3. Juni 2019 hat die nationale Infrastrukturkommission dem Projekt zugestimmt.[11]

Im Sommer 2020 befand sich das Projekt vor dem Obersten Gerichtshof, der darüber in seiner Funktion als High Court in einem Normenkontrollverfahren zu entscheiden hat. Er verlangte von der Regierung einen faktengestützten Nachweis darüber, dass das Projekt den Tourismus im Bereich der Altstadt fördere.[12]

Ebenfalls im Sommer 2020 stellten Politiker aus Kreisen des ultraorthodoxen Judentums im Stadtrat von Jerusalem fest, dass die Seilbahn auch über einen Friedhof führen würde. Da das nach ihrer Vorstellungen gegen religiöse Reinheitsgebote verstößt (Kohanim dürften die Seilbahn dann nicht nutzen), wandten auch sie sich gegen das Projekt. Da sie in Jerusalem eine starke politische Kraft darstellen und die Stadt Jerusalem die für den Bau erforderlichen Enteignungsverfahren durchführen müsste, brachte das auch von dieser Seite das Projekt ins Wanken.[13]

Gleichwohl soll mit dem Bau begonnen werden.[14]

Nach dem Regierungswechsel im Juni 2021 hat die Position des Verkehrsministeriums gewechselt, das sich nun auch gegen das Projekt aussprach.[15] Die Regierung insgesamt aber stand weiter hinter dem Projekt.[16] Ende 2021 befand sich das Projekt vor dem High Court of Justice.[17]

2023 fanden erste Bauarbeiten im Ortsteil Abu Tor statt, wo die Abstellanlage für die Kabinen errichtet werden soll: 20 größere Bäume wurden ausgegraben, um an anderer Stelle wieder gepflanzt zu werden und die Denkmalbehörde (Israel Antiquities Authority) bereitete eine archäologische Untersuchung des Geländes vor.[18]

Technik Bearbeiten

Geplant ist eine Gondelbahn. Die Streckenlänge beträgt 1400 m.[8] Die Strecke soll über 15 Masten führen, die zwischen 15 und 26 m hoch sein werden.[7] 73 Gondeln, die jeweils 10 Fahrgäste befördern können, sollen gleichzeitig verkehren. Dies ermöglichte eine Kapazität von 3.000 Reisenden pro Stunde.[11] Die Fahrzeit soll 3,5 Minuten betragen, der Betrieb am Sabbat aber ruhen. Die reine Bauzeit wird auf 18 Monate bis zwei Jahre veranschlagt.[2] Im Mai 2017 wurde das Projekt genehmigt.[19] Wie in Israel üblich, soll der Verkehr am Sabbat (Freitagabend bis Samstagabend) ruhen.[10]

Literatur Bearbeiten

  • NN: Cable Car to Jerusalem’s Old City Expected to be Operational in Three Years. In: Times of Israel vom 7. März 2017. Angeführt nach: HaRakevet 117 (Juni 2017), S. 11.
  • NN: The Jerusalem Cable Car Project. In: HaRakevet 121 (Juni 2018), S. 15, 16 und 18.
  • NN: News Bulletin. In: Deutschlandradio vom 28. Mai 2017. Angeführt nach: HaRakevet 117 (Juni 2017), S. 11.
  • Anna Roiser: [ohne Titel]. In: Times of Israel vom 13. März 2019. Wiedergegeben nach: HaRakevet 125 (Juni 2019), S. 17f.
  • Sue Surkes: Israel Prize winners call on government to cancel Jerusalem Old City cable car. In: Times of Israel vom 12. Oktober 2018. Wiedergegeben nach: HaRakevet 123 (Dezember 2018), S. 13f.
  • Sue Surkes: With objection period ending, Opposition to Jerusalem cable car peaks. In: Times of Israe vom 3. April 2019. Wiedergegeben nach: HaRakevet 125 (Juni 2019), S. 18f.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Toi Staff: Government tells top court it supports controversial Jerusalem cable car plan. In: The Times of Israel. The Times of Israel Ltd., 30. Dezember 2021, abgerufen am 3. Mai 2022 (englisch).
  2. a b c d e f Cable Car
  3. Roiser, S. 17
  4. a b c Roiser
  5. UNESCO-Welterbe Jerusalemer Altstadt und ihre Mauern.
  6. Surkes: Israel Prize winners, S. 13f
  7. a b Surkes: With objection period ending, S. 18
  8. a b The Jerusalem Cable Car Project, S. 16
  9. Surkes: Israel Prize winners, S. 13f (14)
  10. a b Surkes: With objection period ending, S. 19
  11. a b Jerusalem. Cable Car Decision. In: HaRakevet 126 (September 2019), S. 16
  12. Meldung in: HaRakevet 130 (September 2020), S. 17. Hier wird ein Bericht aus der Times of Israel vom 26. Juli 2020 von Sue Surkes wiedergegeben.
  13. Cable Car Project Hits Major Problems, in: Jerusalem Post vom 2. Oktober 2020, wiedergegeben in: HaRakevet 134 (Dezember 2020), S. 17f.
  14. Sue Surkes: Excavation Work to Begin Within a Few Days, in: Times of Israel vom 4. November 2020, wiedergegeben in: HaRakevet 134 (Dezember 2020), S. 18f.
  15. HaRakevet 135 (2022), S. 15.
  16. Toi Staff: Government tells top court it supports controversial Jerusalem cable car plan. In: Times of Israel vom 30. Dezember 2021; abgerufen am 19. März 2022.
  17. HaRakevet 135 (2022), S. 15; Toi Staff: Government tells top court it supports controversial Jerusalem cable car plan. In: Times of Israel vom 30. Dezember 2021; abgerufen am 19. März 2022.
  18. NN: Cable Car – More Controversy. In: HaRakevet 141 (2023), S. 12 (nach einer Berichterstattung in der Times of Israel).
  19. News Bulletin