Krankenstube

deutsches gesundheits- und sozialpolitisches Konzept zur stationären medizinischen und pflegerischen Versorgung

Eine Krankenstube ist ein u. a.[1][2] deutsches zeitgenössisches gesundheits- und sozialpolitisches Konzept zur stationären medizinischen und pflegerischen Versorgung verletzter und kranker Menschen in Alternative zum regulären medizinischen Versorgungssystem. Die Einführung von Krankenstuben wird seit 1999 vielerorts in der deutschen Zivilgesellschaft, seitens Kommunen und in der Fachwelt diskutiert, aber selten umgesetzt.[3][4]

Begriffsgeschichte und heutige Definition Krankenstube Bearbeiten

Der Begriff Krankenstube taucht historisch vor allem in Veröffentlichungen aus der Militärgeschichte,[5] der Armenfürsorge,[6] dem Gefängniswesen oder der Gesundheitsversorgung von Menschen in ländlichen Gebieten[7] auf.

1999[8] startete der Caritasverband Hamburg auf dem Gelände des ehemaligen Hafenkrankenhauses in Hamburg-St. Pauli sein bis heute bestehendes Projekt[9] zur stationären Aufnahme und Versorgung nicht krankenversicherter vor allem obdachloser Menschen und nannte es: Krankenstube[10].

Darunter wird seitdem eine Einrichtung verstanden, die nicht versicherten kranken Menschen außerhalb des i. d. R. kommunal gesteuerten Regel- und Hilfssystems ein niedrigschwellig zugängliches Angebot zur stationären Gesundheitsversorgung macht.[11]

Geschichte und Aufgaben von so genannten Krankenstuben seit Ende des 20. Jahrhunderts Bearbeiten

Seit 1999, mit dem Start des Caritas-Projekts Krankenstube in Hamburg, wird und wurde die Einführung vergleichbarer Einrichtungen in etlichen deutschen Kommunen und Stadtstaaten diskutiert.[12] Lange war die Hamburger Caritas-Krankenstube die einzige Einrichtung dieser Art in Deutschland.[3] Mittlerweile gibt es auch Krankenstuben in Hannover und Köln.[4][13] 2019 kündigte Bremen die Einführung einer Krankenstube an, aber das Projekt verzögerte sich (Stand: 2021).[14][15]

Krankenstuben gibt es in der Obdach- und Wohnungslosenhilfe. Grundsätzlich wird das Konzept im Bereich der stationären medizinischen Akutversorgung und pflegerischen Betreuung nicht krankenversicherter Menschen angewandt, die keinen oder nur schlechten Zugang zur Regelversorgung in Krankenhäusern haben. Es gibt in Deutschland keine öffentlichen Angebote dieser Art auf Kommunal-, Landes- oder gar Bundesebene, da Krankenstuben niedrigschwellig außerhalb des öffentlichen Regelsystems arbeiten.[11] Entsprechende Projekte von sozialen Trägern werden aber meist seitens der öffentlichen Hand gefördert. Für Fehlbedarfe, den Eigenanteil im Budget jenseits von Förderung, sind Krankenstuben i. d. R. zusätzlich auf private Spenden angewiesen.[16]

Fachliche und wissenschaftliche Rezeption Bearbeiten

„In Städten wie zum Beispiel Hamburg und Hannover können Wohnungslose, die für den Verbleib auf der Straße zu krank sind, aber nicht im Krankenhaus behandelt werden können oder wollen, in sogenannten Krankenstuben intensive medizinische Betreuung und Pflege erhalten. Hier ist die sozialpädagogische Betreuung intensiver und die Behandlung flexibler. Die Evaluation einer solchen Einrichtung in Hannover zeigte positive Effekte auf die Gesundheit und die zukünftige Wohnsituation“

Deutsches Ärzteblatt (div. Autoren) 2017

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Julia Wagner: Gesundheitliche Lage, Systeme der gesundheitlichen Versorgung und Inanspruchnahmeverhalten von gesellschaftlichen Randgruppen am Beispiel von wohnungslosen Menschen in Wien, Dissertation Medizinische Universität Graz, November 2011, S. 62
  2. Gianfranco De Maio, Rafael Van den Bergh, Silvia Garelli, Barbara Maccagno, Freja Raddi: Reaching out to the forgotten: providing access to medical care for the homeless in Italy. In: International Health. Band 6, Nr. 2, Juni 2014, ISSN 1876-3405, S. 93–98, doi:10.1093/inthealth/ihu002, PMID 24505079, PMC 4049275 (freier Volltext).
  3. a b Sandra Voß: Einzige Pflegestation für Obdachlose – „Zu uns kommen Menschen mit eingewachsenen Socken“. In: deutschlandfunk.de. Deutschlandfunk, 6. Januar 2017, abgerufen am 9. März 2021.
  4. a b Medizinische Versorgung von wohnungslosen Menschen. In: Deutsches Ärzteblatt. 6. Oktober 2017, abgerufen am 9. März 2021.
  5. Deutsche militairärztliche Zeitschrift. Enst Siegfried Mittler und Sohn, 1892 (google.de [abgerufen am 9. März 2021]).
  6. Susanne Grindel, Winfried Speitkamp: Armenfürsorge in Hessen-Kassel: Dokumente zur Vorgeschichte der Sozialpolitik zwischen Aufklärung und Industrialisierung. Elwert, 1998, ISBN 978-3-7708-1100-7 (google.de [abgerufen am 9. März 2021]).
  7. Ernst Böhme: Dorf und Kloster Weende: von Anfängen bis ins 19. Jahrhundert. Wallstein Verlag, 1992, ISBN 978-3-9803062-0-1 (google.de [abgerufen am 9. März 2021]).
  8. Krankenstube: „Wir haben eine Lücke im System“. In: Hinz&Kunzt. 10. Mai 2019, abgerufen am 9. März 2021.
  9. Caritasverband für Hamburg e.V: Caritas Krankenstube für Obdachlose. 7. Mai 2020, abgerufen am 9. März 2021.
  10. Ein Ort der Menschlichkeit: Krankenstube für Obdachlose auf St. Pauli. 2013 (google.de [abgerufen am 9. März 2021]).
  11. a b Juliane Pöthkow: Entwicklung eines kombinierten Wohn- und Pflegeangebotes für hilfe- und pflegebedürftige wohnungslose Menschen in Hamburg. (PDF; 968 kB) Bachelor-Thesis, HAW Hamburg, 2013, S. 46
  12. Drucksache 19/863 S vom 30. Oktober 2018. (PDF) Bremische Bürgerschaft: Antrag der CDU-Fraktion
  13. Pflegeeinrichtung für wohnungslose Menschen. (PDF; 3,9 MB) Diakonie Hamburg, Konzept 2008, 24 S.
  14. Carolin Henkenberens: Obdachlose in Bremen müssen auf Krankenstube warten. In: weser-kurier.de. Weserkurier, Bremen, 10. November 2019, abgerufen am 9. März 2021.
  15. Pressestelle des Senats – Krankenstube für Wohnungslose. Abgerufen am 9. März 2021.
  16. Krankenstube: „Wir haben eine Lücke im System“. In: Hinz&Kunzt. 10. Mai 2019, abgerufen am 9. März 2021.