Kraftwerke Mittelbünden

Kraftwerksverbund im Kanton Graubünden

Die Kraftwerke Mittelbünden ist ein Kraftwerksverbund im Kanton Graubünden, der im Besitz des Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) ist. Er besteht aus sechs Kraftwerken und vier Stauseen. Der Kopfspeicher der Kraftwerksgruppe ist der Lai da Marmorera.

Kraftwerke Mittelbünden
Lai da Marmorera
Lai da Marmorera
Lai da Marmorera
Lage
Kraftwerke Mittelbünden (Kanton Graubünden)
Kraftwerke Mittelbünden (Kanton Graubünden)
Koordinaten 754833 / 174538
Land Schweiz Schweiz
Kanton Graubünden Graubünden
Gewässer Albula, Julia, Heidbach
Daten
Typ dreistufige Kraftwerksgruppe mit Speicher- und Laufkraftwerken
Primärenergie Wasser
Leistung (Turbinenleistung)
Gesamte Leistung:
226,4 MW

Zentralen:
Tinizong: 69,5 MW (S)
Tiefencastel West: 26 MW (L)
Tiefencastel Ost: 52 MW (S)
Solis: 0,2 MW D)
Solis: 7,3 MW (L)
Sils: 26 MW (L)
Rothenbrunnen: 44 MW (S)
Nandrò: 1,6 MW (K)
Adont: (geplant) (K)
Marmorera: (geplant) (D)
(S) Speicherkraftwerk
(L) Laufwasserkraftwerk
(K) Kleinkraftwerk
(D) Dotierkraftwerk

Projektbeginn 1906
Betriebsaufnahme 1909
Turbine Tinizong: 3 × Pelton-Turbinen
Tiefencastel West:
2 × Francis-Turbinen
Tiefencastel Ost:
2 × Francis-Turbinen
Solis: 1 × Pelton-Turbine
Sils: 2 × Francis-Turbinen
Rothenbrunnen: 1 × Francis-Turbine
Nandrò: 1 × Pelton-Turbine
Adont: 1 × Ossberger-Turbine
Marmorera:
Eingespeiste Energie 2018 734.7 GWh

Geschichte Bearbeiten

Das erste Kraftwerk der Gruppe war das Elektrizitätswerk Albula, das im Dezember 1909 in Betrieb ging und über eine 140 km lange 47 kV-Hochspannungsleitung die Stadt Zürich mit Energie versorgte. Für den Betrieb des Kraftwerks wurde das Wasser der Albula mit der Wehranlage Nisellas bei Alvaschein gefasst und über einen 7,3 km langen Stollen zum Wasserschloss geführt, von wo es über eine 450 m lange Druckleitung in die Zentrale bei Sils im Domleschg gelangte. Die installierte Leistung betrug damals bescheidene 18 MW.[1] Die Baukosten beliefen sich auf beinahe 13 Mio. SFr.[2]

In den Jahren 1917 bis 1920 wurde das Heidseewerk gebaut, das mit dem Wasser aus dem Heidsee betrieben wird und als Ergänzung des Albulawerks bei Wasserknappheit im Winter dienen sollte. Das Maschinenhaus befindet sich unterhalb des Bahnhofs Solis.[3]

1949 ging das zu den Juliawerken gehörende Maschinenhaus Tiefencastel West in Betrieb, das Wasser aus dem Lai da Burvagn verarbeitet. 1954 folgte die Zentrale Tinizong, welche mit dem Wasser aus dem 62 Mio. m³ fassenden Lai da Marmorera, dem Hauptspeicher der Juliawerke betrieben wird. Das Unterwasser von Tinizong wird seit 1970 durch die Zentrale Tiefencastel Ost im Tandembetrieb weiter verarbeitet.

Im Jahre 1976 kam ein Maschinenhaus in Rothenbrunnen hinzu, die wie die Zentrale Sils Wasser aus der Wehranlage Nisellas verarbeitet. Der Bau von Rothenbrunnen wurde nötig, weil Sils zu wenig Schluckvermögen hatte um das Wasser aller oberhalb der Wehranlage Nisellas liegenden Werke zu verarbeiten.[4]

1983 wurde die Wehranlage Nisellas abgebrochen und durch den 1986 in Betrieb genommenen Stausee Solis ersetzt. Die starke Verlandung dieses 1,5 Mio. m³ fassenden Stausees machte den Bau eines Umleitstollens für Geschiebe notwendig.

Das Kleinwasserkraftwerk Nandrò mit einer Leistung von 1,6 MW nutzt ab 2012 das Gefälle zwischen der Wasserfassung des Ava da Nandro bis zum Einlauf in den Freispiegelstollen zum Wasserschloss der Zentrale Tinizong.[5]

Beim Staudamm des Lai da Marmorera ist ein Dotierkraftwerk mit einer Ossberger-Turbine geplant, die das in die Julia abzugebende Restwasser verarbeitet. Der Auftrag zur Lieferung der Anlage wurde im Januar 2020 vergeben,[6] Baubeginn des 1,4 Mio. Projektes ist im gleichen Jahr. Weiter das Kleinwasserkraftwerk Adont gebaut, welches das Wasser des Bergbaches Adont bei Riom-Parsonz nutzt. Das Wasser wird auf 1740 m.ü.M gefasst und einer Zentrale beim Lai da Burvagn zugeführt.[7]

In Sils befindet sich die Leitstelle aller Kraftwerke des EWZ. Das sind neben den Kraftwerken Mittelbünden auch die Bergeller Kraftwerke, das Kraftwerk Wägital und die Laufwasserkraftwerke an der Limmat.[8] Weiter befindet sich am selben Ort auch das Unterwerk Sils Albula, mit dem die Kraftwerke Mittelbünden mit den Übertragungsleitungen von Swissgrid und dem Versorgungsnetz in Graubünden verbunden ist. Das EWZ betreibt ein eigenes Versorgungsnetz in Graubünden, das etwa ein Drittel des Strombedarfs des Kantons deckt.[9]

Anlagenschema und Lagekarte Bearbeiten

Kraftwerke Mittelbünden
 
 
Alp Flix (5 Fassungen) 1707–2012 m ü. M.
 
Lai da Marmorera
1680 m ü. M.
   
Marmorera (Dotierkraftwerk, geplant)
     
Fassung Ava da Faller 1,695 m above the sea
   
Fassung Ava da Nandrò 1,796 m above the sea
   
Nandrò 1,719 m above the sea
     
Wasserschloss
   
Tinizong
1200 m ü. M.
 
 
 
 
 
Lai da Burvagn
1116 m ü. M.
       
Fassung Balandegnbach 1133 m ü. M.
     
Fassung Ava da Mulegn 1120 m ü. M.
 
 
   
   
Tiefencastel Ost und West
827 m ü. M.
     
Stausee Solis
824 m ü. M.
   
Dotierturbine Solis
     
Heidsee
1484 m ü. M.
   
     
Solis
824 m ü. M.
   
   
   
   
Sils (EWZ)
672 m ü. M.
   
 
 
 
 
     
Rothenbrunnen (EWZ)
616 m ü. M.
 

 

Bilder der Anlagenteile Bearbeiten

Alte Anlagenschemata Bearbeiten

Zustand der Anlagen nach Inbetriebnahme des Maschinenhauses Tinizong im Jahr 1954, aber vor Inbetriebnahme von Tiefencastel Ost im Jahr 1970.

Literatur Bearbeiten

  • W. Kummer: Das projektierte Heidsee-Werk, eine Ergänzungs-Anlage zum Albula-Kraftwerk der Stadt Zürich. In: Schweizerische Bauzeitung. Band 69, Heft 17, 28. April 1917, S. 192–193, doi:10.5169/seals-33868.
  • Das Kraftwerkprojekt Marmorera-Tinzen: Auszug aus der Weisung des Zürcher Stadtrates an den Gemeinderat. In: Schweizerische Bauzeitung. Jg. 67, Heft 40, 1. Oktober 1949, S. 565–570, doi:10.5169/seals-84141.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Kraftwerke Mittelbünden – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Abteilung für Wasserwirtschaft (Hrsg.): Die Wasserkräfte der Schweiz. Band 4. Bern 1916, Elektrizitätswerk Albula, S. 246–247.
  2. S. Zurlinden: Hundert Jahre: Bilder aus der Geschichte der Stadt Zürich in der Zeit von 1814 bis 1914. Band 2. Berichthaus, Zürich 1915, Das Stadtbild 1914, S. 388 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Eidgenössisches Amt für Wasserwirtschaft (Hrsg.): Statistik der Wasserkraftanlagen der Schweiz. Band 4. Bern 1928, Heidsee, S. 262–263.
  4. Herbert Calvis: Die wasser- und energiewirtschaftliche Bedeutung des Rheins von seinen Quellen bis zum Eintritt ins Rheinische Schiefergebirge. Hrsg.: Herbert Calvis. 1981, S. 84 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. Stadtrat von Zürich: Kraftwerke Mittelbünden, Bewilligung eines Objektkredits von Fr. 13 350 000.– für den Bau des Kleinkraftwerks Nandrò. Zürich 20. August 2008 (gemeinderat-zuerich.ch [PDF]).
  6. Projekt-ID 189579: Dotierkraftwerke Marmorera und Löbbia. In: simap.ch. Abgerufen am 28. April 2020.
  7. ewz: Projekt Kleinwasserkraftwerk Adont. In: ee-news.ch. ewz, 23. Januar 2012;.
  8. EWZ Kraftwerke Mittelbünden. Kanton Graubünden, Amt für Energie und Verkehr, abgerufen am 28. April 2020.
  9. Luca Poroli: EWZ: Unterwerk Sils Albula sichert langfristig Stromversorgung. In: Insidenews. 7. August 2017, abgerufen am 28. April 2020 (deutsch).