Konventikel

Private religiöse Zusammenkunft

Das Konventikel (lat. conventiculum, Diminutiv von conventus ‚Zusammenkunft‘) bezeichnet allgemein eine im Wesentlichen private religiöse Zusammenkunft in einem Wohnhaus außerhalb eines Gotteshauses.

Geschichte Bearbeiten

Mittelalter Bearbeiten

Im Mittelalter war der Ausdruck eine abwertende Bezeichnung für Ketzer bzw. religiöse Sondergruppen außerhalb der verfassten Kirche. Bereits 1199 verwendete Papst Innozenz III. die Bezeichnung occulta conventicula (finstere Versammlungen) für Vereinigungen in Metz, die sich kirchlicher Kontrolle entzogen. Ebenso verdammte das Konzil von Vienne 1311 die Begarden als conventicula.[1]

Pietismus Bearbeiten

In der frühen Neuzeit bezeichnete man mit Konventikel – ebenfalls abwertend – häusliche, zu Zwecken der Erbauung und der Andacht veranstaltete Zusammenkünfte von Personen des Pietismus, die nicht zu einer Familie gehören und gegenüber der Kirche mehr oder weniger bewusste Separationsziele verfolgen.

Die Geschichte der Konventikel geht zurück auf die von Philipp Jakob Spener entfalteten Gedanken der collegia pietatis (der Zusammenkunft zu gemeinsamer Andacht) über gemeinschaftliche Stunden des Gebets, der Andacht und der erbaulichen Bibelbetrachtung. Die ersten bekannten Konventikel veranstaltete seit 1661 der reformierte Theologe Theodor Undereyck, der 1668 als außerordentlicher Hofprediger in Kassel und ab 1670 Pastor primarius in Bremen den Pietismus beförderte. Während Undereyck vor allem am Hofe seine Reformen begann, sammelte Spener in Frankfurt 1669 in seinen Collegia die societas animarum piarum (Vereinigung frommer Seelen) nach dem Gottesdienst und ab 1670 in seinem Pfarrhaus eine für alle Stände offene Gemeinschaft, bei der seit 1675 eine nichtakademische Teilnehmerschaft allmählich überwog. Diese Formen der Konventikel, oft von Handwerksmeistern, alten Soldaten oder anderen inspirierten Männern mittlerer und unterer Schichten geleitet, verbreiteten sich rasch in ganz Deutschland und darüber hinaus, beispielsweise in Skandinavien.

Die Konventikel gerieten besonders nach Speners Tod in den Verdacht der Heterodoxie, so dass bis weit ins 19. Jahrhundert hinein (1790, Leipzig, 1726 Schweden) amtliche Konventikelverbote erlassen wurden und Maßregelungen pietistischer Theologen (Christian Thomasius, Leipzig, Johann Heinrich Horb, Hamburg) erfolgten. In England wurde 1664 der Conventicle Act erlassen. Lediglich in Süddeutschland erfolgte – abgesehen von wenigen Fürstenhäusern – eine teilweise Etablierung des Konventikelwesens in Augsburg, Esslingen, Nürnberg, Rothenburg ob der Tauber oder Windsheim.

Die Begriffe Konventikel oder Konventikel-Wesen sind heutzutage außer Gebrauch. Die Sache selber wird etwa in der neo-pietistisch und evangelikal geprägten Bewegung durch den Begriff Hauskreis aufgefangen. Aufgrund der Kleinheit vieler pietistisch-evangelikal geprägten Vereinskirchen liegt jedoch oft eine Art Mischung zwischen Kirchgemeinde und Konventikel oder eben Hauskreis vor. Der Vorteil liegt in pragmatischen Überlegungen wie dem Einsparen von Kosten sowie in der emotionalen Nähe unter den Gläubigen der gleichen Gemeinde. In der Außenwahrnehmung mag diese Mischung zwischen Kirchgemeinde und Konventikel hier und da als etwas speziell oder gar sonderbar empfunden werden, da der Glaube, der – je nach kultureller Vorprägung des Außenstehenden – als etwas Besonderes und Heiliges empfunden wird, hier mit der Gewöhnlichkeit einer Quartier-Kirche interagiert und bei sensiblen Besuchenden oder Menschen mit grundsätzlichem oder langjährigem Entfremdungshintergrund gegenüber der Kirche hier zu Fragen führen kann oder Plausibilitätslücken hinterlassen mag.

Literatur Bearbeiten

  • Joachim Zeiger: Bibelstunde. In: Gemeindelexikon. Hrsg. Helmut Burkhardt u. a. Wuppertal 1986. S. 79 f, ISBN 3-417-24082-4.
  • Reinhard Breymayer: Die Erbauungsstunde als Forum pietistischer Rhetorik. In: Rhetorik. Beiträge zu ihrer Geschichte in Deutschland vom 16.–20. Jahrhundert. Hrsg. von Helmut Schanze. Athenaion, Frankfurt am Main 1974 (= Schwerpunkte Germanistik), S. 87–104, bzw. Athenäum Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt am Main 1974 (= Fischer Athenäum Taschenbücher. Band 2095), S. 87–104.
  • Burkhard Müller: Die „Stund“ im alten Schulhaus. In: Klaus Möllering (Hrsg.): Wo mein Glaube zu Hause ist. Heimatkunde für Himmelssucher. Leipzig 2006, S. 231–240.

Siehe auch Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Theologische Realenzyklopädie, Bd. 5, S. 409, de Gruyter, 1977, ISBN 3-11-007739-6