Kodscho

Jesidisches Dorf im Nordirak
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Kodscho oder Kocho (arabisch كوجو Kaudschu, DMG Kauǧū, kurmandschi Koço) ist ein jesidisches Dorf in den umstrittenen Gebieten des Nordiraks. Es liegt im Distrikt Sindschar, südlich des Dschabal Sindschar und etwa 20 bis 25 km südwestlich der gleichnamigen Hauptstadt (Sindschar) des Distriktes im Gouvernement Ninawa.[2][3] Internationale Bekanntheit erlangte das Dorf 2014 durch den Völkermord des Islamischen Staates an den Jesiden.[4]

Kodscho
Lage
Kodscho (Irak)
Kodscho (Irak)
Kodscho
Koordinaten 36° 11′ N, 41° 55′ OKoordinaten: 36° 11′ N, 41° 55′ O
Staat Irak Irak
Gouvernement Ninawa
Distrikt Sindschar
Basisdaten
Einwohner 2.000 (vor dem IS-Massaker[1])
Bürgermeister Ahmed Jassim

Geschichte Bearbeiten

Kodscho gehört wie die gesamte Region Sindschar zu den umstrittenen Gebieten im Nordirak. Laut Artikel 140 der irakischen Verfassung sollte eine Volksabstimmung über den Status des Dorfes und das Schicksal der Einwohner entscheiden. Seit 2003 war das Dorf von kurdischen Peschmerga Truppen besetzt, diese flüchteten am 2. August 2014 aus dem Dorf. Am Tag darauf übernahm der Islamische Staat die totale Kontrolle über das Dorf. Am 25. Mai 2017 befreiten irakische Streitkräfte zusammen mit jesidischen Milizen das Dorf vom IS.[1][5][2]

Bevölkerung Bearbeiten

In Kodscho lebten ausschließlich Jesiden, diese waren überwiegend Bauern und Schafzüchter, wenn auch nicht alle.[1] Mitte der Fünfzigerjahre besiedelten die ersten jesidischen Familien diese Gegend, zuvor wurde es von sunnitischen Arabern bewohnt. Die Jesiden haben jedoch einen Anwalt engagiert und das Land gekauft sowie später ein Dorf gegründet, dies vom Vater des Bürgermeisters Ahmed Jassim.[6]

Massaker an Jesiden aus Kodscho Bearbeiten

Am 3. August 2014 verübte der Islamische Staat einen Völkermord an den dort lebenden Jesiden. Das Massaker konnte sich nur ereignen, da die kurdischen Peschmerga vor dem IS geflüchtet waren und die Jesiden schutzlos allein gelassen hatten. Der Islamische Staat sperrte die Jesiden 12 Tage im Dorf ein und stellte ihnen ein Ultimatum von drei Tagen, zum Islam zu konvertieren. Ansonsten würde er sie alle umbringen. Da die Jesiden sich weigerten, kam es zum Massaker am 15. August 2014. Der IS trennte die Männer von den Frauen und Kindern und brachte sie in die Sekundarschule des Dorfes, wo sie Handys und Schmuck abgeben mussten. Im Dorf Kodscho lebten schätzungsweise 1826 Jesiden. Der Islamische Staat enthauptete ca. 600 jesidische Männer, einige wurden auch erschossen oder bei lebendigem Leib verbrannt. Die Leichen sowie einige Menschen, die noch am Leben waren, wurden in Massengräber geworfen. Anschließend verschleppte der IS über 1000 jesidische Kinder und Frauen aus dem Dorf. Die Jungen unter 14 Jahren wurden in Militärcamps des IS gebracht, wo sie zu IS-Terroristen ausgebildet werden, die jesidischen Frauen und Mädchen wurden als Sklavinnen gehalten und sexuell missbraucht.[1][3][7][8][9][10][11][12] Zuvor waren 90 Jesiden (darunter zwölfjährige Jungen) am 3. August 2014 im Nachbardorf Qiniyeh von IS-Terroristen erschossen worden.[13][14][15]

In Kodscho wurden bisher sechs Massengräber gefunden. Das ist ein Viertel der Massengräber in Sindschar, die bekannt sind. (Stand Juni 2016).[16] Am 15. März 2019 begann die Exhumierung der Massengräber durch UN-Ermittler.[17]

Persönlichkeiten Bearbeiten

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c d Jan Ilhan Kizilhan: Die Psychologie des IS: Die Logik der Massenmörder. Europa Verlag GmbH & Company KG, 2016, ISBN 978-3-95890-115-5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 20. Januar 2018]).
  2. a b Jesiden im Irak: Bittere Befreiung vom IS. Abgerufen am 20. Januar 2018 (deutsch).
  3. a b Evelyn Finger: "Islamischer Staat": Nachbarn und Mörder. In: Die Zeit. 8. August 2017, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 21. Januar 2018]).
  4. Elke Dangeleit: Irak: Shengal als geopolitisches Schachbrett. Abgerufen am 19. Januar 2018 (deutsch).
  5. Iraq's Disputed Territories. (PDF) United States Institute of Peace, abgerufen am 20. Januar 2018 (englisch).
  6. Nadia Murad: Ich bin eure Stimme: Das Mädchen, das dem Islamischen Staat entkam und gegen Gewalt und Versklavung kämpft. Knaur E-Book, 2017, ISBN 978-3-426-45012-3 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 21. Januar 2018]).
  7. Erschütternde Beweise für ethnische Säuberungen im Nordirak durch IS | Amnesty International. Abgerufen am 19. Januar 2018.
  8. Elke Dangeleit: Nordirak: Jesiden befürchten erneut Vertreibungen. Abgerufen am 19. Januar 2018 (deutsch).
  9. Testimonies from Kocho: The village ISIS tried to wipe off the map. In: Amnesty International. Abgerufen am 21. Januar 2018 (englisch).
  10. Augsburger Allgemeine: Nadia Murad: Von der Sex-Sklavin zur UN-Botschafterin. In: Augsburger Allgemeine. (augsburger-allgemeine.de [abgerufen am 21. Januar 2018]).
  11. ISIS Crimes Against the Yazidis. (PDF) In: UNHCHR (Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte). 15. Juni 2016, abgerufen am 21. Januar 2018 (englisch).
  12. ETHNIC CLEANSING ON A HISTORIC SCALE: ISLAMIC STATE’S SYSTEMATIC TARGETING OF MINORITIES IN NORTHERN IRAQ. (PDF) In: Amnesty International. September 2014, abgerufen am 21. Januar 2018 (englisch).
  13. Südwest Presse Online-Dienste GmbH: London: Amnesty: Massenmord durch IS im Irak - Debatte um Waffen. In: swp.de. 3. September 2014 (swp.de [abgerufen am 21. Januar 2018]).
  14. DIE WELT: Nordirak: Amnesty wirft IS-Milizen massive Gräueltaten vor. In: DIE WELT. 2. September 2014 (welt.de [abgerufen am 21. Januar 2018]).
  15. Frankfurter Rundschau: Irak Völkermord mit System. Abgerufen am 21. Januar 2018.
  16. Thomas Schmidinger: Nordirak: Die Vergessenen von Sindschar. In: Die Zeit. 13. Juni 2016, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 25. Januar 2018]).
  17. Nordirak: Massengrab von IS-Opfern erstmals geöffnet. Abgerufen am 16. März 2019.
  18. Nach der Befreiung von ISIS findet sie nur ein leeres Haus vor - Dramatische Rückkehr einer Jesidin nach Hause. In: bild.de. (bild.de [abgerufen am 19. Januar 2018]).
  19. Südwest Presse Online-Dienste GmbH: Gewalt: 19-jährige Jesidin Lamija Baschar: Meine Waffe ist das Wort. In: swp.de. 21. Februar 2017 (swp.de [abgerufen am 20. Januar 2018]).