In der Botanik wird die Bezeichnung Kallus (auch Callus, Mehrzahl Calli bzw. Kalli; von lat. callus „verhärtete, dicke Haut, Schwiele“)[1] für unterschiedliche Begriffe verwendet.

Kallus als Wundgewebe Bearbeiten

Als Kallus werden die undifferenzierten, parenchymatischen Zellkomplexe mit ungerichtetem Wachstum bezeichnet, die nach einer Stressreaktion der Pflanze, beispielsweise einer Verwundung, entstehen können. Das unverholzte Kallusgewebe lignifiziert und kann eine Wunde verschließen. Bei Holzgewächsen entsteht der Kallus aus dem Kambium, bei krautigen Pflanzen aus dem Parenchym durch hypertrophes Wachstum der unverletzten Randzellen und anschließende intensive Zellteilung.[2]

Kallus als Gewebekultur Bearbeiten

 
Nicotiana tabacum-Kalli

Als Kallus wird in der Botanik ein Komplex undifferenzierter, totipotenter Zellen bezeichnet, welcher sich aus einem Gewebestück oder einer Zelle, die vorher einer lebenden Pflanze entnommen wurde, entwickelt. Dieses Gewebestück wird in einen künstlich geschaffenen Nährboden gelegt, der Mineralsalze und organische Verbindungen wie zum Beispiel Zucker und pflanzliche Hormone enthält, die das Kalluswachstum erst ermöglichen. Diese Hormone kommen in der Natur in Kokoswasser vor, sind in der Naturform jedoch nicht so effizient wie mit synthetisierten Hormonen. Da die Zellen eines Kallus durch Mitose entstehen, sollten sie sich genetisch nicht unterscheiden. Jedoch kommt es häufig zur Ausbildung polyploider Zellen in Kalli. Sogar von Aneuploidie und Ringchromosomenbildung wurde schon berichtet. Kräuter scheinen eine höhere Anfälligkeit als Baumarten v. a. Koniferen für eine Änderung der Chromosomenanzahl durch Kalluszüchtung zu haben.

Der Kallus stößt vor allem in der Pflanzenforschung auf großes Interesse, da mit seiner Hilfe Pflanzengewebe ohne einen lebenden Wirt gezüchtet werden kann. Nach einigen Wochen ist es möglich, Teile des Kallusgewebes abzulösen und diese gesondert weiterzukultivieren, um weitere Gewebekulturen zu erhalten.

Durch Hinzufügen von Phytohormonen kann eine Differenzierung der Zellen und somit z. B. ein lebender Pflanzensprössling entstehen.[3][4]

Vor der Regeneration zu einer fertilen Pflanze können die Kalli als Transformationstarget benutzt werden. Hierbei kommen in erster Linie die biolistische Transformation[5][6] oder die Transformation mit Agrobakterien[7][8][9][10][11][12] zum Einsatz. Möglich ist auch eine Transformation mit Siliciumkarbid-Kristallnadeln.[13]

Kallus als Verdickung an Pflanzenorganen Bearbeiten

Des Weiteren werden auch Schwielen oder Verdickungen an Blättern, Blüten und anderen Pflanzenorganen, beispielsweise an der Lippe von Orchideen, als „Kallus“ bezeichnet.[14]

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Karl Ernst Georges: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch. 8., verbesserte und vermehrte Auflage, Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1913–1918. 1918, abgerufen am 5. September 2017 (Das Wort ist Maskulinum und gehorcht der o-Deklination, daher der Plural auf -i; gebräuchlicher ist jedoch die Variante callum (Neutrum)).
  2. Schütt, Schuck, Stimm: Lexikon der Baum- und Straucharten. Nikol, Hamburg 2002, ISBN 3-933203-53-8, S. 243.
  3. C. L. Armstrong, J. Romero-Severson, T. K. Hodges: Improved tissue culture response of an elite maize inbred through backcross breeding, and identification of chromosomal regions important for regeneration by RFLP analysis. In: Theoretical and Applied Genetics. Band 84, Nr. 5-6, August 1992, ISSN 0040-5752, S. 755–762, doi:10.1007/BF00224181.
  4. Green, C. E., Phillips, R. L.: Plant Regeneration from Tissue Cultures of Maize. In: Crop Science. Band 15, Nr. 3, 6. Januar 1975, S. 417–421, doi:10.2135/cropsci1975.0011183X001500030040x.
  5. Bronwyn R. Frame, Hongyi Zhang, Suzy M. Cocciolone, Lyudmila V. Sidorenko, Charles R. Dietrich, Sue Ellen Pegg, Shifu Zhen, Patrick S. Schnable, Kan Wang: Production of transgenic maize from bombarded type II callus: Effect of gold particle size and callus morphology on transformation efficiency. In: In Vitro Cellular & Developmental Biology – Plant. Band 36, Nr. 1, Januar 2000, ISSN 1054-5476, S. 21–29, doi:10.1007/s11627-000-0007-5.
  6. R. Brettschneider, D. Becker, H. Lörz: Efficient transformation of scutellar tissue of immature maize embryos. In: Theoretical and Applied Genetics. Band 94, Nr. 6-7, Juni 1997, ISSN 0040-5752, S. 737–748, doi:10.1007/s001220050473.
  7. B. R. Frame, H. Shou, R. K. Chikwamba, Z. Zhang, C. Xiang, T. M. Fonger, S. E. Pegg, B. Li, D. S. Nettleton, D. Pei, K. Wang: Agrobacterium tumefaciens-Mediated Transformation of Maize Embryos Using a Standard Binary Vector System. In: Plant Physiology. Band 129, Nr. 1, Mai 2002, ISSN 0032-0889, S. 13–22, PMC 1540222 (freier Volltext).
  8. Vladimir Sidorov, Larry Gilbertson, Prince Addae, David Duncan: Agrobacterium-mediated transformation of seedling-derived maize callus. In: Plant Cell Reports. Band 25, Nr. 4, April 2006, ISSN 0721-7714, S. 320–328, doi:10.1007/s00299-005-0058-5, PMID 16252091.
  9. Yukoh Hiei, Shozo Ohta, Toshihiko Komari, Takashi Kumashiro: Efficient transformation of rice (Oryza sativa L.) mediated by Agrobacterium and sequence analysis of the boundaries of the T-DNA. In: The Plant Journal. Band 6, Nr. 2, August 1994, ISSN 1365-313X, S. 271–282, doi:10.1046/j.1365-313X.1994.6020271.x.
  10. Yuji Ishida, Yukoh Hiei, Toshihiko Komari: Agrobacterium-mediated transformation of maize. In: Nature Protocols. Band 2, Nr. 7, Juli 2007, ISSN 1754-2189, S. 1614–1621, doi:10.1038/nprot.2007.241.
  11. Y. Ishida, H. Saito, S. Ohta, Y. Hiei, T. Komari, T. Kumashiro: High efficiency transformation of maize (Zea mays L.) mediated by Agrobacterium tumefaciens. In: Nature Biotechnology. Band 14, Nr. 6, Juni 1996, ISSN 1087-0156, S. 745–750, doi:10.1038/nbt0696-745, PMID 9630983.
  12. Sonia Tingay, David McElroy, Roger Kalla, Sarah Fieg, Mingbo Wang, Sarah Thornton, Richard Brettell: Agrobacterium tumefaciens-mediated barley transformation. In: The Plant Journal. Band 11, Nr. 6, Dezember 1997, ISSN 1365-313X, S. 1369–1376, doi:10.1046/j.1365-313X.1997.11061369.x (wiley.com [PDF]).
  13. Bronwyn R. Frame, Paul R. Drayton, Susan V. Bagnall, Carol J. Lewnau, W. Paul Bullock, H. Martin Wilson, James M. Dunwell, John A. Thompson, Kan Wang: Production of fertile transgenic maize plants by silicon carbide whisker-mediated transformation. In: The Plant Journal. Band 6, Nr. 6, Dezember 1994, ISSN 1365-313X, S. 941–948, doi:10.1046/j.1365-313X.1994.6060941.x.
  14. Gerhard Wagenitz: Wörterbuch der Botanik. Morphologie, Anatomie, Taxonomie, Evolution. 2., erweiterte Auflage. Nikol, Hamburg 2008, ISBN 978-3-937872-94-0.

Weblinks Bearbeiten