Kadison-Singer-Problem

Problem in der Theorie der Operatoralgebren

Das Kadison-Singer-Problem von Richard Kadison und Isadore Singer ist ein 1959 aufgestelltes Problem in der Theorie der Operatoralgebren. Es fragt danach, ob bestimmte Erweiterungen von linearen Funktionalen auf bestimmten Operatoralgebren (bestimmte C*-Algebren) eindeutig sind. Es wurde 2013 von Adam W. Marcus, Daniel Spielman und Nikhil Srivastava gelöst.

Hintergrund und Geschichte Bearbeiten

Das Problem hat seine Wurzeln in der Quantenmechanik, in der ein Quantenzustand zunächst für eine maximale Zahl miteinander kommutierender selbstadjungierter Operatoren (MASA, maximally abelian self adjoint algebra of operators) charakterisiert wird. Die Operatoren wirken dabei in der Quantenmechanik auf unendlichdimensionalen Vektorräumen von Funktionen (Hilbert-Räumen). Dazu wird eine Wahrscheinlichkeitsverteilung der zu den Operatoren der MASA gehörenden Observablen festgelegt (sogenannter reiner Zustand).[1] Die Wahrscheinlichkeitsverteilung ist ein lineares Funktional des MASA mit bestimmten Positivitätseigenschaften (wegen der Interpretation als Wahrscheinlichkeit). Danach wird der reine Zustand auf die anderen Observablen ausgedehnt, die den nicht-kommutierenden Operatoren entsprechen. Die Frage ist, ob das in eindeutiger Weise möglich ist, wie das Paul Dirac in seinem Buch The Principles of Quantum Mechanics vermutete.

Die Antwort hängt davon ab, welche Art von MASA betrachtet wird. Im allgemeinen Fall (diffuse MASA) zeigten Kadison und Singer, dass es reine Zustände gibt, die nicht eindeutig fortgesetzt werden können. Beschränkt man die MASA auf Projektionsoperatoren auf eindimensionale Unterräume (sogenannte atomare MASA) – bei Operatoren auf endlichdimensionalen Vektorräumen (Matrizen) wären das Diagonalmatrizen – ist die Frage nach der eindeutigen Fortsetzbarkeit reiner Zustände als Kadison-Singer-Problem bekannt.

Das Kadison-Singer-Problem hängt mit anderen offenen Problemen und mit Anwendungen[2][3] zusammen zum Beispiel aus Signaltheorie, linearer Algebra und Graphentheorie. Insbesondere wurde es 1979 von Joel Anderson als äquivalent zu einer Vermutung (paving conjecture) in endlichdimensionalen Vektorräumen gezeigt. In einer anderen endlichdimensionalen Formulierung wurde es dann von Marcus, Spielman und Srivastava 2013 in positivem Sinn gelöst.

Formulierung Bearbeiten

Betrachtet wird der Folgenraum   (ein separabler Hilbertraum) und die C*-Algebren   aller stetigen linearen Operatoren (beschränkte lineare Operatoren) auf   und   der diagonalen stetigen linearen Operatoren auf  .

Ein Zustand einer C*-Algebra   ist ein stetiges lineares Funktional  , so dass   (  steht für die multiplikative Identität der Algebra) und   für jedes  . Der Zustand heißt rein, falls er extremal ist (das heißt keine Linearkombination anderer Zustände). Nach dem Satz von Hahn-Banach kann ein Funktional auf   zu einem solchen auf   erweitert werden. Kadison und Singer vermuteten, dass die korrespondierende Erweiterung reiner Zustände eindeutig ist.

Endlich-dimensionale Formulierung von Anderson Bearbeiten

Joel Anderson[4] bewies die Äquivalenz zu einer Vermutung in endlichdimensionalen Vektorräumen, die er paving conjecture nannte:

Für jedes   existiert eine natürliche Zahl  , so dass gilt: Für jedes   und jeden linearen Operator (Matrix)   auf dem  -dimensionalen Hilbertraum  , dessen Diagonalelemente verschwinden, gibt es eine Aufteilung von   in   Mengen  , so dass

 

Dabei entspricht der Operator   der Projektion auf den Untervektorraum, der von den Standard-Einheitsvektoren entsprechend der Indexmenge   aufgespannt wird.   ist die Matrix, die aus der Matrix   entsteht, indem alle Elemente von Spalten und Reihen, die nicht Indizes aus   entsprechen, gleich Null gesetzt werden.   ist die Matrixnorm.

Bourgain-Tzafriri-Vermutung Bearbeiten

Außerdem ist das KS-Problem äquivalent zur Bourgain-Tzafriri-Vermutung.[5]

Endlich-dimensionale Formulierung von Weaver und Lösung 2013 Bearbeiten

Das Problem wurde 2013 von den Informatikern Adam Marcus, Daniel Spielman und Nikhil Srivastava in positivem Sinn gelöst (eine eindeutige Fortsetzung ist möglich).[6] Sie lösten das (nach Nik Weaver)[7] äquivalente Problem aus der linearen Algebra:

Gegeben seien   und Vektoren   ( ) mit   für jedes   und  . Dann gibt es eine Aufteilung   von   mit

 

für alle   und  .

Die Formulierung stammt aus der Diskrepanz-Theorie, denn die Ungleichung kann so interpretiert werden: Eine quadratische Form (gegeben durch die  ) kann auf der Einheitssphäre so in zwei Teile zerlegt werden kann, dass sie auf den beiden Teilen dem Wert   beliebig nahe kommen.

Für den Beweis benutzten Spielman, Marcus und Srivastava nur elementare lineare Algebra, Wahrscheinlichkeitstheorie und elementare Analysis und nutzten Zufalls-Polynome.

Der Satz hat in dieser Formulierung auch Anwendung auf die Zerlegung von Graphen (Marcus, Spielman, Srivastata bewiesen gleichzeitig die Existenz k-regulärer Ramanujan-Graphen für beliebiges k).

Literatur Bearbeiten

  • Kadison, Singer: Extensions of pure states, American Journal of Mathematics, Band 81, 1959, S. 383–400
  • Marcus, Spielman, Srivastava: Interlacing families II: Mixed characteristic polynomials and the Kadison-Singer Problem, Arxiv 2013
  • Alain Valette, The Kadison-Singer Problem, Snapshots of modern mathematics, Oberwolfach 2014

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Für die entsprechenden Begriffe in der Quantenmechanik siehe Reiner und gemischter Zustand
  2. P. G. Casazza, M. Fickus, J. C. Tremain, E. Weber: The Kadison–Singer problem in mathematics and engineering: a detailed account, Operator theory, operator algebras, and applications. Contemporary Mathematics. 414. Providence, RI: American Mathematical Society, 2006, S. 299–355, Arxiv
  3. P. G. Casazza, Consequences of the Marcus/Spielman/Stivastava solution to the Kadison-Singer Problem, Arxiv
  4. Joel Anderson Restrictions and representations of states on C*--algebras, Transactions of the American Mathematical Society, Band 249, 1979, S. 303–329
  5. Peter G. Casazza und Roman Vershynin: Kadison-Singer meets Bourgain-Tzafriri. 2005.
  6. Marcus, Spielman, Srivastava, Ramanujan Graphs and the Solution of the Kadison-Singer Problem (Arxiv), Proc. ICM 2014
  7. Weaver, The Kadison-Singer problem in discrepancy theory, Discrete Mathematics, Band 278, 2004, S. 227–239