Lagerhaus G

Lagerhaus in Hamburg, war zeitweise Konzentrationslager
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Das Lagerhaus G ist ein 1903 errichteter Bodenspeicher am Dessauer Ufer (heute: Dessauer Straße) im Hamburger Stadtteil Kleiner Grasbrook.

Lagerhaus G
Lagerhaus G
Saalehafen und Lagerhaus G
Neue Gedenktafel am Lagerhaus G
Am 18. Jan. 2020 wurden am ehemaligen KZ-Außenlager in der Dessauer Straße von der Lagerhaus G Heritage Foundation zwei neue Gedenktafeln hinzugefügt.

Geschichte Bearbeiten

Das Gebäude liegt am Binnenschiffhafen Saalehafen im östlichen Teil des Hamburger Hafens innerhalb des bis 2012 bestehenden Freihafens. Das Lagerhaus verfügt über drei Böden und ist durch Brandmauern in acht Sektionen untergliedert. Zu jeder Sektion gehört land- und wasserseitig je ein Außenaufzug mit Windhäuschen.

Das seit 1988 unter Denkmalschutz stehende Lagerhaus G ist ein Gebäudetyp, der in Hamburg kaum noch vorhanden ist. Es dokumentiert die historische Form der Lagerhaltung außerhalb der Speicherstadt mit ihrer für die damalige Zeit typischen Backsteinarchitektur. Seit 1997 werden in dem Gebäude wieder Waren umgeschlagen. Als früheres Freihafenlager wird es unter anderem zum Umschlag von Sammelgut genutzt. Im Jahr 2013 forderte das Denkmalschutzamt ein Gutachten über den baulichen Zustand des Gebäudes an, das nach drei Jahren vorlag. Das Amt forderte Nachbesserungen, jedoch ging die Eigentümergesellschaft in die Insolvenz.[1] Mittlerweile befindet sich das Gebäude im Besitz einer privaten Eigentümergesellschaft, die das Gebäude wieder gewerblich nutzen möchte und zudem angekündigt hat einen Gedenkort an die Nutzung als KZ-Außenlager einzurichten.[2] 2018 wurde berichtet, dass das Gebäude in einem sehr schlechten Zustand ist und aufgrund mangelhafter Statik zur Wasserseite hin absacken soll.[3][4]

KZ-Außenlager Dessauer Ufer Bearbeiten

 
Gedenktafel KZ-Außenlager Dessauer Ufer

Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Gebäude als Außenlager Dessauer Ufer des KZ Neuengamme zur Unterbringung von Zwangsarbeitern genutzt.[5]

Vom 20. Juni bis 30. September 1944 waren bis zu 1500 jüdische Frauen aus Ungarn und Tschechien im Lagerhaus untergebracht, die in Raffinerien und zerstörten Gebäuden anderer Betriebe im Hafen Aufräumarbeiten verrichten mussten. Im Oktober 1944 kamen 2000 männliche Häftlinge in das Außenlager. Die Häftlinge wurden mehrheitlich bei Mineralölunternehmen in der Nähe des Hafens für Aufräumarbeiten eingesetzt. So wurde ein Kommando mit etwa 100 Häftlingen bei Mineralöl-Werke Ernst Jung, eines mit 120 Mann bei Oelwerke Julius Schindler und ein weiteres mit 80 Häftlingen bei Rhenania-Ossag eingesetzt. Ferner wurden Kommandos in der Bill-Brauerei, bei den Wasserwerken sowie im Gleisbau bei der Reichsbahn eingesetzt. Ein Kommando musste Panzergräben in der Hamburger Umgebung bauen.[6]

Während sich der Großteil der Häftlinge im Arbeitseinsatz befand, wurde der Speicher bei einem alliierten Bombenangriff am 25. Oktober 1944, bei dem zahlreiche der etwa 200 kranken Häftlinge getötet wurden, schwer beschädigt. Etwa 1500 der überlebenden Häftlinge wurden daraufhin in das neu errichtete KZ-Außenlager Fuhlsbüttel verlegt. Das Gebäude wurde repariert und nahm wiederum etwa 1500 Häftlinge des am 15. Februar 1945 aufgelösten Außenlagers Fuhlsbüttel auf. Das Außenlager Dessauer Straße wurde schlussendlich am 14. April 1945 geräumt und die Häftlinge verlegt. Zunächst wurden sie auf die Hamburger Außenlager Hammerbrook (Spaldingstraße) und Rothenburgsort (Bullenhuser Damm) aufgeteilt, mussten dann zum Auffanglager Stammlager X B nach Sandbostel (60 km westlich von Hamburg) marschieren, wo sie am 29. April 1945 von britischen Truppen befreit wurden.[6]

Gedenken Bearbeiten

Eine Gedenktafel erinnert an diesen Teil der Geschichte des Gebäudes. An die Zwangsarbeiterin Margarethe Müller (1899–1944) erinnert an ihrer ehemaligen Einsatzstelle am Dessauer Ufer ein Stolperstein.[7][8] Für die Frauen des Außenlagers Dessauer Ufer wurde 1995 ein Wandgemälde der Künstlerinnen Cecilia Herrero und Hildegund Schuster im Rahmen der FrauenFreiluftGalerie (Neumühlen 16–20) realisiert.[9] Seit 2017 erinnert die Initiative Dessauer Ufer an die Geschichte des Außenlagers Dessauer Ufer.[2] Die Initiative setzt sich zudem für die Schaffung einer Gedenkstätte für Zwangsarbeit im Hafen ein.[10] Auch die Stadt Hamburg, die in dem Gebiet den neuen Stadtteil Grasbrook plant, strebt die Entstehung einer Gedenkstätte vor Ort an.[10] Die niederländische Eigentümergesellschaft kündigte ebenfalls die Vorlage eines Erinnerungskonzeptes an.[2] 2020 wurden zudem von der Lagerhaus G Heritage Foundation, einer der Eigentümergesellschaft nahestehenden Stiftung, zwei neue Gedenktafeln hinzugefügt.[11]

Weblinks Bearbeiten

Commons: Dessauer Ufer subcamp – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Eva Eusterhus: Ein Stück Geschichte, das bröckelt. In: WELT. 6. August 2018, abgerufen am 5. September 2018.
  2. a b c Petra Schellen: Debatte über einstiges NS-Häftlingslager: Neue Chance für würdiges Gedenken. In: Die Tageszeitung: taz. 5. Mai 2021 (taz.de [abgerufen am 28. Januar 2022]).
  3. Erhaltungszustand 2018, Bericht auf welt.de vom 6. August 2018, abgerufen am 7. August 2018
  4. Tobias Piekatz und Friederike Ulrich: Historisches Lagerhaus im Hafen droht zu verfallen. In: Hamburger Abendblatt. 8. August 2016, abgerufen am 5. September 2018.
  5. Gedenkstätten in Hamburg hamburg.de, S. 69 (PDF; 1,1 MB).
  6. a b Marc Buggeln: Hamburg-Dessauer Ufer (Männer). In: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 5: Hinzert, Auschwitz, Neuengamme. C.H. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-52965-8, S. 396–399.
  7. Conceição Feist: Ein Stolperstein im Hafen. (Memento vom 3. September 2017 im Internet Archive) In: HafenCity Zeitung, 1. Juni 2013, S. 21, abgerufen am 3. September 2017.
  8. Margarethe Müller (geborene Meissl) * 1899. In: Stolpersteine Hamburg, abgerufen am 3. September 2017.
  9. Wandbild für die Frauen des Außenlagers Dessauer Ufer. Neumühlen 16–20 (Ottensen). (Memento vom 2. Mai 2017 im Internet Archive) In: Gedenkstätten in Hamburg, abgerufen am 3. September 2017.
  10. a b Knut Henkel Hamburg: Lücken in der Erinnerungskultur (nd-aktuell.de). Abgerufen am 28. Januar 2022.
  11. Eva Eusterhus: Folgenschwere Erinnerungslücke. In: Die Tageszeitung: Welt. 10. Juni 2021 (welt.de [abgerufen am 19. Januar 2023]).

Koordinaten: 53° 31′ 30″ N, 10° 0′ 38″ O