KONSENS (Software)

Projekt zur Vereinheitlichung der Verwaltungssoftware der deutschen Finanzämter

KONSENS (Apronym für „Koordinierte neue Software-Entwicklung der Steuerverwaltung“) ist ein Vorhaben der Steuerverwaltungen der Länder und des Bundes in Deutschland.

Historie Bearbeiten

Nach dem föderalen Finanzwesen in der Bundesrepublik Deutschland werden die Steuern teils von Bundesfinanzbehörden, teils von Landesfinanzbehörden verwaltet. Verwalten die Landesfinanzbehörden Steuern, die gem. Art. 106 GG ganz oder zum Teil dem Bund zufließen, so werden sie im Auftrage des Bundes tätig (Art. 108 Abs. 1 – Abs. 3 GG).

Dies hat in der Vergangenheit zu einer vielfältigen und heterogenen IT-Landschaft in den Steuerverwaltungen der Länder geführt, die mit dem Vorhaben KONSENS harmonisiert wird. Das zum 1. Januar 2007 in Kraft getretene Verwaltungsabkommen KONSENS, welches zwischen den Ländern und dem Bund geschlossen wurde, bildete die Grundlage für die Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen der Länder und des Bundes.

Seit dem 18. August 2017 regelt das KONSENS-Gesetz[1] die Zusammenarbeit der Länder und des Bundes. Es trat als Art. 8a des Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften zeitgleich mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) in Kraft.[2][3]

Im „Gesamtvorhaben KONSENS“ wirken Bund und Länder nach dem im Juli 2017 ergänzten Art. 108 Abs. 4a GG beim einheitlichen Einsatz von IT-Verfahren und Software sowie ihrer einheitlichen Entwicklung zusammen, um die von den Ländern im Auftrag des Bundes verwalteten Steuern gleichmäßig zu vollziehen (§ 1, § 2 Nr. 1 Konsens-G).

Ziele Bearbeiten

Die Nutzung einer einheitlichen Informationstechnik hat durch die Volldigitalisierung der Steuerverwaltung Effizienzgewinne für Bürger, Unternehmer, Steuerberater, die Verwaltung und deren Beschäftigte gebracht. Der Prozess wird durch eine weitere Vereinheitlichung und durch die Modernisierung der Steuer-IT, wie z. B. den weiteren Ausbau der elektronischen Kommunikation mit dem Steuerbürger und die Verbesserung der IT-Leistungen zur Unterstützung der Arbeitsabläufe in der Steuerverwaltung weiter vorangetrieben.

Organisation Bearbeiten

Strategische Steuerung Bearbeiten

Auftraggeber im Vorhaben KONSENS sind die 16 Länder und der Bund gemeinsam. Sie beauftragen die weitere Entwicklung des Vorhabens und genehmigen jährlich die Planung sowie das Budget. Die Auftraggeber werden durch die Entscheider über Automationsfragen der Ministerien der Länder und des Bundes repräsentiert.

Vertreter der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sowie des Bundes bilden gemeinschaftlich als Auftragnehmer das für die Planung und Durchführung der Softwareerstellung verantwortliche Gremium, die Steuerungsgruppe Informationstechnik (Steuerungsgruppe IT). Die strategischen Festlegungen der Steuerungsgruppe IT sind für alle Länder bindend. Unter Federführung eines der fünf Länder werden die steuerlichen Fachanwendungen für alle Länder entwickelt („Einer für Alle“).

Operative Struktur Bearbeiten

Unterhalb der strategischen Steuerung durch die Steuerungsgruppe IT entschieden bis einschließlich 31. Dezember 2018 die „Entwicklungsleitung IT“ und „Produktionsleitung IT“ über Angelegenheiten der Softwareentwicklung und des Betriebs der in KONSENS bereitgestellten Lösungen. Diese Gremien setzten sich ebenfalls aus Repräsentanten der in der Steuerungsgruppe IT vertretenen Länder und des Bundes zusammen. Ab dem 1. Januar 2019 wurden die Organisationsstrukturen durch das KONSENS-Gesetz[4] neu vorgegeben. Die „Entwicklungsleitung IT“ und die „Produktionsleitung IT“ wurden als Gremien außer Kraft gesetzt. Die Aufgaben der „Entwicklungsleitung IT“ werden durch die Gesamtleitung KONSENS wahrgenommen. Die Gesamtleitung besteht aus dem Vorsitzenden (Vertreter des Bundes) und zwei Stellvertretern, die nach einer Verständigung der Steuerungsgruppe IT aus den Ländern Bayern und Nordrhein-Westfalen entsandt werden. Die Angelegenheiten des Betriebes gehen auf die zentralen Organisationseinheiten Betriebsmanagement und Release- und Einsatzmanagement über.

Zentrale Organisationseinheiten sind unterhalb der Gesamtleitung im Vorhaben KONSENS angesiedelt und unterstützen die Gesamtleitung bei der Erfüllung der übertragenen Aufgaben. So ist zum Beispiel die Organisationseinheit, die zur Festlegung der IT-Architektur zuständig ist, für die Festlegungen einer standardisierten Softwareentwicklung und deren Betrieb sowie die zu nutzenden Infrastrukturen (Hardware und Software) zuständig. Auch das Controlling (Planungs-, Koordinations- und Kontrollaufgaben) in KONSENS wird von einer zentralen Organisationseinheit wahrgenommen, dem Vorhabensmanagement.

Die (steuerlichen) Fachanwendungen werden themenbezogen zu 19 sogenannten Verfahren zugeordnet: BIENE, BuStra, DAME, ELFE, ELSTER, GDA, GeCo, GINSTER, InKA, KapESt, KDialog, LAVENDEL, MÜSt, Prüfungsdienste, RMS, SESAM, StundE, VO, ZANS. Auftragnehmer für ein Verfahren sind jeweils eines oder auch mehrere der in der Steuerungsgruppe IT vertretenen Länder. Jedes Verfahren wird durch ein Verfahrensmanagement geleitet. Die Verfahren entwickeln zum einen die Fachanwendungen, die die zentralen Geschäftsprozesse der Steuerverwaltung unterstützen: Steuerfestsetzung und Steuererhebung. Hinzu kommt eine Fachanwendung zur Pflege der personenbezogenen Daten der Steuerpflichtigen. Zum anderen entwickeln die Verfahren auch weitere Software, die den Zielen von KONSENS dient. 18 der 19 Verfahren eröffnen sich den Mitarbeitenden der Finanzämter, während ELSTER als größtes E-Government-Portal innerhalb der Bundesrepublik Deutschland den Bürgerinnen und Bürgern als Kontakt zum Finanzamt zur Verfügung steht.

Der Einsatz der neu entwickelten Software und die Ablösung der bestehenden Fachanwendungen in den Ländern werden über eine „verbindliche Einsatzplanung“ gesteuert.

Finanzierung Bearbeiten

Die Kostenverteilung erfolgt auf Basis des Königsteiner Schlüssels. Die 16 Länder sowie der Bund übernehmen jeweils festgelegte Anteile an der Finanzierung.

Kritik Bearbeiten

Im Herbst 2022 äußerten sich die Präsidenten der Rechnungshöfe von Bund und Ländern sehr kritisch zum Prozess. Nach 15 Jahren und 1,6 Mrd. Euro seien die Bemühungen in den Kernverfahren ohne Erfolg[5]. Die lange Entwicklungsdauer habe schwerwiegende Folgen. Zudem seien bis 2026 weitere 1,25 Mrd. Euro eingeplant[6].

Siehe auch Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Gesetz über die Koordinierung der Entwicklung und des Einsatzes neuer Software der Steuerverwaltung (KONSENS-Gesetz – KONSENS-G) vom 14. August 2014, Art. 8a G vom 14. August 2017 (BGBl. I S. 3122)
  2. vgl. Gesetz zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften DIP, Basisinformationen über den Vorgang ID: 18-78938
  3. Martin Schallbruch: Neuer gesetzlicher Rahmen für öffentliche IT – Grundgesetzänderung, OZG und KONSENS-Gesetz. 7. Juni 2017.
  4. KONSENS-Gesetz. Bundesamt für Justiz. Auf Gesetze-im-Internet.de, abgerufen am 29. Juli 2021.
  5. Rechnungshof-Präsidenten rügen: 15 Jahre Entwicklung, 1,6 Milliarden Euro Kosten und noch immer keine Steuersoftware. Deutschlandfunk, 11. Oktober 2022, abgerufen am 11. Oktober 2022.
  6. dpa: Rechnungshof-Rüge: Nach 15 Jahren noch keine Steuersoftware. In: Die Zeit. 11. Oktober 2022, abgerufen am 11. Oktober 2022.