Kuhschellen

Gattung der Familie Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae)
(Weitergeleitet von Küchenschelle)

Die Kuhschellen oder Küchenschellen (Pulsatilla) bilden eine Pflanzengattung innerhalb der Familie der Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae).[1] Ihre Arten blühen alle im Frühjahr und sie sind auf der Nordhalbkugel in Eurasien und Nordamerika weitverbreitet.

Kuhschellen

Gewöhnliche Kuhschelle (Pulsatilla vulgaris)

Systematik
Eudikotyledonen
Ordnung: Hahnenfußartige (Ranunculales)
Familie: Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae)
Unterfamilie: Ranunculoideae
Tribus: Anemoneae
Gattung: Kuhschellen
Wissenschaftlicher Name
Pulsatilla
Mill.

Beschreibung und Ökologie Bearbeiten

 
Illustration aus Curtis's Botanical Magazine, Tafel 7858 von Pulsatilla cernua
 
Federschweifigen Früchtchen kurz vor der Reife bei der Gewöhnlichen Kuhschelle (Pulsatilla vulgaris)

Vegetative Merkmale Bearbeiten

Kuhschellen-Arten sind ausdauernde krautige Pflanzen. Sie bilden aufrechte Rhizome als Überdauerungsorgane. Blätter und Stängel sind meist lang, weich, silbergrau behaart.

Die in grundständigen Rosetten zusammenstehenden Laubblätter sind in lang Blattstiel und Blattspreite gegliedert. Die Blattspreite ist ein- bis mehrfach gefiedert oder gefingert, mit fiederspaltigen bis fiederschnittigen Fiederblättchen.

Generative Merkmale Bearbeiten

Am Blütenstandsschaft befindet sich ein Quirl aus drei in unterschiedlichem Ausmaß reduzierten und am Grund meist miteinander verwachsenen Blättern, die eine glockenförmige Hülle bilden. Die Blüten stehen einzeln am Ende des Stängels.

Die zwittrigen Blüten sind radiärsymmetrisch. Die weiße, rosa, violette oder rote Blütenhülle besteht aus zwei untereinander nicht sehr verschiedenen Kreisen aus jeweils drei Blütenhüllblättern, die außen meist dicht zottig behaart sind. Die Form der Blüte ähnelt oft einem Glöckchen oder auch einer Kuhschelle. Die Verkleinerungsform Kühchen hat zur Bezeichnung Küchen-Schelle geführt. Der botanische Name stammt ebenfalls von der glockigen Blütenform (lateinisch pulsare für „schlagen“, „läuten“). Es sind viele gelb oder purpur gefärbte, freie Staubblätter vorhanden und außer bei Pulsatilla kostyczewii eine Reihe Staminodien (staminodialen Nektarien). Die zahlreichen, nicht miteinander verwachsenen Fruchtblätter besitzen jeweils nur eine Samenanlage. Die langen Griffel sind federförmig und vergrößern sich bis zur Fruchtreife.

In einem kugeligen Fruchtstand stehen viele, kleine, spindelförmige Nüsschen („Achänen“) zusammen. Die Nüsschen entwickeln sich jeweils aus einem freien Fruchtblatt, an denen der Griffel, stark verlängert und zottig behaart, einen Federschweif bildet. Die Früchte der Kuhschellen sind Federschweifflieger und bohren sich mit scharfen Spitzen durch hygroskopische Bewegungen tief in den Boden ein.

Chromosomensätze Bearbeiten

Die Chromosomengrundzahl beträgt einheitlich x = 16. Bei den meisten Taxa der Gattung Pulsatilla liegt Diploidie mit Chromosomenzahl von 2n = 16 vor.[1]

 
Struktur von Protoanemonin

Inhaltsstoffe Bearbeiten

Kuhschellen-Arten enthalten wie alle Hahnenfußgewächse das Glukosid Ranunculin das enzymatisch in das sehr giftige Protoanemonin (Anemonol), welches wiederum beim Trocknen oder Erhitzen in das weniger giftige Anemonin umgewandelt wird. Das Anemonin ist nicht beständig und wandelt sich leicht in Anemoninsäure, die ungiftig ist.[2] Das Verfüttern von Heu, welches Hahnenfußgewächse enthält, ist für damit gefüttertes Vieh ungefährlich.[3]

Systematik, botanische Geschichte und Verbreitung Bearbeiten

 
Kaukasische Kuhschelle (Pulsatilla albana)
 
Alpen-Kuhschelle (Pulsatilla alpina subsp. alpina)
 
Gelbe Alpen-Kuhschelle (Pulsatilla alpina subsp. apiifolia)
 
Brockenanemone (Pulsatilla alba)
 
Hallers Kuhschelle (Pulsatilla halleri)
 
Berg-Kuhschelle (Pulsatilla montana)
 
Schwarze Kuhschelle (Pulsatilla nigricans)
 
Pulsatilla occidentalis
 
Rote Kuhschelle (Pulsatilla rubra)
 
Pulsatilla tatewakii
 
Frühlings-Kuhschelle (Pulsatilla vernalis)

Die Gattung Pulsatilla wurde 1754 durch Philip Miller in The Gardeners Dictionary. Abridged, fourth edition, Rivington, London. Volume 3 aufgestellt. Typusart ist Anemone pulsatilla L. Der botanische Gattungsname Pulsatilla leitet sich vom lateinischen Wort pulsare für "läuten, schlagen" ab und bezieht sich auf die glockenförmigen Blüten vieler Arten.

Die Gattung Pulsatilla gehört zur Tribus Anemoneae in der Unterfamilie Ranunculoideae innerhalb der Familie Ranunculaceae.[1] Innerhalb der Tribus Anemoneae bilden die Gattungen Pulsatilla, Anemone s. str., Barneoudia, Knowltonia sowie Oreithales eine Klade.[1]

Die etwa 40 Arten gedeihen auf der Nordhalbkugel in den nördlich-gemäßigten, subarktischen und montanen Gebieten.[1] In Europa kommen neun Arten und in Nordamerika kommen nur zwei Arten vor. Die meisten, 29, Arten kommen in Asien vor.[1] In China gibt es elf Arten, eine davon nur dort.[4] Die meisten Arten gedeihen in Graslandhabitaten.[1]

Der Umfang der Gattungen in der Tribus Anemoneae wird kontrovers diskutiert. Synonyme für Pulsatilla Mill. im Rang einer Gattung Pulsatilla sind: Anemone sect. Pulsatilla (Mill.) DC., Anemone sect. Pulsatilla (Mill.) Le Maout & Decne. comb. superfl., Anemone subg. Pulsatilla (Mill.) Thomé. Genetische Untersuchungen haben gezeigt, dass die Arten der Gattung Pulsatilla eigentlich der Gattung Windröschen (Anemone), bei denen sie ursprünglich durch Carl von Linné beschrieben wurden, zugerechnet werden könnten.[5] Beispielsweise erfolgte 2015 ein nomenklatorischer Transfer der chinesischen Pulsatilla-Arten zur Gattung Anemone.[6]

Nach Sramkóa et al. 2019 wurden molekularphylogenetische Untersuchungen durchgeführt mit dem Ergebnis einer angepassten Systematik sowie der rDNA-Evolution. Dabei wurde die Trennung der Gattungen Anemone s. str. und Pulsatilla bestätigt. Die Gattungen Anemone s. str. und Pulsatilla trennten sich vor etwa 25 Millionen Jahren.[1]

Nach Sramkóa et al. 2019 wird die Gattung Pulsatilla in drei Untergattungen gegliedert und enthält etwa 40 Arten.[1] Die Untergattung Kostyczewianae enthält nur eine Art, die sich morphologisch zwischen Anemone s. str. und Pulsatilla ausgeprägt ist. Die Untergattung Pulsatilla ist artenreicher als ihre Schwester, Untergattung Preonanthus.[1]

Die Gattung Pulsatilla Mill. wird nach Sramkóa et al. 2019 wie folgt gegliedert:[1]

  • Untergattung Kostyczewianae (Aichele & Schweg.) Grey-Wilson:[1]
  • Untergattung Preonanthus (DC.) Juz.:
    • Sektion Preonanthus (DC.) Spach:[1]
  • Untergattung Pulsatilla:[1]
    • Sektion Tatewakianae Tamura:[1]
    • Sektion Pulsatilla:[1]
      • Serie Patentes (Aichele & Schweg.) Juz. ex. Tamura:[1]
        • Pulsatilla integrifolia (Miyabe & Tatew.) Vorosch.
        • Finger-Kuhschelle (Pulsatilla patens (L.) Mill.): Es gibt etwa drei Unterarten:
          • Gelbliche Finger-Kuhschelle (Pulsatilla patens subsp. flavescens (Zucc.) Zämelis, Syn.: Pulsatilla flavescens (Zucc.) Juz.): Sie gedeiht in Birken-, Lärchen- und Kiefernwäldern, auf Wiesen und in Flusstälern in Osteuropa, Sibirien und in der Mongolei und im nördlichen Xinjiang.[4]
          • Pulsatilla patens subsp. multifida (E.Pritz.) Zämelis: Sie ist in Nordamerika, in Nordeuropa, Russland, in der Mongolei, im nördlichen Teil der Inneren Mongolei, in Heilongjiang und im nördlichen Xinjiang verbreitet.[4]
          • Pulsatilla patens subsp. nuttalliana (DC.) Grey-Wilson
          • Pulsatilla patens (L.) Mill. subsp. patens
        • Frühlings-Kuhschelle (Pulsatilla vernalis Mill.): Sie gedeiht auf Magerrasen und in Kiefernwäldern in Höhenlagen von 200 bis 3100 Metern in Europa.
      • Serie Pulsatilla:[1]
        • Große Kuhschelle (Pulsatilla grandis L., Syn.: Pulsatilla vulgaris subsp. grandis (Wender.) Zämelis): Sie gedeiht Trockenrasen in Höhenlagen von 200 bis 1800 Metern im subkontinentalen Europa.
        • Hallers Kuhschelle (Pulsatilla halleri Willd., Syn.: Pulsatilla polyscapa (Beauverd) Beauverd): Je nach Autor gibt es einige Unterarten:
          • Pulsatilla halleri (All.) Willd. subsp. halleri: Sie kommt in den Alpen von Frankreich, Italien und der Schweiz vor.
          • Slawische Kuhschelle (Pulsatilla halleri subsp. slavica (Reuss) Zämelis, Syn.: Pulsatilla slavica G.Reuss): Sie gedeiht in Grasfluren und Kiefernwäldern in Höhenlagen von 250 bis 1750 Metern der Westkarpaten.
          • Steirische Kuhschelle[8] (Pulsatilla halleri subsp. styriaca (Pritz.) Simonk., Syn.: Pulsatilla styriaca (Pritz.) Simonk.): Dieser Endemit gedeiht in submontanen bis montanen Felsrasen und Kiefernwäldern der Ostalpen nur in der Steiermark.
        • Rote Kuhschelle (Pulsatilla rubra (Lam.) Delarbre): Sie kommt nur in Frankreich und Spanien vor.
        • Gewöhnliche Kuhschelle[8] (Pulsatilla vulgaris Mill., Syn.: Pulsatilla donetzica Kotov, Pulsatilla oenipontana Dalla Torre & Sarnth., Pulsatilla ucrainica (Ugr.) Wissjul., inklusive cultivar. ‘coccinea’, cultivar. ‘rubra’): Sie gedeiht in Trockenrasen und Kiefernwäldern in Höhenlagen bis zu 1000 Metern in Europa.
    • Sektion Semicampanaria Zämelis & Paegle:[1]
      • Serie Pratenses (Aichele & Schweg.) Juz. ex Tamura:[1]
        • Berg-Kuhschelle (Pulsatilla montana Rchb.): Sie gedeiht in kollinen bis subalpinen Trockenwiesen der Südalpen, der Balkanhalbinsel und der Krim.
        • Wiesen-Kuhschelle (Pulsatilla pratensis (L.) Mill.):
          • Pulsatilla pratensis subsp. bohemica Skalicky
          • Pulsatilla pratensis subsp. hungarica Soó
          • Schwarze Kuhschelle (Pulsatilla pratensis subsp. nigricans (Störck) Zämelis, Syn.: Pulsatilla nigricans Störck, Syn.: Pulsatilla pratensis subsp. nigricans (Störck) Zämelis): Sie kommt in Europa vor.
          • Pulsatilla pratensis (L.) Mill. subsp. pratensis: Sie gedeiht in Sandrasen und Trockenrasen und Kiefernwäldern besonders der Ebene und bis zur Bergstufe im gemäßigten subkontinentalen Europa.
        • Pulsatilla turczaninovii Krylov & Serg.: Sie ist in Sibirien, in Russlands Fernem Osten, in der östlichen Mongolei in der Inneren Mongolei und in den chinesischen Provinzen nördliches Hebei, westliches Heilongjiang, westliches Jilin, westliches Liaoning, Ningxia, nördliches Xinjiang verbreitet.[4]
      • Serie Semicampanaria Grey-Wilson:[1]
      • Serie Albanae (Aichele & Schweg.) Juz. ex Tamura:[1]

Quellen Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x Gábor Sramkóa, Levente Laczkó, Polina A. Volkova, Richard M. Bateman, Jelena Mlinarec: Evolutionary history of the Pasque-flowers (Pulsatilla, Ranunculaceae): Molecular phylogenetics, systematics and rDNA evolution. In: Molecular Phylogenetics and Evolution, Volume 135, 2019, S. 45–61. doi:10.1016/j.ympev.2019.02.015 Volltext-PDF.
  2. Gerhard Habermehl, Petra Ziemer: Mitteleuropäische Giftpflanzen und ihre Wirkstoffe. Hrsg.: Springer-Verlag. 2. Auflage. Springer-Verlag GmbH, Berlin / Heidelberg 1999, ISBN 978-3-642-64198-5, S. 74.
  3. Christoph Greifenhagen: Schlitzblättriger Hahnenfuß - Ranunculus polyanthemopyllus. In: Pflanzen in Deutschland. Pflanzen in Deutschland, 2020, abgerufen am 7. Mai 2021.
  4. a b c d e f g h i j Wang Wencai, Bruce Bartholomew: In: Wu Zhengyi, Peter H. Raven, Deyuan Hong (Hrsg.): Flora of China. Volume 6: Caryophyllaceae through Lardizabalaceae. Science Press und Missouri Botanical Garden Press, Beijing und St. Louis 2001, ISBN 1-930723-05-9. Pulsatilla, S. 329 textgleich online wie gedrucktes Werk.
  5. S. B. Hoot, A. A. Reznicek, J. D. Palmer: Phylogenetic relationships in Anemone (Ranunculaceae) based on morphology and chloroplast DNA. In: Syst. Bot. Volume 19, 1994, S. 169–200.
  6. N. Jiang, Z. Zhou, K. Y. Guan, W. B. Yu: Nomenclatural transfer of Chinese Pulsatilla to Anemone (Ranunculaceae). In: Nordic Journal of Botany, Volume 33, Issue 4, 2015, S. 469–471. doi:10.1111/njb.00700 Volltext-PDF.
  7. a b c E. von Raab-Straube, Ralf Hand, E. Hörandl, E. Nardi, 2014+: Ranunculaceae.: Datenblatt Pulsatilla. In: Euro+Med Plantbase – the information resource for Euro-Mediterranean plant diversity.
  8. a b Walter Erhardt, Erich Götz, Nils Bödeker, Siegmund Seybold: Der große Zander. Enzyklopädie der Pflanzennamen. Band 2: Arten und Sorten. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2008, ISBN 978-3-8001-5406-7.

Literatur Bearbeiten

  • Dietmar Aichele, Heinz-Werner Schwegler: Die Taxonomie der Gattung Pulsatilla. In: Feddes Repertorium, Band 60, 1957, Seite 1–230.
  • Wang Wencai, Bruce Bartholomew: In: Wu Zhengyi, Peter H. Raven, Deyuan Hong (Hrsg.): Flora of China. Volume 6: Caryophyllaceae through Lardizabalaceae. Science Press und Missouri Botanical Garden Press, Beijing und St. Louis 2001, ISBN 1-930723-05-9. Pulsatilla, S. 329 textgleich online wie gedrucktes Werk.
  • David Aeschimann, Konrad Lauber, Daniel Martin Moser, Jean-Paul Theurillat: Flora alpina. Band 1. Lycopodiaceae-Apiaceae. Haupt Verlag, Bern, Stuttgart, Wien, 2004, ISBN 3-258-06600-0.
  • Eckehart J. Jäger, Friedrich Ebel, Peter Hanelt, Gerd K. Müller: Exkursionsflora von Deutschland. Band 5: Krautige Zier- und Nutzpflanzen. Spektrum Akademischer Verlag. Berlin, Heidelberg 2008, ISBN 978-3-8274-0918-8.
  • N. Jiang, Z. Zhou, K. Y. Guan, W. B. Yu: Nomenclatural transfer of Chinese Pulsatilla to Anemone (Ranunculaceae). In: Nordic Journal of Botany, Volume 33, Issue 4, 2015, S. 469–471. doi:10.1111/njb.00700 Volltext-PDF.
  • Gábor Sramkóa, Levente Laczkó, Polina A. Volkova, Richard M. Bateman, Jelena Mlinarec: Evolutionary history of the Pasque-flowers (Pulsatilla, Ranunculaceae): Molecular phylogenetics, systematics and rDNA evolution. In: Molecular Phylogenetics and Evolution, Volume 135, 2019, S. 45–61. doi:10.1016/j.ympev.2019.02.015 Volltext-PDF.
  • Qiu-jie Li1, Xi Wang, Jun-ru Wang, Na Su, Ling Zhang, Yue-ping Ma, Zhao-yang Chang, Liang Zhao, Daniel Potter: Efficient Identification of Pulsatilla (Ranunculaceae) Using DNA Barcodes and Micro-Morphological Characters. In: Frontiers in Plant Science, Volume 10, Oktober 2019, 1196. doi:10.3389/fpls.2019.01196

Weblinks Bearbeiten

Commons: Kuhschellen (Pulsatilla) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Kuhschelle – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen