Justizvollzugsanstalt St. Georgen-Bayreuth
Justizvollzugsanstalt St. Georgen-Bayreuth | |
Informationen zur Anstalt | |
---|---|
Name | Justizvollzugsanstalt St. Georgen-Bayreuth |
Bezugsjahr | 1735 |
Haftplätze | 890 |
Mitarbeiter | 364 |
Anstaltsleitung | Matthias Konopka |
Die Justizvollzugsanstalt St. Georgen-Bayreuth befindet sich im Bayreuther Stadtteil St. Georgen und ist nach der JVA München Stadelheim und der JVA Nürnberg die drittgrößte Justizvollzugsanstalt in Bayern.
ZahlenBearbeiten
Die aus drei räumlich voneinander getrennten Arealen bestehende Anstalt hat eine Gesamtkapazität von 911 Haftplätzen, davon zwei für behinderte Häftlinge.
AußenstellenBearbeiten
Verwaltungsmäßig war die Justizvollzugsanstalt Hof mit 202 Haftplätzen an die Bayreuther Anstalt angegliedert. Seit dem 1. Januar 2019 ist diese allerdings selbstständig.
GeschichteBearbeiten
Im Jahr 1713 beantragte Markgraf Georg Wilhelm beim Landtag die Errichtung eines Zucht- und Arbeitshauses, an dessen Finanzierung sich die Kirchen und Hospitäler zu beteiligen hatten.[1] 1724 wurde die Anstalt für 200 „Züchtlinge“ in Auftrag gegeben. Die für 18.000 Gulden von Hofbaumeister Johann David Räntz erbaute Anstalt wurde 1735 fertiggestellt. Zunächst beherbergte sie auch „geistig Erkrankte“, ehe Markgraf Karl Alexander diese 1784 ins gegenüberliegende Prinzessinnenhaus verlegen ließ.[2]
1810 übernahm der bayerische Staat die Anstalt. 1897 wurde das 1722 errichtete Ordensschloss St. Georgen in die Anstalt integriert, das heute die Krankenabteilung mit einer Tuberkulose-Station beherbergt.[3]
Drittes ReichBearbeiten
In der Nacht des 9. März 1933 forderte das bayerische Innenministerium alle Polizeiämter auf, sämtliche kommunistischen Funktionäre in „Schutzhaft“ zu nehmen. Am frühen Morgen des folgenden Tages wurden darüber hinaus auch 28 Angehörige der SPD und ihrer Hilfsorganisationen verhaftet, und mehrere von ihnen, darunter Friedrich Puchta und Oswald Merz, ins Gefängnis Sankt Georgen gebracht.
Bereits bis September 1933 wurden 150 politisch verfolgte Menschen dort inhaftiert. Da das Gefängnispersonal nicht mehr ausreichte, wurden Ende März 1933 Angehörige von SA und Stahlhelm als Hilfspolizisten eingestellt. Die Gefangenen wurden misshandelt und mussten erniedrigende Arbeiten verrichten. Der Sozialdemokrat Kurt de Jonge war als Jude besonderen Schikanen ausgesetzt. Am 24. April 1933 wurde er ins KZ Dachau verlegt. Er und weitere Bayreuther aus dem Zuchthaus Sankt Georgen gehörten zu den ersten Insassen dieses Konzentrationslagers.
Während des Zweiten Weltkriegs wurden in großer Zahl Ausländer eingeliefert, insbesondere Tschechen und zwangsverschleppte Ostarbeiter. Für den Strafvollzug an Polen und französischen Widerstandskämpfern waren besondere Verschärfungen vorgeschrieben. Gegen Kriegsende war das Gefängnis, das etwa 1200 Häftlingen Platz bot, mit über 5000 Gefangenen aus mehr als zehn Nationen überbelegt. Da sich der ortsansässige Gauleiter Fritz Wächtler mit der Rekordaufnahme von deutschen Kriegsflüchtlingen hervortun wollte, hatte die Haftanstalt auf Kosten der Insassen nahezu alle Vorräte abzugeben.
Am 17. Februar 1944 trafen aus Berlin 270 politische Gefangene ein. Die für Hoch- und Landesverrat zuständigen Senate des Volksgerichtshofs sollten sie nach dessen geplanter Verlegung in den Bayreuther Justizpalast aburteilen. Unter ihnen war der spätere Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier. Der Erschießung angesichts der anrückenden US-amerikanischen Truppen entgingen sie am 14. April 1945 nur knapp durch das selbstlose Engagement des kurz zuvor aus der Haftanstalt entflohenen Karl Ruth.[4]
Bekannte GefangeneBearbeiten
- Margarethe Dorothea Altwein (ca. 1758−?), 1781 zum Tode verurteilte und vom Weimarer Herzog Carl August zu lebenslangem Zuchthaus begnadigte Weimarer Kindsmörderin, die von 1781 bis 1798 inhaftiert war. Goethe war zu jener Zeit Weimarer Regierungsbeamter und zeichnete die Verfügung des Herzogs vom 27. April 1781 zur Umwandlung der Todesstrafe in lebenslange Zuchthausstrafe ab.[5]
- Eduard Kullmann (1853–1892), Bismarck-Attentäter
- Athanasius Gerster OSB (1877–1945), römisch-katholischer Geistlicher, in der Haft zu Tode gekommen
- Friedrich Puchta (1883–1945), Politiker der SPD und der USPD, dort inhaftiert vom 10. März 1933[6] bis Juli 1933
- Joseph-Ernst Fugger von Glött (1895–1981), CSU-Politiker
- Claus Pittroff (1896–1958), SPD-Politiker, Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung und der ersten Bundesversammlung, Landrat
- Wilhelm Kling (1902–1973), KPD-Funktionär
- Georg Jungclas (1902–1975), Trotzkist und Widerstandskämpfer
- Ewald Naujoks (1903–1985), Sozialist und Widerstandskämpfer, dort inhaftiert vom 17. Februar 1945 bis 14. April 1945
- Hans Merker (1904–1945), KPD-Politiker, Widerstandskämpfer
- Eugen Gerstenmaier (1906–1986), evangelischer Theologe
- Karl Ruth (1907–nach 1972), Ingenieur, Widerstandskämpfer und „Retter der Stadt“, dort inhaftiert von Februar 1945 bis 13. April 1945[7]
- Friedhelm Busse (1929–2008), neonazistischer Politiker
- Karl-Heinz Hoffmann (* 1937), Neonazi und Gründer der nach ihm benannten Wehrsportgruppe
GalerieBearbeiten
Das Ordensschloss St. Georgen gehört zur JVA
Teilbereich Schloss Sankt Johannis
WeblinksBearbeiten
LiteraturBearbeiten
- Geschichtswerkstatt Bayreuth (Herausgeber): Bayreuth umgeguckt und hinterfragt, Bumerang Verlag, Bayreuth, 1992, ISBN 3-9802212-9-6
- Schultze-Pfaelzer, Gerhard: Kampf um den Kopf, Verlag der Nation Berlin,1977, S. 234 ff.
EinzelnachweiseBearbeiten
- ↑ Geschichtswerkstatt Bayreuth (Herausgeber): Bayreuth umgeguckt und hinterfragt: Gefängnis St. Georgen - Ehemaliges Zucht- und Arbeitshaus, S. 18
- ↑ Geschichtswerkstatt Bayreuth (Herausgeber): Bayreuth umgeguckt und hinterfragt: Prinzessinnenhaus, S. 20
- ↑ http://www.ordensschloss.de/gefaengnis.html
- ↑ Helmut Paulus: Die schauerlichen Pläne der NS-Justiz in: Heimatkurier – das historische Magazin des Nordbayerischen Kuriers, Heft 2/2005
- ↑ Rüdiger Scholz: Das kurze Leben der Johanna Catharina Höhn. Kindesmorde und Kindesmörderinnen im Weimar Carl Augusts und Goethes. Die Akten zu den Fällen Johanna Catharina Höhn, Maria Sophia Rost und Margarethe Dorothea Altwein, Würzburg, Königshausen & Neumann, 2004, S. 126 f
- ↑ Nordbayerischer Kurier vom 8. August 2012, S. 24
- ↑ Werner Meyer: Götterdämmerung - April 1945 in Bayreuth, S. 106 ff
Koordinaten: 49° 57′ 19,2″ N, 11° 35′ 21,7″ O