Joseph William Torrey

Kaufmann und Mitgründer der amerikanischen Kolonie Ellena

Col. Joseph William Torrey, Rajah von Ambong und Marudu, (* 22. April 1828, Bath (Maine), Vereinigte Staaten; † 22. Juni 1885 in Boston, Vereinigte Staaten) war ein amerikanischer Kaufmann, Präsident der American Trading Company of Borneo und Mitbegründer der amerikanischen Kolonie „Ellena“ auf der Insel Borneo. Er wurde als „Yankee Rajah“ bekannt und diente als US-Vizekonsul in Siam.

Joseph William Torrey

Leben Bearbeiten

 
Harris und Torrey

Joseph William Torrey wurde am 22. April 1828 in der nordamerikanischen Kleinstadt Bath (Maine) geboren. Er war der Sohn von Joseph Gendall Torrey und Emily Houghton. Sein Vater übte das Handwerk eines Druckers aus und war in dieser Eigenschaft auch Gründer der Maine Gazette, der ersten Zeitung Baths.

1834 zog die Familie nach Roxbury, einem Stadtteil von Boston. Joseph William absolvierte hier seine Schulzeit und machte einen Abschluss an der Boston High School unter Rev. Dr. Leach. Zunächst erlernte er ebenfalls das Druckerhandwerk und arbeitete einige Jahre im Betrieb seines Vaters, wodurch er mit der satirischen Zeitschrift Carpet Bag von Benjamin Penhallow Shillaber in Kontakt kam.[1][2]

Torrey diente in mehreren Kompanien und war Mitglied der Ancient and Honorable Artillery Company of Boston.[1] Die Authentizität seines militärischen Grades „Colonel“ wird jedoch angezweifelt.[3][Anm. 1]

1853 verließ er Boston und ging nach Melbourne in Australien, wo er als Angestellter im Handelshaus Caldwell, Train & Co., Commission Merchants and Steam Packet Agents arbeitete. Daneben war er Teilhaber von Torrey & Foodrich and Company, Discharging Clerks. Neben seiner Arbeit im Handelshaus begann er mit dem Studium der Rechtswissenschaften; ein akademischer Abschluss ist von ihm jedoch nicht bekannt. In Melbourne trat er der Freimaurerloge bei und wurde später deren Großmeister. 1860 zog es ihn nach Hongkong, wo er zunächst Herausgeber der China Mail, der ersten britischen Tageszeitung in Hongkong, wurde. Später übernahm er die Herausgabe der Hong Kong Times. 1862 stieg er als Schiffsmakler und Kommissionär bei Montgomery & Parker ein. Er erwarb ein eigenes Schiff, das er Ellen taufte – wahrscheinlich nach seiner jüngsten Tochter.[1][2][4]

Am 22. September 1854, während seiner Zeit in Australien heiratete er in Victoria seine erste Frau, Eliza Lydia Ewer. Das Paar hatte zwei Kinder, Emiline Eliza (geboren 1856) und Cordelia Grace (geboren 1858). Ein Jahr nach der Geburt des zweiten Kindes verstarb Eliza nach kurzer Krankheit im Alter von nur 27 Jahren. Torrey schickte die beiden Kinder 1860 nach Roxbury zurück, wo sie bei den Großeltern aufwuchsen.[5] 1863 heiratete Torrey erneut. Seine zweite Frau, die erst fünfzehn Jahre alte Charlotte Ann „Lemon“ Mills, gebar ihm zuerst einen Sohn Joseph Gendall (geboren am 16. September 1864) und später eine Tochter mit Namen Elena Charlotte (geboren 1867).[1][6]

Gründung der Kolonie Ellena Bearbeiten

Der amerikanische Konsul Charles Lee Moses[Anm. 2] hatte im August 1865 je einen 10-Jahres-Pachtvertrag mit dem Sultan von Brunei Abdul Mumin und mit dessen Thronfolger Pengiran Temenggung geschlossen, der ihm Landrechte in verschiedenen Gebieten im Norden von Borneo garantierte. Auf schnellen Gewinn bedacht, suchte der Konsul sofort im Anschluss an die Unterzeichnung des Pachtvertrages Käufer für seine Konzessionen. Moses Angebot weckte das Interesse bei seinen Landsleuten Joseph William Torrey und Thomas Bradley Harris. Geblendet von überschwänglichen Berichten über ein Land, reich an Gold, Diamanten, Edelhölzern, Gewürzen und Schätzen, die nur darauf warteten, den Märkten von Hongkong und China zugeführt zu werden, kauften sie zusammen mit dem Chinesen Wo Hang die Konzessionen Moses’ am 9. September 1865 auf.[7]

 
Seite 2 der Konzession Torreys mit seiner Ernennung zum Rajah

Im Oktober 1865 gründeten Torrey und Harris zusammen mit den chinesischen Geldgebern Lee Assing und Pong Ampong – Wo Hang war bald nach dem Abschluss des Vertrags wieder aus der Unternehmung ausgeschieden – die American Trading Company of Borneo und beschlossen, eine Kolonie in der Gegend des heutigen Kimanis aufzubauen. Darauf bedacht, dass der Erwerb der Konzession von Moses auch durch den Sultan von Brunei anerkannt werde, ließ Torrey ein neues Konzessionsschreiben aufsetzen, das am 24. November 1865 im Palast zu Brunei verhandelt und mit den Siegeln des Sultans und drei seiner Minister versehen wurde.[8] Die Urkunde bestätigte seinen Konzessionserwerb und erhob Torrey nicht nur zum Herrscher über Leben und Tod, sondern verlieh ihm auch den Titel „Rajah von Ambong und Marudu“.[Anm. 3]

Im Dezember 1865 gründete Torrey mit 12 Amerikanern und 60 Chinesen die Kolonie „Ellena“ und ernannte sich zu deren Gouverneur. Harris wurde zum Vizegouverneur ernannt. Der wohlklingende Titel schützte Torrey gleichwohl nicht vor dem Misserfolg seiner kolonialen Pläne. Der Plan, Ellena durch den Anbau von Zuckerrohr, Tabak und Reis für weitere Siedler attraktiv zu machen, scheiterte bereits nach kurzer Zeit. Die unglückliche Wahl der Lage Ellenas im Mündungsgebiet des träge fließenden Sungai Kimanis begünstigte den Ausbruch von Malaria und anderen Krankheiten. Auch fehlte der Kolonie eine solide finanzielle Basis, so dass Torrey gezwungen war, den Aufbau der Kolonie seinem Stellvertreter Harris zu überlassen und sich auf die Suche nach Geldgebern in Hongkong und Shanghai zu machen.

Noch während Torrey verzweifelt versuchte, in Hongkong weiteres Kapital für seine Kolonie aufzutreiben, starb sein Freund Harris am 22. Mai 1866 im Alter von 40 Jahren an Malaria.[9] Torrey ließ seinen Geschäftspartner auf dem Gipfel eines nahegelegenen Hügels begraben, der heute unter dem Namen Governor’s Hill bekannt ist. Auf seinen Grabstein ließ Torrey folgende Inschrift einschlagen:[Anm. 4]

Zum Gedenken an Thomas Bradley Harris, Vizegouverneur der Kolonie von Ambong und Marudu, von Geburt Bürger der USA. Gestorben am 22. Mai 1866 im Alter von 40 Jahren. Errichtet vom Rajah in ehrendem Respekt an einen alten, treuen und geschätzten Freund. "Nach des Lebens launenhaftem Fieber schläft er nun gut".

Schon 1866 wurde die amerikanische Kolonie aufgrund fehlenden Kapitals, Mangel an Arbeitskräften, Aufständen unter den Arbeitern und schweren Krankheiten wieder aufgegeben.[10] Das Ende von Ellena hinterließ einen mittellosen Torrey. Getrieben einerseits von den überwiegend chinesischen Investoren, anderseits von Charles Lee Moses, der immer noch auf die Auszahlung des Kaufpreises wartete, versuchte er, seine Rechte gewinnbringend weiter zu verkaufen. Jedoch erst neun Jahre später – kurz vor dem Auslaufen der auf zehn Jahre Laufzeit ausgelegten Konzession – gelang es Torrey im Januar 1876 in Hongkong, alle Rechte an den deutschstämmigen Baron von Overbeck zu veräußern. Der Kaufpreis von 15.000 Straits-Dollar war an die Bedingung geknüpft, das es binnen neun Monaten gelingen musste, eine Verlängerung der Konzessionen durch den Herrscher von Brunei zu erhalten.

Diplomatischer Dienst Bearbeiten

Von 1877 bis 1880 war er Vizekonsul im US-Konsulat von Siam, dem heutigen Thailand.[2][11] In seiner Eigenschaft als Vizekonsul gehörte er auch zur amerikanischen Delegation, die Ex-Präsident Ulysses S. Grant während seines Besuchs bei Chulalongkorn, dem König von Siam, begleitete.[12] Es scheint jedoch, dass seine Anwesenheit nicht von allen wohlgelitten war, da er sich mit seinem Vorgesetzten nicht so recht arrangieren konnte.[13] Nach seiner Ablösung als Vizekonsul verblieb er weiterhin als Mitglied der amerikanischen Gesandtschaft in Bangkok.[14]

Heimkehr und Tod Bearbeiten

Torrey kehrte 1883 nach Amerika zurück. Einige Tage vor seinem Tod erreichte ihn die Nachricht des Königs von Siam, dass er zu dessen obersten Berater ernannt werden sollte. Noch bevor er sich entschieden hatte, ob er das Amt annehmen sollte oder nicht, starb Torrey am Montag, 22. Juni 1885 in seinem Haus in der Wabon Street in Roxbury.[1] Noch im Tod repräsentierte er sein verlorenes Königreich: Drei Tage wurde er in der Uniform eines hohen orientalischen Würdenträgers aufgebahrt, bevor sein schwarzer Sarg aus Walnussholz zur St. James Episcopal Church gebracht wurde. Eine große Krone aus Blumen in den Farben der Flagge Ellenas – gelb und rot – bildete den zentralen Blickfang, darin ein Halbmond mit dreizehn Streifen auf blauem Grund und dreizehn Sternen, die die US-amerikanische Herkunft des Rajahs bezeugten.[15] Er wurde im Familiengrab der Torreys auf dem Friedhof Forest Hills Cemetery and Crematory begraben.[16][17]

Sonstiges Bearbeiten

Torrey, „der einzige amerikanische Raja“ fand auch Eingang auf die Titelseite der Januarausgabe von Ripley’s Believe It or Not! im Jahr 1950.[3]

Anmerkungen Bearbeiten

  1. Die sehr ausführliche Genealogie der Torrey-Familie, die im übrigen sehr exakte Nachweise für die militärischen Laufbahnen der Familienmitglieder liefert, lässt die Frage des militärischen Grades ebenfalls offen.
  2. In der Literatur findet sich auch der Name Claude Lee Moses; jedoch im von Moses notariell bezeugten Vertrag mit dem Sultan Abdul Mumin verwendet er selbst den Vornamen Charles.
  3. Der entscheidende Abschnitt auf Seite 2 seiner Konzessionsurkunde lautet: and do hereby nominate and appoint Joseph William Torrey Supreme Ruler and Governor of the above named territory with the title of Rajah of Ambong and Maloodoo with power of life and death over the inhabitants with all the rights of property vested in us over the productions of the country wether mineral (with the exception of coal at Benoni and Kimanis only) vegetable or animal – with the rights of making laws, coining money, creating an army and navy for their own protection, or for the suppression of piracy in their area or adjacent waters and commissioning the officers thereof, levying custom rates on foreign vessels or people and other dues on the inhabitants as to him may seem good and expedient, together with all other forces and rights usually and exercised by, and belonging to Sovereign Rulers: – and we call upon all foreign nations with whom we have formed friendly treaties and alliances to acknowledge the said Rajah as ourself in the above territories and to respect this authority therein – and in case of the death or retirement from office of this said Rajah then his successor in the office of President of the above Company shall succeed.
  4. Original in Englisch: In Memory of Thomas Bradley Harris, Hon. Chief Secretary of the Colony of Ambong and Maroodu. By Birth a Citizen of the U.S.A. Died 22nd May, 1866. Aged 40 Years. Erected by the Rajah. A Tribute of Respect to the Memory of An Old, Faithful and Esteemed Friend. “After Life’s Fitful Fever, He Sleeps Well.”.

Literatur Bearbeiten

  • Frederic Crosby Torrey: The Torrey families and their children in America. Lakehurst NJ 1924; torreygenealogy.com (PDF; 56,7 MB).
  • Joseph William Torrey: American Trading Company of Borneo Organized Under Special Concession from His Highness the Sultan of Borneo, and the General Laws of the State of New York. 1868.
  • H.G. Keith: The United States Consul and the Yankee Raja. In: Brunei Museum Journal, Jg. 1980, Nr. 4; Monografie.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c d e Frederic Crosby Torrey: The Torrey families and their children in America, S. 81
  2. a b c Death of Colonel Joseph William Torrey. In: Boston Evening Transcript, 23. Juni 1885.
  3. a b Tatu Frank: The United States Consul, the Yankee Raja, Ellena and the Constitution: A Historical Vignette. In: Archipel. Volume 40, 1990, S. 88; abgerufen am 24. Juli 2013.
  4. A.V.M. Horton: A Biographical Dictionary of Negara Brunei Darussalam: (1841–1998). 4. Ausgabe. Bordesley 1999, 2 Bände, S. 411–413
  5. The History of Matt Genealogische Seite der Ewer-Familie; abgerufen am 25. Juli 2013.
  6. Eintrag von Charlotte Ann Mills auf ancestry.com; abgerufen am 25. Juli 2013.
  7. D.S. Ranjit Singh: The Making Of Sabah 1865–1941 – The Dynamics of Indigenous Society. 3. Ausgabe, Kota Kinabalu 2011, S. 113–115.
  8. B. A. Hussainmiya: Brunei Revival of 1906. (Memento des Originals vom 12. September 2014 im Internet Archive; PDF; 1,7 MB)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ubd.edu.bn Brunei Press Sdn Bhd, Bandar Seri Begawan, 2006, ISBN 99917-32-15-2, S. 8.
  9. K. G. Tregonning: A History Of Modern Sabah (North Borneo 1881–1963), 2. Ausgabe. University of Malaya Press, Kuala Lumpur 1965, Reprint 1967, S. 7.
  10. K.G. Tregonning: North Borneo. Her Majesty’s Stationery Office, London 1960, S. 23–27.
  11. Liste der Mitglieder des diplomatischen Corps in Bangkok. (Memento des Originals vom 21. Februar 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/newspapers.nl.sg In: Straits Times Overland Journal, 2. November 1877, S. 4.
  12. General Grant in Bangkok. (Memento des Originals vom 21. Februar 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/newspapers.nl.sg Straits Times Overland Journal, 29. April 1879, S. 2, Rubrik Topics of the day.
  13. Benjamin A. Batson: American Diplomats In Southeast Asia In The Nineteenth Century: The Case Of Siam. (PDF; 3,2 MB) In: Journal of the Siam Society, vol. 64, no. 2, 1976.
  14. Col. Brine’s Journey overland from Tavoy to Bangkok. (Memento des Originals vom 21. Februar 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/newspapers.nl.sg In: Straits Times Weekly Issue, 26. Februar 1883, S. 4.
  15. Boston Daily Globe (1872–1922): Funeral of Joseph W. Torrey., 26. Juni 1885, S. 8
  16. Joseph William Torrey in der Datenbank Find a Grave, abgerufen am 24. Juli 2013 (englisch).
  17. Obituary. In: New York Times, 23. Juni 1885; abgerufen am 24. Juli 2013.