Johanniskirche (Zittau)

Kirchengebäude in Deutschland

Die St.-Johannis-Kirche (oder kurz St. Johannis oder umgangssprachlich Johanniskirche) ist ein Kirchengebäude in Zittau im Landkreis Görlitz in Sachsen. Sie dient als Hauptkirche der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Zittau.

St.-Johannis-Kirche Zittau
Blick durch das Langhaus zum Altar

Geschichte Bearbeiten

Die Existenz einer Johanniskirche in Zittau wird erstmals im Jahr 1291 urkundlich erwähnt. Es handelte sich dabei um eine dreischiffige Hallenkirche mit Doppelturmfront, die im 15. Jahrhundert vorübergehend Exil-Sitz des Prager Domkapitels war. In den Jahren 1485 bis 1531 wurde die Kirche zu einer vierschiffigen Hallenkirche ausgebaut. Im Laufe des Siebenjährigen Krieges (1756–1763) wurde die Kirche am 23. Juli 1757 vollständig zerstört. Dabei wurde auch die kurz zuvor in der Kirche errichtete große Orgel des Orgelbauers Gottfried Silbermann vernichtet.

Auf den Fundamenten der zerstörten Kirche wurde ab dem 23. Juli 1766 ein barocker Neubau errichtet, der im Wesentlichen 1804 fertiggestellt war. Aufgrund von schwerwiegenden statischen Problemen, insbesondere in der Dachkonstruktion und im Mittelteil der Westfront sowie der Standsicherheit des Südturmes, wurde schließlich der Leiter der preußischen Oberbaudeputation Karl Friedrich Schinkel hinzugezogen, der einen vollständigen Umbau einleitete und mit der Bauleitung seinen Schüler Carl August Schramm (Zittau) beauftragte. Das viel zu schwere Tonnengewölbe, dessen Gewicht von den Seitenwänden nicht genügend aufgenommen werden konnte und die Neigung des Südturmes verursachte, wurde entfernt und durch eine hölzerne Kassettendecke ersetzt[1] und mit einem einfachen Satteldach geschlossen. Auf der Westfront wurden die beiden Türme überarbeitet: der niedrigere Nordturm wurde mit einer schlanken, achteckigen Spitze abgeschlossen, der höhere Südturm mit einer kleinen Türmerwohnung abgeschlossen. Ein Spitzdach durfte aus statischen Gründen nicht mehr aufgesetzt werden. Der Mittelteil der Westfront wurde vollständig neu gestaltet. 1837 war die Kirche fertiggestellt und eingeweiht. Bereits während der Bauzeit hat sich der Nordturm geneigt. Heute ist am Anschluss zum Haupthaus erkennbar, dass sich der Abschluss zum Haupthaus nach oben hin um 60 cm erweiterte.

Der 60 Meter hohe Südturm besitzt seit 1804 eine Türmerwohnung und kann über 266 Stufen als Aussichtsturm bestiegen werden.[2]

Ausstattung Bearbeiten

Die Ausstattung der Johanneskirche stammt weitgehend noch aus dem 19. Jahrhundert. Der Altartisch in der halbrunden Apsis wurde 1834–1837 installiert. Er besteht aus schwarzem Kunstmarmor. Von dem Bildhauer Franz Schwarz (Dresden) stammt die Sandsteinfigur des segnenden Christus, bei der es sich um eine Kopie einer Christus-Figur des Künstlers Bertel Thorvaldsen in der Liebfrauenkirche Kopenhagen handelt. Diese wurde 1888 übergeben und geweiht. Die hölzerne Kanzel mit Schalldeckel wurde von Jakob Ludwig Buschkiel (Greifswald) und Bernhard Wilhelm Rosendahl gestaltet. Sie ist mittels Grisaillemalerei mit biblischen Szenen und Engelsdarstellungen verziert. Das sechseckige Taufbecken in Zinkguss vor den Altarstufen wurde nach einem Entwurf Schinkels gefertigt.

Auch das Große Zittauer Fastentuch gehörte seit 1472 für ca. 200 Jahre zur Ausstattung.

Orgel Bearbeiten

 
Westempore mit Orgel

Die dreimanualige Orgel von Gottfried Silbermann aus dem Jahr 1741 wurde 1757 bei der Belagerung Zittaus im Siebenjährigen Krieg zerstört.[3] Der Prospekt der vorherigen Orgel von 1685, welche durch die Silbermannorgel ersetzt wurde, wurde an die Kirche in Ebersbach abgegeben und blieb dort erhalten.

Die heutige Orgel wurde in den Jahren 1929–1930 von Orgelbauer A. Schuster & Sohn (Zittau) in der Nische der Westwand gebaut. Schuster integrierte bei dem Neubau 50 von 55 Registern der Vorgängerorgel, die die Orgelbauer Johann Gotthold Jehmlich und Carl Stöckel (Dresden) in den Jahren 1837 bis 1843 geschaffen hatten.[4] Für den Intonateur ergab sich 1930 die schwierige Aufgabe, aus dem heterogenen und nachträglich neobarock überarbeiteten Pfeifenwerk ein einheitliches Klangbild zu formen. Zu den 17 zusätzlichen Achtfußregistern und Ergänzungen aus dem spätromantischen Registerrepertoire traten einige neobarocke Zungen. Das monumentale Instrument ist im Wesentlichen unverändert erhalten und von europäischer Bedeutung. Das Instrument hat einen Freipfeifenprospekt mit fünf Türmen, dessen Prospektpfeifen mit Aluminiumbronze überzogen sind. Die Orgel verfügt über 87 Register und ein Effektregister auf drei Manualen und Pedal und elektropneumatische Taschenladen. Sie besitzt 6021 Orgelpfeifen. Im Spieltisch ist ein weiterer Ausbau auf 100 Register und drei Effektregister vorbereitet. Besonderheiten sind der hufeisenförmige „Horseshoe“- Spieltisch nach Vorbild von amerikanischen Kinoorgeln und die Einbeziehung von Perkussionsregistern („Harfe“, Glocken). Von 2011 bis 2013 wurde das Instrument durch die Orgelbaufirma Jehmlich restauriert; in diesem Zuge wurde der der Spieltisch um 180 Grad gedreht und das Instrument klanglich auf den Zustand von 1930 zurückgeführt.[5][6] Die Registerreihen der Manualwerke II und III sind mit wenigen Ausnahmen um eine Oktave (bis c5) ausgebaut.

I Hauptwerk C–c4
01. Prinzipal 16′
02. Bordun 16′
03. Prinzipal 08′
04. Gamba 08′
05. Hohlflöte 08′
06. Gemshorn 08′
07. Rohrflöte 08′
08. Dolce 08′
09. Oktave 04′
10. Violine 04′
11. Soloflöte 04′
12. Gedackt 04′ v
13. Quinte 0223
14. Oktave 02′
15. Waldflöte 02′ v
16. Terz 0135
17. Mixtur V 02′
18. Zimbel III 01′
19. Cornett V (ab c1) 08′
20. Trompete 16′
21. Trompete 08′
22. Oboe 08′
23. Krummhorn 08′
24. Clarine 04′
II Manualwerk C–c4 (-c5)
25. Quintatön 16′
26. Lieblich Gedackt 16′
27. Prinzipal 08′
28. Salizional 08′
29. Konzertflöte 08′
30. Schwiegel 08′
31. Gedackt 08′
32. Zartflöte 08′
33. Oktave 04′
34. Gemshorn 04′
35. Rohrflöte 04′
36. Dolce 04′ v
37. Nasard 0223
38. Oktave 02′
39. Piccolo 02′ v
40. Terz 0135
41. Flageolett 01′
42. Cornett V (ab g0) 0223
43. Mixtur IV 0113
44. Bombarde 16′ v
45. Tuba 08′
46. Englisch Horn 08′
47. Vox humana 08′ N
48. Trompete 08′ v
Tremulant

49. Kirchenglocken (ab G) 08′ v
50. Orchesterglocken (ab C) 04′ v
III Schwellwerk C–c4 (-c5)
51. Gamba 16′
52. Rohrflöte 16′
53. Geigenprinzipal 08′
54. Viola 08′
55. Spitzflöte 08′
56. Quintatön 08′
57. Lieblich Gedackt 08′
58. Aeoline 08′
59. Vox coelestis 08′
60. Prinzipal 04′
61. Fugara 04′
62. Nachthorn 04′ v
63. Zartflöte 04′
64. Spitzquinte 0223
65. Oktave 02′
66. Glockenton 02′
67. Terz 0135
68. Sifflöte 01′
69. Mixtur III 01′
70. Scharf IV 0 v
71. Fagott 16′
72. Trompete 08′
73. Clarinette 08′
74. Rankett 08′ N
75. Sing. Regal 04′
76. Harfe (ab G) 04′ N
Tremulant
Pedalwerk C–g1
Hauptpedal
77. Prinzipal 32′
78. Untersatz 32′
79. Prinzipal 16′
80. Oktave 08′
81. Quinte 0513
82. Oktave 04′
83. Terz 0315 v
84. Oktave 02′
85. Choralflöte 01′ v
86. Cornett V 0223
87. Posaune 32′
88. Posaune 16′
89. Trompete 08′
90. Clarine 04′
91. Zink 04′ v

Schwellpedal
92. Violon 16′
93. Subbass 16′
94. Lieblich Gedacht 16′ v
95. Dolce 16′
96. Quinte 1023
97. Violoncello 08′
98. Quintatön 08′
99. Bassflöte 08′
100. Viola 04′
101. Bombarde 32′ v
102. Dulcian 08′ v
103. Fagott 08′
  • Koppeln
    • Normalkoppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P
    • Suboktavkoppeln: II/I, III/I, III/II
    • Superoktavkoppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P
  • Spielhilfen: 100.000 Kombinationen, Datensicherung über USB, Crescendo 1-4, Koppelknecht, Intervallkoppel, Transpositeur, Recorder, Zungenabsteller
  • Anmerkungen
v = noch vakantes Register
N = 2013 ergänztes Register

Geläut Bearbeiten

Das Geläut besteht seit dem 30. September 2018 wieder aus vier Bronzeglocken, der Glockenstuhl ist aus Eichenholz, die Joche aus Gusseisen, gekröpft gefertigt[7] Im Folgenden eine Datenübersicht des Geläutes:[8]

Nr. Gussdatum Gießer Durchmesser Masse Schlagton
1 2018 Glockengießerei A. Bachert 1722 mm 3212 kg h
2 1842 Glockengießerei S. Schöttel 1376 mm 1322 kg d′
3 1951 Glockengießerei S. Schilling 1216 mm 1055 kg e′
4 1740 Glockengießerei B. Körner 1100 mm 660 kg fis′

Kirchgemeinde Bearbeiten

Die Johanniskirche dient als Hauptsitz der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Zittau, welcher auch die Verwaltung des außerhalb der Altstadt gelegenen Frauenfriedhofs obliegt. Die Kirchgemeinde St. Johannis ist Schwesterkirchgemeinde der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Siebenkirchen Dittelsdorf sowie der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Zittauer Gebirge-Olbersdorf.

Musikdirektoren Bearbeiten

Die Organisten der Johanniskirche waren stets zugleich Musikdirektoren (Directores musices) der Stadt Zittau. Zu ihnen zählten:[9]

  • Johann Nesen, 1453 „Orgelmeister“
  • Joachim Pomeranns, 1567
  • Michael Joseph, 1576, gestorben 1599
  • Lorenz Sternberger, 1600
  • Christoph Schreiber, 1634
  • Andreas Hammerschmidt, 1639
  • Moritz Edelmann, 1676 († 1680)
  • Johann Krieger, 1682
  • Carl Hartwig, 1735 (Schüler J. S. Bachs)
  • Gottlieb Krause, 1748
  • Johann Trier, 1753
  • Johann Gottlieb Unger, 1789
  • Benjamin Gottlieb Rösler, Theol. Cult. 1820
  • Franz Karl Theodor Sturm, Theol. Cult. 1834

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Andreas Bernhard; Gert Streit: Zittau - Johanniskirche, auf www.schinke-galerie.de
  2. Aussichtsturm auf der Webseite der Kirchengemeinde
  3. Informationen zur ehemaligen Silbermann-Orgel auf organindex.de. Abgerufen am 16. Oktober 2021.
  4. Informationen zur ehemaligen Jehmlich-Orgel auf organindex.de. Abgerufen am 17. Oktober 2021.
  5. Informationen zur Orgel und zur Disposition abgerufen am 29. August 2013.
  6. Zur aktuellen Disposition auf der Website der Orgelbaufirma
  7. Rainer Thümmel: Glocken in Sachsen; Evangelische Verlagsanstalt Leipzig: ISBN 978-3-374-02871-9: S. 373
  8. Rainer Thümmel: Glocken in Sachsen; Evangelische Verlagsanstalt Leipzig: ISBN 978-3-374-02871-9: S. 373
  9. Christian Adolph Pescheck: Handbuch der Geschichte von Zittau. Band 2, S. 764.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Johanniskirche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 50° 53′ 48,4″ N, 14° 48′ 23,5″ O